Genervt gelange ich an die Stelle, wo das Portal in meine Welt liegt. Mit einem Schwenker meiner Todessense öffnet es sich in einem Schauer aus Lichtexplosionen und desinteressiert trete ich zügig hindurch, damit ich meinem Vorgesetzten Bericht erstatten kann. Meine Arbeit ist für heute getan und demnach sehne ich mich nach etwas Erholung. Als ich den ersten Schritt hindurch gemacht habe und sich das Portal lautlos wieder schließt, werde ich sogleich von zwei schmalen Händen umarmt und nach vorne gezogen.
"Lilly!", kreicht die Stimme aufgeweckt und ich zucke zurück, als ihre schrille Stimme meine Ohren trifft. "Hallo Alice....", murmel ich und schiebe sie von mir weg. Im Gegensatz zu meinen grauen, trostlosen Augen, sind ihre strahlend Grün. Sie sieht mich lachend an und ich kann mir nicht mal ein Lächeln abringen. "Kannst du mir nicht mal ein Lächeln schenken?", fragt sie vorwurfsvoll und stemmt ihre Hände in die schmalen Hüften. Alice ist für ihre junge Erscheinung, sehr aufmerksam und präzise. Sie ist mit 11 Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen und zu einem Todesengel geworden. Den Grund kenne ich nicht, doch sie wirkt sehr viel reifer und fröhlicher als ich und scheint nicht wie ich, mit dem Gedanken daran ein Todesengel zu sein, überfordert oder gar unzufrieden zu sein.
"Du weißt das ich nicht will." Sie lächelt und streicht ihr langes graues Haar zurück. "Ich treff sie täglich hier im Park, weil wir uns Nahe stehen ja." Fröhlich springt sie um mich herum und trällert ihr Lied. "Ich sehe sie jeden Tag, weil wir einfach beste Freunde warn. Ich will so gerne zu ihr gehn, freue mich so sie zu sehn. Ich glaube fast sie ist ein Traum, ansonsten sieht sie mich kaum." Ich versuche sie zu packen damit sie aufhört unlogische Lieder zu singen, doch sie springt geschickt und lachend weg. "Geheimnisvoll ist ihr Gesicht. Einen Freund hat sie nicht. Sie ist eine unglaubliche Person, das nicht zu denken grenzt schon an Hohn. Sie ist wirklich wunderbar, perfekt, ich frag mich ja, hat ihr den niemand beigebracht, wie man lächelt oder lacht?" Ich schüttel den Kopf und sie tippt mir gegen die Brust. "Mädchen lach doch mal! Bitte lächel einmal nur für mich. Danach kann ich in Frieden sterben, du kannst gerne alles Erben. Mädchen, lach doch mal, denn auch das schönste Gesicht, ohne lächeln funktioniert es nicht, ohne lächeln funktioniert das einfach nicht."
Ich sehe sie an und sie grinst erfreut als ich ihr, mit meinem Blick ein Lächeln schenke. Ich bin froh sie zu haben. "Geht doch!", erklärt sie zufrieden und geht einen Schritt zurück. "Ich muss jetzt los Lilly. Wir sehen uns nachher versprochen?" Ich zucke mit den Schultern und Alice grinst mir kindlich entgegen. "Nichts weiß ich nicht. Wir treffen uns nachher am Brunnen im Park, okay?" Ich gebe mich geschlagen. "Gut. Dann bis nachher Alice. Und pass auf dich auf." Ich deute auf ihre Schwingen die sich während unserer Unterhaltung entfaltet haben. "Du scheinst Arbeit zu haben." Sie sieht mich siegessicher an und in meiner Brust meldet sich Besorgnis. Manchmal kommt es vor, das sie sich überschätzt und in Gefahr gerät. Ich sollte gleich, nachdem ich meine Meldung überbracht habe unbedingt nach ihr sehen. "Ich schaffe das. Nur zwei kleine Aufträge."
Ich nicke und sie dreht sich um. Als sie ihre Flügel ausbreitet und losfliegt, erscheint sie mir eher wie ein unglaublich schöner Engel. Und nicht jener der den Tod bringt. Ich sehe ihr nach, bis sie verschwunden ist und entfalten nun selbst meine Schwingen. Meine sind nicht weiß, wie die der meisten Todesengel, sie sind in tiefes Schwarz getaucht und größer als die meisten anderen. Der Kontrast zu meinen Weißen Haaren und den grauen Augen sticht deutlich hervor. Langsam hebe ich ab und lasse mich einige Meter weiter an dem See nieder der hier im Park besteht. Still betrachte ich mich im Wasser, suche nach einem Fehler oder einer Lüge in meinen Gesichtszügen, doch das einzige was mir entgegen sieht ist ein junges Mädchen, im Alter von 16 Jahren verstorben, der unglaubliche Verzweiflung in den grauen Augen tobt.
Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als mich mein Vater zu Tode geschlagen hat. Es ist ein verregneter Juli Tag gewesen, meine Mutter und ich haben uns gestritten und ihr ging es zu dem Zeitpunkt nicht sonderlich gut. Er trank viel, kam an dem Abend genau so betrunken nach Hause, wie so oft. Normalerweise habe ich mich dann immer in meinem Zimmer eingeschlossen, doch an dem Tag war er früher als sonst unterwegs. Er ist zur Tür herein gekommen, vollkommen durchnässt und betrunken, er hat gebrüllt und hat mit einer Art....spitzen Gegenstand auf mich eingeschlagen. Erst als meine Schreie schon längst verklungen waren und mein Rücken komplett zerschunden und blutig vor meinem Vater gelegen hatte, ist meine Mutter gekommen und hatte versucht meinen Vater unter Tränen von mir weg zu ziehen. Er hat nicht auf sie gehört und weiter auf mich eingeschlagen bis ich irgendwann nicht mehr geatmet habe. Dann hat mich Alice gefunden, ich habe irgendwie zwischen Himmel und Hölle vor mich hin vegetiert, und mich zu den Todesengeln gebracht. Wenig später habe ich meine Sense erhalten und habe gelernt was es bedeutet ein Todesengel zu sein. Das alles ist jetzt 6 Jahre her. Ich bin seit dem Vorfall nicht mehr bei meinen Eltern oder meinen Freunden gewesen und selbst wenn....ich bin tot und nun ein Engel des Todes.
Seufzend stehe ich auf und entfalte meine Flügel. Keine Ahnung wie lange ich hier gesessen habe, aber ich sollte mich beeilen wenn ich noch pünktlich zum Treffen mit Alice kommen will. Ich habe auch vollkommen vergessen, das ich eigentlich nach ihr sehen wollte. Blitzschnell hebe ich ab und lande in Sekundenschnelle auf dem Dach des großen Palastes der mitten in unserem kleinen Zuhause steht, und ich werde auch schon sehnsüchtig erwartet.
DU LIEST GERADE
Engel des Todes
FantasiJeden Tag das selbe. Die Sterbenden aufsuchen, die Seele an sich nehmen, entsprechend handeln, wenn der Mensch es nicht verdient weiter zu leben und dann in dem kleinen Buch abstempeln. Ich bin ein Todesengel. So kommt es, das ich eines Tages eine S...