Kapitel 1

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Die brennende Mittagssonne schien in grellen Strahlen auf die Straßen New York Citys. Eren Yaeger lehnte sich gelangweilt an die Karosserie seines Streifenwagens. Er zog sein Handy aus der Tasche und blickte auf die Uhr. Genervt seufzend, richtete er sich auf. 'Warum wollte ich nur Cop werden?', fragte er sich innerlich. Langsam, fast schon schleppend stolzierte er in Richtung eines großen Hauses, welches in der Nähe der Kreuzung stand, an der er parkte. Den ganzen Vormittag über hatten er und seine Partnerin und Schwester Mikasa dieses Haus observiert. Nach ganzen drei Stunden hatten sie dann tatsächlich eine Entdeckung gemacht: ein junger Mann mit schütteren, braunen Haaren hatte die verdächtige Bruchbude betreten.

Nun versuchte Mikasa, welche körperlich einem Gorilla glich, den Mann zur Rede zu stellen. Eren pochte gerade, wie man das eben so macht wenn man ungeduldig ist, mit den Fingern auf seinen Handybildschirm, als plötzlich die Tür aufsprang. Der junge, nun eindeutig sehr verdächtige, Kerl stürmte, wie von einem Löwen gejagt, die Treppe, welche vor dem Haus angebracht war, runter und rannte die Straße aufwärts. Nur wenige Sekunden später sprang auch der aufgebrachte Löwe aus dem Haus. Ohne auch nur die geringste Regung zu zeigen, stürzte Mikasa ihrem panischen Opfer hinterher. Eren, noch gut 50 Meter vom Geschehen entfernt, beobachte das sich darbietende Schauspiel offensichtlich sehr begnügt. Er wusste, besser als alle anderen, wie furchteinflößend Mikasa sein kann, besonders wenn es um den Schutz von ihm selbst geht. Der Mann war anscheinend so stark von seiner Furcht gepackt, dass er nicht bemerkte, dass er geradewegs in die Hände eines Polizisten lief. Und obwohl Eren natürlich kein so guter Polizist wie Mikasa, die beste im gesamten Revier, ist, besitzt er doch genug Können um einen einfachen Mittelsmann zu Fall zu bringen.

Lediglich fünf Meter lagen noch zwischen ihm und den Verdächtigen, als Annie Leonhardt aus einer Seitengasse sprang und den Flüchtigen mit einem gezielten Tritt dem Gefängnis ein Stück näher brachte. Mitten im Sprint stoppte Eren abrupt. "Hey, ich hatte ihn fast gehabt. Das ist unser Fall also misch dich nicht ein, Annie!", ging er seine Kollegin wütend an. Als Mikasa ein paar Sekunden später auch eintraf, zeigte sie keinerlei Anzeichen von Ärger oder Anstrengung. "Falsch, Detektiv Yaeger, aufgrund eurer Unfähigkeit einen einfachen Drogendealer zu schnappen, übernimmt Major Crimes den Fall.", entgegnete Annie, während sie dem benommenen Verdächtigen Handschellen anlegte. Ohne weitere Worte der Umschweife zerrte Annie ihn zurück in die Gasse auf dessen anderer Seite ein Streifenwagen stand. "Ich glaube es einfach nicht, diese dämlichen Sesselfurzer haben uns schon wieder einen fast fertig gelösten Fall gestohlen . Die machen nichts und verdienen trotzdem dreimal so viel wie wir. Die gehen mir so auf die Nerven. Wir setzen die ganzen gefährlichen Verbrecher fest und die ernten den Ruhm.", meckerte er melodramatisch, wie ein 80-jähriger Rentner vor sich hin. Mikasa verdrehte die Augen und seufzte. "Lass uns einfach zurück zum Revier fahren, wir müssen noch Papierkram machen."

Sobald beide im Auto saßen, startete Mikasa den Motor und fuhr aus der Kreuzung. "Eren, ich habe mit Armin gesprochen", begann Mikasa plötzlich, während der Wagen an einer Ampel hielt."Er hat gesagt, dass er mir zustimmt. Ich weiß du versuchst es zu leugnen, aber du brauchst Hilfe. Carlas Tod ist nun schon mehr als acht Monate her und du lässt trotzdem nicht locker. Wir sind uns beide einig, dass du dir einen Therapeuten suchen solltest." Eren blickte ruckartig von seinem Handy auf und versuchte aus Mikasas ausdruckslosen Profil schlau zu werden. "Ist das dein Ernst du fängst schon wieder damit an? Meine Mutter wurde auf qualvollste Weise ermordet und daraufhin zerstückelt und mein Vater wird seit jenem Tag vermisst. Natürlich werde ich dabei nicht dumm rumsitzen. Ich habe mir selbst und allen anderen geschworen, dass ich den verdammten Bastard, der meine Mutter so kaltblütig ermordet hat, finden und... Hey, hörst du mir überhaupt?"

Mikasa hatte ihre Konzentration auf einmal vom Verkehr genommen und starrte lieber wie gebannt in den Rückspiegel. "Wir werden verfolgt.", zischte sie kaum vernehmbar in ihrem vom Alter gezeichneten Schal. Noch bevor Eren den kompletten Inhalt ihres Gemurmels entschlüsseln konnte drückte Mikasa das Gas durch, sodass sich die Geschwindigkeit ruckartig verdoppelte. Sein Kopf schlug, vom plötzlichen Rückstoß erfasst, gegen die Polsterung des Sitzes. "Mikasa was tust du da?" Der rote Zeiger des Tachos schoss bis an das Maximum. Eren versuchte sich langsam aufzurichten um ebenfalls einen Blick auf die Gefahr zu werfen. Als er in den Rückspiegel sah erkannte er vor allem aufgeregte Autofahrer, die sich stark gestikulierend über Mikasas Rasen beschwerten, doch was ihm besonders ins Auge stach, waren zwei pechschwarze SUVs, die mit mindestens ebenso gefährlicher Schnelligkeit durch New York bretterten. Mikasa hatte die Hartnäckigkeit der Verfolger offensichtlich auch bemerkt, denn sie bog plötzlich scharf rechts in eine Seitenstraße ab.

Eren hörte das Quietschen der ausgelasteten Reifen und erneut durchschoss ihm die reine Furcht. "Mikasa was verdammt nochmal hast du vor? Wer sind die und warum verfolgen sie uns?", schrie er aus voller Kehle, was jedoch wahrscheinlich trotzdem nichts weiter als ein Piepsen war. Mikasa gab keinen Ton von sich. Ihre vollkommene Konzentration galt dem Manövrieren des Autos bei solch hohen Geschwindigkeiten. Eren wollte gerade erneut an Mikasas Vernunft appellieren, doch es war zu spät. Der Aufprall, mit der Wucht eines Elefanten, stieß das Auto zur Seite, ließ es überschlagen und gegen eine Hauswand fliegen. Es dauerte nur wenige Sekunden, ein lauter Aufprall und es endete, doch für Eren fühlte es sich wie Ewigkeit an. Ohne es bewusst zu wollen, schossen ihm Erinnerungen durch den Kopf, an seine Mutter, seinen Vater, Mikasa, Armin, seine Zeit auf der Polizeiakademie und seine Kindheit. Er spürte wie ihm die langsam aufkeimende Schwärze des Todes das Augenlicht nahm. Er fühlte nicht den geringsten Anflug von Schmerz, doch er spürte wie sein warmes, zähflüssiges Blut über seinen Bauch floss. Sein Körper kämpfte, von der Liebe zum Leben geleitet, mit allen Mitteln gegen die unendliche Leere an, indem er versuchte stärker zu atmen.

Eren war zu benommen, zu schwach um zu fühlen, oder gar etwas zu sehen, doch sein Gehör, so scharf wie eh und je, vernahm jeden einzelnen Ton. Er hörte Autos, ankommende Autos, er hörte Schritte, viele Schritte, sicher von an die zehn Mann, doch was noch viel wichtiger war: er hörte Stimmen. "Verdammt nochmal, ich habe Ihnen doch gesagt wir brauchen Yaeger lebend, wenn er wegen Ihrer Unfähigkeit davon stirbt, verlieren wir jeden Hinweis. Ackermann wird nicht sprechen, dieser kleine Bengel von der Polizei ist unsere einzige Hoffnung.", schrie eine Frau kraftvoll. "Ich... es tut mir leid, was sollten wir tun, die sind wie Wahnsinnige durch New York gerast, hätten sie die Stadt verlassen wären sie womöglich beide entkommen.", versuchte ein Mann, mit einer starken Stimme, sich zu rechtfertigen. Die Frau begann hysterisch zu lachen. "Oh ja natürlich, sie wären fast entkommen, Sie mussten sie aufhalten, versuchen Sie das dem Staatsanwalt zu erklären wenn man Sie wegen mehrfachen Mordes anklagt.", sagte sie, während ihre Stimme sich vor Zorn fast überschlug. "Sie sind ein inkompetenter Nichtsnutz, Jinn und jetzt holen Sie sofort einen Krankenwagen damit diese Versager uns nicht davon sterben."


Nummer vierWhere stories live. Discover now