Das Teufelsmal

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Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen. (2.Moses,K.22, V.17)


Die Kälte schneidet wie ein Messer durch ihre Kleidung, zerrt am Saum ihres Bewusstseins. Langsam öffnet Marie die Augen. Ihr Kopf dröhnt. Zitternd hebt sie die Hände und streicht mit den Fingerspitzen über die Stirn. Dort ertastet sie eine Beule - vom Überfall, erinnert sie sich.

Der Geruch von Moder und menschlichem Unrat bereitet ihr Übelkeit. Unter Schmerzen versucht Marie sich aufzurichten, aber ein Metallring um ihren Hals und  klirrende Ketten reißen sie zurück. Sie will schreien, doch keinTon entweicht ihrem Mund. Der Knebel sitzt fest. Ein schrilles Pfeifen lenkt ihren Blick in die gegenüberliegende Kerkerecke. Im Zwielicht sieht sie graue huschende Schatten.

Schwere Schritte nähern sich. Sie hört Stimmen, die lauter werden. Knarrend öffnet sich die schwere Eichentür und zwei Männer treten ein. Marie erblickt Peter Bott, Stadtrichter von Bamberg. Seine dunklen Fischaugen bleiben an ihr haften. Das vernarbte Gesicht des Mönches kennt sie nicht.

Der Fremde schaut sie voller Abscheu an und spricht: "Marie Göldin, ihr werdet beschuldigt am Dienstag, den 27. Januar im Jahre des Herren 1597 den Stefan Reichenbach mit einem Zauber verhext und ihm starke Schmerzen zugefügt zu haben. Ferner sollt ihr ihm mit dem Teufel gedroht haben. Aufgrund dieser Anschuldigungen werdet ihr auf des Teufels Mal untersucht."

Aus den Tiefen seiner Kutte zieht er eine Nadel. Galle steigt Marie in die Kehle, als er auf sie zukommt.

Plötzlich ertönt Peter Botts ölige Stimme: „Als Vorsitzender des Blutgerichtes muss ich mich selbst von Maries Teufelspakt überzeugen.Geht und lasst uns allein."

Zaudernd drückt der Mönch die Nadel in des Stadtrichters ausgestreckte Hand und verlässt mit zusammengepressten Lippen den Kerker.

Peter beugt sich über Maries Gesicht, streichelt ihre Wangen und murmelt: "Diese dummen Kleriker. Glauben, du seist eine Hexe. Ich helfe dir hier raus. Mach einfach, was ich dir sage."

Während er die Worte spricht, fahren seine Hände  über ihren Hals, ihre Schulten und bleiben auf den kleinen Brüsten liegen. „Du verstehst sicher auch, dass ich das Teufelsmal an dir suchen muss. Vor Gott darf ich nicht lügen."

In seinem Blick erkennt Marie wollüstiges Verlangen. Ihr Körper verkrampft sich unter seinen feuchten Händen. Vor ihren Augen verwandelt sich das erhitzte Gesicht des Stadtrichters in das Antlitz ihres Vaters.

Wie oft hatte Marie dies in ihren siebzehn Jahren erdulden müssen. Vor drei Monaten war ihr Vater dann gestorben, so wie ER es versprochen hatte - Genickbruch, sein Gesicht von Furcht gezeichnet. Einige Woche später wurde ihre Mutter im Feld gefunden. Mit verdrehtem Körper und vor Schreck geweiteten Augen. Marie hatte nicht geweint.

Eine lodernde Glut des Hasses schießt durch ihren Körper. Marie weiß, was sie tun muss. Sie öffnet sich Peter, reibt sich an seinemKörper, während sie ihm mit hochgezogenen Augenbrauen den geknebelten Mund entgegenstreckt. In Erwartung auf ihre ungezähmte Lust löst der ehrwürdige Stadtrichter den Knebel.

Endlich kann sie sprechen:„Harrtekschikar durbatek."

Ungläubig starrt er sie an, als das Klicken des sich lösenden Metallrings zuhören ist.

Ugluku bagronk sha pushdug glob korrbosh skai."

Peters Mund öffnet sich zu einem stummen Schrei und seine Augen weiten sich vor Entsetzen. Sein Körper verändert sich, wird weicher, fraulicher. Auch Marie verwandelt sich, nimmt seine Gestalt an.

Als es vollbracht ist, beugt sie sich über ihn und betrachtet den vor ihr liegenden Frauenkörper - ihren Körper. Leise raunt Marie ihm zu: "Ich kann dir nicht helfen. Du trägst das Mal des Teufels. "Mit Wucht stopft sie den Knebel in seinen süßen Mund, erhebt sich und ruft die Wachen. Beim Hinausgehen verkündet sie mit öliger Stimme: „Sie trägt das Mal. Sie ist eine Hexe."

Die Kunde vom Tod des Stefan Reichenbach verbreitete sich schnell in der Stadt. Einen Tag nach dem Verschwinden des Stadtrichters Peter Bott fand man die verstümmelte Leiche des armen Jungen im Stall. Zweifelsfrei war dies das Werk der Göldiner Hexe, zumal das Gerücht ging, dass diese unter irrem Brabbeln behauptete, Peter Bott zu sein. Am 12. März im Jahre des Herren 1597 wurde die Hexe auf dem Marktplatz verbrannt. Möge ihre Seele erlöst werden.

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