~Koma~Prolog

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Nichts.
Bloß Dunkelheit.
Schwarze, dicke, erdrückende Dunkelheit. Dann Hitze, Schmerzen.
Krampfartige Schmerzen durchziehen meinen Körper und ich spüre wie sich meine Muskeln, Organe, einfach alles sich zusammen zieht.
Wo bin ich?
Mir ist so kalt.
Was ist passiert?
Ein tiefes Gefühl des Friedens durchströmt meinen Körper.
Ein lauter Knall, Hitze, kein Sauerstoff zum Atmen.
Das ist alles an das ich mich erinnere.
Bin ich tot?
Ich weiß es nicht.
Aber wenn ich tot wäre, würde ich diesen alles vernichtenden Schmerz doch nicht verspüren, oder?
Erneut durchfährt ein Schwall Hitze meinen Körper, mein Herz... Mein Herz. Ich realisiere jetzt erst, wie still es ist. Wie friedlich es in meiner Brust ist. Nichts, ich kann mein Herz nicht spüren, es schlägt nicht. Ich werde panisch. Wie kann das sein?
Wie kann es sein dass ich bei Bewusstsein bin, obwohl mein Herz nicht schlägt? Ich will nach Luft schnappen, doch kann nicht Atmen. Die Panik wächst zu einem erdrückenden Gefühl des Entsetzens an. Ich höre Stimmen um mich herum, Menschen schreien sich an, direkt an meinem Ohr.
Langsam kehrt das Gefühl zurück in meine Nervenzellen, ich spüre wie Plastikhandschuhe an mir herumfummeln. Ich Atme tief ein und endlich durchströmt Luft meine Lungen. Ein grelles Licht blendet mich durch meine geschlossenen Lieder hindurch, es tut fast schon etwas weh. Kopfschmerzen, so schreckliche Kopfschmerzen.
„Sinja? "
Bin das ich?
„Sinja, kannst du mich hören?"
Ja. Ich kann euch hören..
„Sie ist nicht ansprechbar, aber bei uns! "
Eines meiner Augenlieder wird von einem Gummifinger  nach oben  gezogen und ein stechendes Licht strahlt ein mein Auge.
Ein Mann in blauem Kittel erkundet meinen Augapfel nach Zeichen meiner geistigen Anwesenheit.
„Sie befindet sich definitiv in einem komatösen Zustand..Setzt ihr Sauerstoff auf und gebt ihr etwas gegen die Schmerzen. "
Ich bin doch hier! Ich höre euch doch! Will ich schreien; doch meine Gliedmaßen sind taub und fühlen sich steif an, als bestünden sie bloß aus totem Gewebe.
„Oh Sinja! Oh Sinja, Schatz.. Oh Gott, ist sie tot?"
Ich erkenne diese Stimme und mein Hirn identifiziert sie als die herzbrechende, hysterische Stimme meiner Mutter.
Wieder Geschrei. „Schaffen sie die Frau hier raus!"
Türenknallen. Dann wieder Stille. Ich merke, wie mein Geist erneut in unendliche Schwärze entgleitet.

Einige Zeit später. Ein stetiges Piepen
füllt die Stille, stört den Frieden. Stimmen, scheinbar von hinter einer Wand. Ein Mann und eine Frau.
„Ich verstehe es einfach nicht.. soetwas ist in der Geschichte der Medizin noch nie vorgekommen. Kein ähnlicher Fall ist mir bekannt;" plappert die weibliche Stimme gehetzt vor sich hin.
„Ihr Herz schlägt, sie atmet, und doch sind keinerlei Gehirnströme messbar.. als wäre nur ihr Körper am leben." sie senkt ihre Stimme und flüstert kaum hörbar.
"Als...als wäre sie eigentlich tot.. eine Hülle. Vielleicht hat der Sauerstoffmangel während und nach des Unfalles doch mehr Schaden angerichtet, als wir annehmen."
Ich lausche aufmerksam.
Unfall?
Ich will mehr erfahren, doch
Wieder werde ich müde.
Wieder entgleite ich unaufhaltsam der Wirklichkeit.

Als ich erneut aufwache ist es dunkel.
Nur der Mond erhellt den Raum, sonst erkenne ich nur schemenhafte Schatten welche ineinander übergreifen wie ein schauriges Schaubild.
Warte.
Etwas ist anders.
Ich sehe.
Ich sehe wo ich bin. Und ich kann meine Arme und Beine bewegen. Adrenalin durchströmt mich und verwandelt sich rasch in eine unglaubliche Erleichterung.
Ich richte mich langsam auf.
Ein Bein nach dem anderen winkle ich vorsichtig an, stütze mich auf die Ellenbogen und schiebe mich aus dem knarrenden Bett.
Ich verlagere behutsam mein Gewicht auf meine Füße und hieve mich auf die Beine. Ich sehe an mir herunter und sehe etliche Schrammen und sorgsam versorgte Hämatome, Wunden, Pflaster, Verbände und Nähte, welche meinen ganzen Körper bedecken. Mit zittrigen Fingern fahre ich über eine der Nähte an meinem Bein, fahre unter meinen gepunkteten Kittel und ertaste weitere, in präziser Handarbeit zusammengeflickte Stellen meines Körpers.
Ich drücke etwas auf eines der dunkelblauen Hämatome an meinem Arm. Es tut nicht weh.
Ich drücke fester.
Nichts.
Ich bin verwirrt.
Offenbar befinde ich mich in einem Krankenhaus, hatte einen Unfall und war einige Zeit bewusstlos.
Aber was zur Hölle geht hier vor sich?
Wieso spüre ich keinen Schmerz? Es muss an den Medikamenten liegen. Sicher haben die Pfleger mir hochdosierte Schmerzmedikamente durch die Vene gegeben. Ich schaue erneut verdutzt an mir herab. Da ist aber nichts. Nichts als die Blessuren. Keine Nadel im Arm, keine Beatmungsmaske, keine Schläuche.
Langsam drehe ich mich auf dem Absatz um und erstarre.
Ich sehe mein erstarrtes Gesicht, ein Tubos schaut aus meiner Lunge und Schläuche umgeben mich wie ein Netzwerk aus Zweigen.
Ich bin ganz bleich, Schnitte und Wunden übersähen mich, der Monitor zeigt meinen steten, jedoch langsamen Herzschlag.
Ich spüre wie meine Knie langsam nachgeben und ich zu boden sinke.
Ich erwarte erneut einzuschlafen, aufzuwachen, doch nichts passiert, während ich vor meinem eigenen Körper kauere und fiepsend und zitternd stoßatig die kalte Luft einatme.
„Ohh.. "
Entfährt es mir gequält.
„Oh.."
Ich starre auf das Bildnis, heiße Tränen rollen meine Wangen hinab.
Minutenlang verharre ich in meiner Position.
Ein langes, monotones Geräusch reißt mich aus der Starre. Die Tür fliegt auf und knallt gegen die gekachelte Wand, Pfleger und Schwestern stürmen den Raum.
Sie umzingeln meinen toten Körper, ein Pfleger schubst mich mit wucht zur Seite als er mich anrempelt, kurz verwirrt umdreht und nichts zu sehen scheint.
Sie drücken auf meiner Brust herum, eine der Schwestern reibt zwei Defibrilatoren aneinander und ich sehe wie alle abstand von meinem regungslosen Körper nehmen, während die Pflegerin die metallernen Schocker auf meine Brust presst.
Mein Körper färt für einen kurzen Moment aus dem Bett und ich konnte den Blick nicht aufrechterhalten; ich spürte die elektrizität auf meiner Haut knistern wie eine Wand vor dem Krankenhausbett. In diesem Moment tat ich etwas. Etwas sehr falsches.
Ich stand auf und rannte. Ich rannte durch den Raum, barfuß, halb nackt durch die Tür. Ich sprintete, Angst fraß an meiner noch zu jungen Seele und fraß meinen Verstand wie ein Schwarm hungriger Ratten. Ich beging den größten Fehler den ein empfindungsfähiges Wesen nur begehen kann.  Ich ließ mich selbst zurück.

Koma~A darker placeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt