Das Taj Mahal war eines der beliebtesten Restaurants der Stadt. Mit seiner schmackhaften indischen Küche lockte es Anhänger exotischer Gaumenfreuden genauso, wie waghalsige Abenteurer - der perfekte Ort, um meinen neuen Job zu feiern.
Als wir die Tür zum Restaurant öffneten, schlug uns würzig, feuchte Luft entgegen. Leise Klänge indischer Musik flossen durch die Boxen und ölten unsere Ohren. Ein agiler Kellner mit einem schwarzen Schnauzbart kam auf uns zu geeilt, nahm unsere Jacken entgegen und führte uns an einen Tisch.
Julia, meine Verlobte, setzte sich gerade hin, als mein Lächeln zu Eisklötzen zerbröckelte. Da saß doch tatsächlich Philipp Schwarz - der Grund meiner beruflichen Veränderung.
Ihn hierzu sehen, ließ mein Blut kochen.
Philipp war unter den Kollegen für seine Intrigen bekannt. Das geschniegelte Auftreten, seine ausgefeilte Sprache und die braunen Rehaugen gaben ihm in der Chefetage die notwendige Glaubwürdigkeit.
Seit meinem ersten Tag in der Bank war ich sein Lieblingsopfer. Ich erinnere mich noch an den abschätzenden Blick, als er mich von oben bis unten taxierte und an seinen zögerlichen Händedruck, den er mir widerstrebend gönnte.
In den nächsten Monaten durfte ich massenweise verärgerte Kunden betreuen, die er an mich verwies, mit der Begründung, er hätte zuviel zu tun. Hinzu kamen unzählige Besuche bei den Chefs, in denen ich meine Effizienz und Arbeitsmoral immer wieder unter Beweis stellen musste. Das Ganze ließ meine Laune in den Eiskeller fahren, bis meine Verlobte mir vorschlug, einen anderen Job zu suchen.
"Alles okay bei dir?", erkundigte sich Julia.
"Da hinten sitzt Philipp", zischelte ich durch meine zusammengepressten Lippen.
"Der Philipp?", fragte sie erstaunt.
Ich nickte ruckartig.
"Ach, Scheiße", grunzte Julia und sah mich mitleidig an.
Philipp war nicht allein. Neben ihm schmiegte sich eine junge blonde Frau an seinem Arm, die ihn verliebt unter langen Wimpern anhimmelte. Das war nicht seine Frau, soviel wusste ich.
Philipp hatte uns vor ein paar Wochen voller Schadenfreude ein Hochzeitsbild gezeigt, um den unverheirateten Kollegen zu beweisen, was für Loser sie sind.
Mein Blut war jetzt auf die Temperatur von heißer Lava hochgekocht.
"Bin gleich wieder da", rief ich Julia zu, als ich zu Philipps Tisch ging.
"Mensch Philipp, wie schön, dich hier zu sehen", säuselte ich mit freundlicher Stimme. Philipp löste seinen Blick von der jungen Frau und sah mich verwirrt an.
"Hallo Jan, das ist aber eine Überraschung", sagte er gequält, während er sich aus dem Griff der Verehrerin herauswand.
Unaufgefordert quetschte ich mich neben ihn auf die Sitzbank.
"Cool, dass ich dich hier treffe. Hat Sandra sich schon bei dir gemeldet? Mann, die war vielleicht sauer. Bist einfach abgehauen, ohne ihr nach der Nummer das Geld zu geben. Ich musste sie beruhigen und ihr versichern, dass du es beim nächsten Mal zahlst. Was macht man nicht alles für einen guten Kumpel?"
Kameradschaftlich klopfte ich ihm auf die Schulter und lächelte wissend. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, dass Barbies Gesichtszüge entgleisten.
"Was soll das? Ich kenne keine Sandra." Philipps Rehaugen blitzten mich gefährlich an.
"Komm schon, das ist doch normal bei uns Kerlen. Nichts worüber man sich aufregen müsste", erwiderte ich brüderlich.
Philipp drehte sich zur Blondine um und ich hörte, wie er versuchte, sie zubeschwichtigen: "Hör zu, das ist ein Kollege von mir. Der macht immer solche Scherze. Beachte ihn nicht."
"Das ist jetzt aber nicht nett von dir, nach allem, was wir miteinander erlebt haben", rief ich im verletzten Ton und zupfte nachdenklich an meinem Ziegenbärtchen. Ich sah, wie Barbies Augen auf Tellergröße anwuchsen und ihr Mund bedrohlich zuckte.
"Hör jetzt auf mit dem Scheiß", schleuderte mir Philipp entgegen. Der panische Unterton in seiner Stimme gefiel mir. Ich hatte Blut geleckt.
"Weißt du, es war gar nicht einfach Sandra davon zu überzeugen, deine Frau nicht anzurufen. Außergewöhnliche Wünsche sind eben sehr teuer", erwiderte ich beleidigt.
Erfreut beobachtete ich, wie die junge Frau mit einem Aufschrei des Entsetzens auf ihren High Heels staksend zur Garderobe rannte.
"Verdammt, Frey, das wird dir leidtun", krächzte Philipp wütend und schob sich an mir vorbei, um ihr zu folgen.
"Das glaub' ich nicht", murmelte ich zufrieden vor mich hin.
Einige Sekunden später stürmten beide laut aufeinander einredend aus dem Restaurant.
Mit einem triumphierenden Lächeln ging ich an unseren Tisch.
"Geht es dir jetzt besser?", schmunzelte Julia.
"Jep", lächelte ich glücklich und gab ihr einen Kuss auf die Wange, bevor ich mich setzte. Kaum hatte ich mich an meinem Tisch niedergelassen, kam schon der schnauzbärtige Kellner zu uns gerannt.
"Ihr Freund hat vergesse zu zahle. Sie zahle?", stammelte er fahrig. Ich schauteJulia verdutzt an, dann begann ich zu lachen. "Klar zahle ich, dass war's mir wert. Was können Sie uns als Vorspeise anbieten?"
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Kurzgeschichten - Für den alltäglichen Gebrauch
Короткий рассказHier gibt es Kurzgeschichten zum Lachen, Weinen und Wundern. Weitere Geschichten werde ich in einigen Abständen hinzufügen. Und jetzt entspannt Euch und viel Spaß beim Lesen.