Zukunft

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„Bleib bei mir." 

Diese drei Worte jagten Nora eine Gänsehaut über den gesamten Körper und auch ihr Lächeln erstarb. Sie schluckte. Sie fand es unendlich ungerecht von ihm, sie um so etwas zu bitten, als stünde es in ihrer Macht, diese Entscheidung zu treffen. Und gleichzeitig konnte sie ihm seine verzweifelte Naivität nicht übel nehmen. 

Ezio spürte, dass er die Stimmung gedrückt hatte, stemmte sich seufzend auf und legte sich neben sie. Er zog sie in seine Arme und Nora ließ es nur zu bereitwillig geschehen. Sie klammerte sich an ihn und drückte ihr Gesicht an seine Brust. Er kannte sie viel zu gut. „Weine nicht, amore mio. Bitte." Ezios Stimme brach, denn der dicke Kloß in seinem Hals trieb beinahe auch ihm die Tränen in die Augen. Er hatte Nora noch nie weinen sehen und es brach ihm das Herz. Sie bemühte sich nach Kräften seinem Wunsch nachzukommen, doch scheiterte kläglich. Wie könnte sie aufhören zu weinen? Gerade jetzt? Sie würde ihn nach dieser Nacht wahrscheinlich nie wieder sehen. Sie schluchzte laut und Ezio drückte sie ganz fest an sich. Er wollte so viel Körperkontakt wie möglich. 

„Ich-... liebe dich.", brachte Leonora schließlich gequält zwischen zwei Schluchzern heraus, als wolle sie ihre Verzweiflung damit rechtfertigen. Ezio erstarrte. Hatte sie das eben wirklich gesagt? Hatte er sie richtig verstanden? Er griff in ihr Haar und unter ihr Kinn und zwang ihren Blick nach oben. Selbst tränenüberströmt und gequält war sie das faszinierendste Wesen, dass sein Auge jemals erblickt hatte. „Könntest du das nochmal sagen?" Nora gab eine Mischung aus Lachen und Schluchzen von sich. Trotz des Tränenfilms konnte sie erkennen, dass sie ihn damit vollkommen aus der Fassung gebracht hatte. „Ich liebe dich, Ezio.", wiederholte sie unter seinen ungläubigen Augen und legte die Hand über sein wild pochendes Herz. Ezio presste stürmisch seine Lippen auf ihre und küsste sie fieberhaft. Er konnte es nicht glauben. Er fasste es nicht. Nie hätte er zu träumen gewagt, diese Worte aus ihrem Mund zu hören. Nie hätte er zu träumen gewagt, sie könne seine Gefühle erwidern - diese wunderschöne Frau aus der Zukunft, die so viel weiser war als er. Diese Worte nun aber von ihr zu hören... war berauschend. Er ließ von ihr ab und legte ihren Kopf wieder an seine Brust, als wäre sie das Wertvollste auf der ganzen weiten Welt. „Mio dio, Nora. Du hast keine Ahnung, was du mit mir machst... was du mir bedeutest.", sprudelte es aus ihm heraus, wie ein viel zu lang gehütetes Geheimnis. Doch was auch immer Ezio sagte, es brachte Nora nur noch mehr zum Weinen. Sie fragte sich, warum sie sich nun noch elender fühlte als vorher, als sie noch glaubte, er würde sie nicht mehr brauchen und ihr Gehen sogar herbeisehnen. Es war ein bittersüßer Schmerz, der ihr Herz gleichzeitig zum Glühen brachte, wie auch Zerreißen ließ. 

„Ich lasse dich nicht gehen. Jetzt nicht mehr.", verkündete er kampfeslustig, als ob er gegen den unsichtbaren Feind, der sie von ihm fortnehmen wollte, etwas ausrichten konnte, „Ich lasse mir etwas einfallen. Ich verspreche es." Nora lauschte seinem hektischen Herzschlag. Sie wollte ihm so sehr glauben. Sie wünschte sich nichts sehnlicher. Doch seine Worte waren aus Verzweiflung geboren. Selbst Ezio würde nichts ausrichten können, wenn sie seinem Griff entschwand. 

Einige Zeit lang sagte keiner von beiden mehr etwas. Sie waren dazu übergegangen, einander zu genießen, solange es währte. Ezio streichelte über ihre Schultern hinweg, während Nora ihr Gesicht in seiner Halsbeuge vergraben hatte. Sie hatte seit Tagen nicht mehr geschlafen, aus Angst, an einem anderen Ort aufzuwachen, und es fiel ihr zunehmend schwerer, bei Bewusstsein zu bleiben. Sie fühlte sich in Ezios starken Armen geborgen und sein steter Herzschlag und die wohlige Wärme trugen sie langsam aber sicher in eine Welt aus Watte und Alpträumen. Ezio versuchte sich mit aller Macht wachzuhalten. Viel zu groß war die Angst, sie könne aus seinen Armen verschwunden sein, wenn er aufwachte. Doch irgendwann übermannte auch ihn das Gefühl der Vollständigkeit, als er sein Gesicht in Noras Locken vergrub, ihren Duft einatmete und schließlich, ganz langsam, die Augen schloss.

[Ezio Auditore] TimeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt