Kapitel 6

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Die Lampen gaben ihr relativ dunkles, gelbliches Licht ab, während meine Schritte dumpf auf dem Bürgersteig erklangen. Zu dem Rock hatte ich schließlich noch schwarze Halbstiefel angezogen, als ich losgegangen war. Auch die Schminke war wieder vorhanden, die Augen dunkel umrandet, die Lippen rot nachgezogen. Aber viel mehr hatte ich auch nicht drauf. Faulheit ließ Grüßen.

Die Sonne war bereits vor einer Weile untergegangen, aber erstens konnte Honigstimme ruhig warten. Ich spielte einfach nicht nur nach seinen Regeln. Andererseits hatte ich einfach Hunger gehabt und Seraphina hatte sich die Mühe gemacht zu kochen. Hat zwar ziemlich beschissen geschmeckt, aber es war immerhin besser, als mit leerem Magen aufzukreuzen.

Mein Blick glitt durch die leere Straße, die von den ganzen fahrenden Autos erleuchtet wurde. Die halfen halt ehrlich mehr, als die ganzen Laternen, die nur schwach schimmerten. Und von Honigstimme war hier keine Spur, obwohl ich an der richtigen Adresse angekommen war.

"Worauf wartest du? Beweg' deinen hübschen Arsch hier herauf, wenn du schon zu spät kommst!"
Verwundert sah ich auf, als ich seine Stimme vernahm, erkannte ihn schließlich über ein Geländer gelehnt. Anscheinend befand Honigstimme sich auf dem Dach. Das Haus war nicht allzu hoch, höchstens fünf Stockwerke. Es gab höhere, aber gut. "Tür ist offen, Treppe ist links. Fahrstuhl ist zurzeit defekt."

Tolles Haus. Wirklich.
Jetzt durfte ich auch noch fünf Stockwerke zu diesem Arsch Hochlaufen. Die Tasche über meine Schulter schwingend betrat ich ohne ein Wort das dunkle Gebäude und begann den Aufstieg.

Tatsächlich war ich ziemlich außer Puste, als ich oben ankam, aber es hielt sich noch in Grenzen. Kurz sah ich mich um, entdeckte schließlich die eine Tür, die nach oben geöffnet war und aus der eine Klappleiter ragte. Die Tasche klemmte ich unter meine Schulter, stieg schließlich die letzten Stufen hinauf.

Ace stand noch immer mit den Hüften gegen das Geländer gegenüber dem Ausgang gelehnt und hatte den Blick auf die Straße gerichtet. Von den umstehenden Häusern und einem Werbeplakat in der Nähe schien ein wenig Licht auf das Dach des Hauses. Seine Silhouette warf einige Schatten, die auf dem Boden wieder zu einem verschmolzen. "Der Fahrstuhl ist gar nicht defekt. Das Schild hab ich vorhin angebracht." Seine Schultern hoben sich kurz leicht, wobei ich sein leises Lachen bis hierher hörte.

Noch einmal holte ich tief Luft, trat einige Schritte auf ihn zu. "Lass mich raten, das war für heute morgen?" "Oh, die kleine Puppe kann anscheinend nachdenken." Ich war tatsächlich versucht, einfach mit der Tasche auszuholen und sie gegen seinen Hinterkopf zu schlagen, aber... Ich hielt mich zurück.

"Ich hab mir überlegt, was ich haben will", sprach ich stattdessen weiter und stellte die Tasche zur Sicherheit auf dem Boden ab. Ich selbst trat etwas entfernt neben Ace und sah in den Nachthimmel, während sein Blick zu mir glitt. "Schieß los."

Langsam sah ich ebenso zu ihm, fing seinen Blick auf und hob die Schultern. "Besorg mir einen Waffenschein und eine Knarre." Ace begann lauter zu lachen, wobei ich weiterhin ausdruckslos zu ihm sah, während er nun allmählich verstummte. Nachdenklich betrachtete er mein Gesicht, hob dann eine Augenbraue.

"Du meinst das tatsächlich ernst. Wie kommst du darauf, dass ich dazu fähig bin? Und wozu willst du die Knarre?" "Keine Ahnung, Intuition. Hab wahrscheinlich 'ne gute Menschenkenntnis. Und ich bin teilweise echt paranoid... Ich will sie nur zur Sicherheit." Große Lüge, aber er schien sie mir abzukaufen, denn er zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Gut, dann bekommst du die halt."

Mit einem Nicken quittierte ich seine Antwort, betrachtete wieder den Sternenhimmel und bemerkte durch einen Luftzug, dass Ace näher an mich herantrat. Sein Arm schlang sich beinahe sofort um meine Taille, während er sich hinunter beugte. Sein warmer Atem schlug gegen die Haut meines Nackens, nachdem er die Haare zur Seite gestrichen hatte.

Ich drehte mich um, lehnte mich mit der Rückseite gegen das Geländer und zog beide Augenbrauen hoch. "Oh. Das hast du ja wohl ganz vergessen. Nicht jedes Paar ist sofort so auf küssen oder mehr aus. Und ich auch nicht. Also halt dich zurück, Liebling." Und irgendwann wird eine Faust so wunderbar in deinem Gesicht landen, einfach um dir eine Lektion zu erteilen. Aber... Nicht jetzt. Einfach... Geduld haben.

"Du bist wirklich schlimm", stellte er seufzend fest, wobei ich ihm nur eine strahlendes, aufgesetztes Lächeln schenkte und die Zigarettenschachtel aus seiner Hosentasche zog. Sein Spiel, dann sollte er damit klar kommen. Dafür hielt ich ja sogar seine ekelhaften Berührungen aus.
"Vielen Dank, für das Kompliment, Liebling."

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