❄Eins❄ How to not freeze your balls off: Steig in einen Lamborghini

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Jimin

Ich versuchte, nicht zu tief Luft zu holen, denn die Kälte tat schon in den Lungen weh. Zu sagen, ich sei ein Eiszapfen, wäre noch eine Untertreibung. Ich erfror langsam aber sicher. Die Temperaturen waren seit Tagen nicht mehr über minus fünf Grad gestiegen, und ich spürte meine Glieder kaum noch.

Die Klamotten, die ich trug, waren nicht mehr dieselben, die ich getragen hatte, als mein Vater mich rausgeworfen hatte, denn ich hatte die teuren Stücke verkauft und ersetzt durch einfachere. Ich lehnte mich an die Seite des Tankstellengebäudes und versuchte mir gut zuzureden. 

Du bist kein schlechter Mensch, Jimin. Du hast keine Wahl. Du erfrierst, wenn du es nicht tust. 

Ich wollte was stehlen. Zum ersten Mal in meinem Leben, war ich gezwungen, etwas zu tun, was ich wirklich nicht machen wollte. Aber ich hatte keine Wahl. Alles, was ich in der Nähe meines zugigen Unterschlupfs hatte war ein Tannenbaum, den mir ein Händler geschenkt hatte, weil es der letzte war und er ihn sonst für Geld entsorgen müsste. Also gab er ihn, nachdem ich mich ein wenig in seinem kleinen Container hatte aufwärmen dürfen, einfach mir und meinte, ich sollte ein Feuer damit machen, denn die Nacht würde kalt werden. 

Doch er konnte mich nicht über Weihnachten in seinem Container lassen, denn das würde Ärger für ihn bedeuten, also war ich wieder auf der Straße, allein, mit dem letzten Weihnachtsbaum. Ich konnte nicht mal mehr weinen, es war einfach zu kalt und schmerzhaft. Zum Glück war ich zu beschäftigt damit ... zu überleben. 

Ich schlang die Arme um meine Beine und versuchte, warm zu werden. Meine Kleidung war zu dünn für diese Witterung, und obendrauf war sie klamm, denn wenn man im Schneefall unterwegs war, dann blieb es nicht aus, dass geschmolzene Flocken einen doch irgendwie durchnässten. Ich war also an dieser Tanke und versuchte, mich so klein wie möglich zu machen, damit die wenigen Gäste der Tankstelle mich weiterhin ignorierten. Ich war nur ein Penner, der im Schneefall ein Dach über dem Kopf suchte, um zumindest der Kälte zu entkommen, die in dicken Flocken herabfiel. 

Vor meinem Mund bildeten sich weiße Flöckchen, und ich bekam mich noch immer nicht motiviert, in diese Tankstelle zu gehen und Anzünder und ein Feuerzeug zu klauen. Ich konnte auch versuchen zu betteln, doch leider war das selten von Erfolg gekrönt. Ich konnte verstehen, dass sie über mich urteilten, die dachten wohl, dass ich drogenabhängig war, oder so. Ich sah im Moment furchtbar aus. Schmutzig, dicke Augenringe, bläuliche Lippen. 

Aber ich kam nicht aus dieser Situation heraus. Ich hatte nichts. Ich war ein Verstoßener, und ich versuchte ja wieder von der Straße zu kommen, aber ich hatte keine Bekannten, keine Menschen, die mir halfen und mich vielleicht vorübergehend aufnahmen. Zumindest nicht hier. Und ich wollte auch niemandem zur Last fallen, der so schon genug um die Ohren hatte. Ich wollte versuchen, das selbst zu regeln, aber man konnte keinen Fuß fassen, wenn einer der mächtigsten Männer Seouls einem Steine in den Weg legte. 

Egal, wie sehr ich mich motivierte, mein eingebauter moralischer Kompass wollte sich einfach nicht neu einnorden. 

Noch immer hockte ich verloren an der Tankstelle und wollte mich nicht in Bewegung setzen, um Dinge zu stehlen. Ich rieb über meine Beine und Arme, dann hauchte ich meine Finger an, die in fingerlosen Handschuhen steckten. Ich zitterte am ganzen Körper. Noch versuchte er sich gegen die Kälte zu wehren, doch wer weiß wie lange noch. War nicht das erste Zeichen, dass man erfror, dass man aufhörte zu zittern, weil der Körper verzweifelt versuchte, Energie zu sparen?

Ich hing meinen Gedanken nach und versuchte weiter, vor mir zu rechtfertigen, was mein Plan war. Dann kam er. Zuerst fiel mir sein Auto auf. Es war ein Lamborghini Urus. Ich kannte die Marke, es war eines der Autos, die mein Vater in seinem Fuhrpark hatte. Eigentlich fiel es mir nur auf, weil ich den völlig random und vor allem erstaunten Gedanken bekam, dass das wohl das einzige Fahrzeug war, dass sogar in gelb geil aussah. Nicht, dass ich kein gelb mochte, doch schon, aber ich mochte auch rosa, nur eben nicht als Schuhe? Und so ging gelb eigentlich gar nicht, wenn es um Autos ging. 

Doch dieser Schlitten war schon wow. Wow war auch der Typ, der ausstieg. Selbst sein gestresstes Auftreten konnte nicht verdecken, dass er echt schön war. Er war wirklich ausgesprochen attraktiv, und ich rollte die Augen über mich selbst, weil ich wirklich andere Probleme hatte. Zum Beispiel, heute Nacht zu überleben. 

Ich sah ihm nach und wartete auf das aufblinken seines Autos, das anzeigte, dass er es verschlossen hatte. Doch es kam nicht. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, und die Idee, die sich mir offenbarte war BESCHEUERT, total BEKLOPPT. Doch dieses Auto hatte eine Heizung und die Vorstellung, mich auch nur ein paar Minuten aufwärmen zu können, überspülte einfach alle Bedenken, die sich mir aufdrängen wollten. 

Er könnte ein Psychopath sein, oder zumindest ein Choleriker, wahrscheinlich gab das mega Ärger, wahrscheinlich bemerkte er mich sofort und schmiss mich wieder raus, vielleicht verpasste er mir eine. Alles egal, ich stand auf, und meine steifen Beine wollten gern nachgeben, aber der Gedanke an das warme, beheizte Innenleben eines Autos ließ mich weiterlaufen. Bevor ich auch nur drüber nachdachte, zog ich die Tür hinter dem Fahrer auf und setzte mich hinter den Fahrersitz. Dort war kaum genug Platz, doch es war mir egal. Die Wärme, die mich umfing, war himmlisch. 

Im nächsten Moment packten mich aber doch wieder die Angst und das Wissen, dass ich wohl völlig übergeschnappt war. Schon als Kind war mir beigebracht worden, dass ich nicht zu Fremden ins Auto steigen durfte. Schon gar nicht, wenn sie mit Süßigkeiten lockten. Aber dieser Kerl hatte keine Süßigkeiten, und er hatte mich schon gar nicht gelockt.

Ich sollte wieder aussteigen, aber draußen waren es minus-ich-hab-keine-Zehen-mehr Grad, hier drin war es warm, und der Sitz, an den ich mich drückte, war so einladend kuschelig. Bevor ich mich dazu entschließen konnte, doch noch auszusteigen, hörte ich, wie die Fahrertür aufgezogen wurde. Shit. 

Er setzte sich zurück auf den Fahrersitz und schmiss eine Flasche auf den Beifahrersitz, die in grobes, braunes Papier gewickelt war. Alkohol.

Ich unterdrückte ein leises Fluchen. Das musste nichts heißen, aber es war immerhin kein so tolles Indiz? Gestresst hielt ich die Luft an, und ich konnte fühlen, wie sich sein Gewicht in die Lehne des Sitzes drückte und so auch gegen mich. Mit dem Motor ging auch laute Musik an. Ich schreckte ein wenig zusammen und versuchte einfach nicht in Panik zu verfallen. Immerhin übertönte die Musik, dass ich leise husten musste, denn ich war krank af. 

Es ging komischerweise gut. Er merkte nichts. Der junge Mann fuhr in seine Tiefgarage, stellte den Motor ab und schnappte sich dann seine Flasche. Er stieg aus, schmiss die Tür zu und verschwand. 

Erleichtert stieß ich die Luft aus meinen Lungen aus und setzte mich auf. Ich war einen Blick durch die jetzt dunkle Garage. Ich hatte hier sogar Wasser! Wenn der Kerl sich jetzt drei Tage am Stück betrank, ohne in die Garage zu schauen, würde ich irgendwie überleben können. Ich entriegelte das Fahrzeug von innen und ging an das Becken, das eingelassen war in einen Schrank, ähnlich wie ein Küchenwaschbecken. Ich trank ein paar Schlucke, denn ich hatte eine Weile nichts gehabt, und ich war dankbar, dass es hier welches gab.

Das war auch Diebstahl, das war mir klar, doch es ging wirklich nicht anders, und ich hoffte, dass mir irgendwer dafür verzieh.

Ich kletterte zurück auf den Rücksitz und ließ mich erschöpft auf diesen sinken. Es war die wohl weichste Unterlage, die ich seit Monaten hatte, und ich wurde sofort unfassbar müde. Ich rollte mich zusammen und genoss, dass es immerhin warm genug war, dass ich allmählich meine Finger wieder spürte. 

Yay , ich würde nicht an Heiligabend erfrieren!

Müde blinzelte ich und versuchte dagegen anzukämpfen, dass ich so schläfrig wurde, ich musste doch wach bleiben, falls er gleich noch mal zurückkam. Doch mein Körper war anderer Meinung und ich glitt schon bald in den Schlaf. 

Zumindest, bis jemand die Türen aufriss.


An Unexpected GiftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt