Kapitel 20

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Mit einem Becher Kaffee in der einen und einer Papiertüte voller Croissants und Müsliriegel in der anderen Hand stapfte ich am nächsten Morgen über die gepflegten Wege des Internats um von der Cafeteria zu den Stallungen zu gelangen. Es war erst kurz nach sechs, weshalb meine Schritte einsam in der Morgenluft verklangen. Keiner der Schüler auf diesem Internat stand pünktlich auf und vergeudete seine Zeit in der Cafeteria, jeder wollte so lange wie möglich schlafen und nahm dafür auch ellenlange Warteschlangen in der Cafeteria auf sich, um dann zu spät in den Unterricht zu erscheinen. Auch ich hatte mich erst viel zu spät aus dem Bett geschält und balancierte nun meinen Koffer neben mir her und versuchte, weder Kaffee zu verschütten, noch mit dem Koffer in die Wiese zu fahren, die sich rechts und links des Weges erstreckte. "Mensch Val, dass kann ja keine mitansehen. Lass dir doch was abnehmen!" Rufus war unbemerkt neben mich getreten, eine Sporttasche lässig über die Schulter geworfen, und grinste mich fröhlich an. "Ach du bist wirklich lieb danke!" schnaufte ich erleichtert und ließ den Griff meines Koffers los und übergab ihn so feierlich an den Dressurreiter neben mir.

"Und freust du dich darauf wieder nach hause zu fahren?" fragte er mich, während wir uns wieder in Bewegung setzten. "Nach Hause?" fragte ich irritert und blickte in seine leuchtend grünen Augen. "Na du wohnst doch in der Nähe von München, da ist es doch nicht mehr so weit bis zu unserem Trainingslager." Ich prustete los. "Man merkt, dass du aus dem Ausland kommst! Ja, ich wohne zwar in Bayern, aber Kreuth ist definitiv weit von München entfernt!" ich zwinkerte ihm vielsagend zu und er lächelte zurück. "Na gut! Aber dann könntest du ja vielleicht bei mir im Auto mitfahren... Ich hab so einen schlechten Orientierungssinn.." er grinste mich unverblümt an während ich ihm einen überraschten Blick zuwarf. Flirtete er etwa schon wieder mit mir? Doch gerade als ich kopfschüttelnd ablehnen wollte, waren wir an den Stallungen angelangt, vor denen auch schon mehrere LKW parkten und auf die Pferde warteten, mit denen sie nach Ostbayern fahren würden. Doch ein Truck stach schmerzhaft hervor. Ein Truck mit golden glänzender Lackierung und schwarzen Lettern an der Längsseite ließ mich meine Augen weit aufreißen und Rufus ein "Verdammte Scheiße!" ausstoßen. Der Truck gehörte London und Logan Fischer und wie ich an der dunkelbraunen Stute erkannte, die bereits aufgeladen worden war und energisch an ihrem Heunetz rupfte, wusste ich, dass er auch nach Kreuth fahren würde. "Ich glaube, ich fahre gerne mit dir nach  Ostbayern!" teilte ich schließlich Rufus mit und drückte ihm auch noch meine Handtasche und die Croissants in die Hand, bevor ich ihm einen Kuss auf die Wange hauchte und dann demonstrativ an dem goldenen Truck vorbeistolzierte, ohne die Springreiter eines Blickes zu würdigen. London wollte Krieg? Den konnte er haben!

"Was willst du machen?" Michi stemmte ärgerlich die Hände in die Hüften und funkelte mich argwöhnisch an. "Ich habe dabei einfach kein gutes Gefühl, dich so schnell wieder mit dem nächsten dahergelaufen Dressurreiter laufen zu lassen! Ich will doch nicht, dass dir schon wieder wehgetan wird!" sein normaler schwäbischer Dialekt war fast gänzlich verschwunden und seine Augen blickten mich ernst an. "Michi, ich hab dich doch auch ganz gerne. Aber Rufus kann mir vielleicht helfen, über du-weißt-schon-wen hinwegzukommen. Außerdem ist er nicht irgendein dahergelaufener Dressurreiter, sondern ein wirklicher Freund. Bitte Michi!" flechte ich und blickte ihn mit großen Babyaugen an. Schließlich seufzte mein Pferdepfleger tief und schickte mich mit einem gutmütigen "Na dann mal los! Aber wenn was ist melde dich sofort! Dann kann er nämlich was erleben!" zu Rufus. Ich drückte Michi glücklich an mich, überreichte ihm feierlich seine Lieblingsmüsliriegel, die ich extra für ihn gekauft hatte und warf einen letzten Blick in den Truck, in dem meine beiden Pferde seelenruhig an ihrem Heunetz knabberten und vollkommen zufrieden wirkten, bevor ich auf einen schwarzen Porsche Cayenne S zuhielt, der bereits mit laufendem Motor auf mich wartete. "Also pack ma's!" grinste Rufus und fuhr mit quietschenden Reifen los.

Als wir vier Stunden später mit heiß gelaufenen Reifen und bullig knurrendem Motor vor Stalltrakt A hielten, stand die Sonne bereits grell leuchtend am Himmel und warf kurze Schatten auf das Auto. "Na dann wollen wir mal aussteigen!" Rufus setzte sich eine dunkel verspiegelte Sonnenbrille auf und lächelte mir nochmals aufmunternd zu, bevor er die Tür aufstieß und in die Mittagshitze sprang. Ich tat es ihm gleich und sogleich spürte ich die gleißende Hitze auf meiner Haut. "Puh ist das heiß hier! Und unter diesen Bedingungen sollen wir trainieren?" fragte ich skeptisch und blickte mich neugierig auf dem Gelände um. Ich hatte zwar schon viel von dem großen Turnierzentrum gehört, war aber bis jetzt noch nie hier gestartet. "Na ja, ich glaube nicht, dass es in der Normandie kälter wird!" witzelte der blonde Dressurreiter neben mir und zog mich aber dann am Arm in die kühlen Stallungen. Meine Augen brauchten einen Moment, um sich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen und ich tapste beinahe blind durch die Stallgasse. Als meine Augen endlich wieder sahen, blickte ich abwechselnd rechts und links auf die Papierschilder, die an jeder Box angebracht worden waren und auf denen der Name des Pferdes, sowie der Name des Besitzers geschrieben stand. Mit geübten  Augen blickte ich über die Schilder und entdeckte schließlich am Ende der Stallgasse zwei gegenüberliegende Boxen, auf denen einmal Dancis und einmal Olympios Name verzeichnet worden war. Die Boxen waren sauber und ordentlich mit Sägespäne eingestreut und ich warf einen interessierten Blick auf die Tafeln rechts und links der Boxen meiner Pferde. "Schau mal Rufus, deine Pferde stehen direkt neben Danci! Und da: Alison hat die Box rechts von Danci bekommen." rief ich erfreut und deutete auf die zwei Boxen. "Und wer darf neben Olympio stehen?" erwartungsvoll drehte ich mich um und blickte flüchtig auf das Stallschild, bevor die Stalltüre erneut aufgeschoben wurde und zwei Kerle die Stallungen betraten. Als ich erkannte, um wen es sich bei den beiden handelte, fing meine Unterlippe an zu zittern. "Shit!" Denn auf den Boxenschildern stand ein Name, der es mir gleichzeitig kalt den Rücken runter laufen ließ und mein Herz erwartungsvoll klopfen ließ.

"Fischer!" Rufus frostige Stimme fegte durch die leere Stallgasse und hallte beinahe gespenstisch von den Wänden wieder. Doch London beachte ihn gar nicht. Sein eisblauer Blick lag auf mir und ich wurde von einem elektrisierenden Schauer durchfahren, als seine Augen für einen Moment liebevoll aufzuleuchten schienen. Doch dann gewann das Pokerface und das Gesicht meines Ex verriet keinerlei Gefühle. "Jetzt also du und Schwarz, hmm?" seine dunkle Stimme hallte unheilvoll durch die Stallgasse. Trotzig streckte ich das Kinn und blickte ihm immer noch in die kalten Augen. "Und selbst wenn... Das mit uns ist ein für alle mal vorbei, da hast du ja wohl gang glanzvoll dafür gesorgt!" meine Stimme triefte vor Sarkasmus. Londons Gesicht verzog sich vor Zorn und er trat einen bedrohlichen Schritt auf mich zu. Seine Augen funkelten die eisblaue Sterne in seinem gutaussehenden Gesicht, doch ich wich nicht zurück, sondern trat meinerseits einen Schritt auf ihn zu, bis wir Auge in Auge gegenüberstanden. "Du hast gar keine Ahnung!" spuckte London mir förmlich entgegen, doch ich gab nicht auf und fauchte zurück: "Ja, dann erkläre es mir doch endlich verflucht noch mal!" London wollte erneut einen wütenden Schritt auf mich zugehen, als sich sein Zwillingsbruder einschaltete und ihn eine Hand warnend auf die Schulter, jederzeit bereit, ihn von mir wegzureißen.

Mit einem unwilligen Knurren registrierte London die Geste, drehte sich aber dann doch um, nicht ohne mir vorher einen weiteren vernichtenden Blick zuzuwerfen. "Scheiße!" sein lauter Fluch zerfetzte die Stille und mit großen Schritten eilte er auf den Ausgang zu, seinen Bruder dicht auf den Fersen. Als Die Stalltüre endlich wieder ins Schloss gefallen war, schien alles Adrenalin auf einmal aus meinen Venen zu verschwinden und ich torkelte müde zwei Schritte nach rechts, bevor ich von muskulösen Armen aufgefangen wurde und sanft an eine starke Brust gedrückt wurde. "Alles wird gut, er kann dir nichts mehr tun!" beruhigend strich Rufus mir über meinen halb aufgelösten Pferdeschwanz, während ich zu schluchzen begann. "Er... Er hat seine Pferde... direkt neben meinen!" aufgelöst starrte ich zu den gemeinten Boxen hinüber und verengte meine Augen zu Schlitzen. "Wenn du willst, können wir unsere Boxen tauschen und dann musst du ihn nicht mehr direkt neben dir ertragen!" schlug Rufus vor und strich mir immer noch beruhigend über mein Haar. Ich schniefte nochmals, schüttelte dann aber entschieden den Kopf. "Nein, das ist echt lieb von dir, aber ich werde nicht kneifen! Er will Krieg, er bekommt Krieg!" "Das ist die Valerie, die ich kenne! Und die ich..." Rufus sah mich prüfend an, als ich ihm einen irritierten Blick zuwarf. " Die du was?" fragte ich, doch anstatt einer Antwort beugte er sich langsam zu mir herunter, seine smaragd- Augen brannten sich förmlich in meine und machten mich willenlos, und legte seine Lippen sanft auf meine.

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So meine Lieben, heute melde ich mich mal wieder mit einem super langen Kapitel ;) Ich habe gerade so viele Klausuren zu schreiben und da verfalle ich immer förmlich in einen Schreib-flow ;) Vielleicht sollte es öfters solche Prüfungsphasen geben, dann würde mein Buch ganz schnell fertig gestellt sein ;)

Jetzt hoffe ich, dass euch das Kapitel gefallen hat (auch wenn ihr ja nicht unbedingt zu #teamrufus gehört ;) Tja, was aus den beiden noch werden wird, dass kann ich euch leider noch nicht verraten. Aber einen kleinen Tipp habe ich doch für euch parat... In den ersten Kapiteln (Klappentext mal ausgenommen ;)) steht schon drin, was passieren wird...

Viel Spaß beim Rätseln meine Lieben ;)

Eure Honey Summer

QueenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt