Ihre Party

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Vielleicht ist das dümmste, was ich tun kann, auf diese Party zu gehen. Aber ich wurde eingeladen, noch bevor das Video online ging und ich sehe es nicht ein, mir diesen Spaß vergehen zu lassen.

Wenn Namjoon eine Party schmeißt, bedeutet das, dass viel Alkohol fließen wird. Dann sind die anderen lockerer und vielleicht habe ich die Chance, auf Kontakt mit Gleichaltrigen, denn in letzter Zeit ist der echt selten geworden. Ich habe Jaque gefragt, ob er mit mir kommen will, aber er hat nur dankend abgelehnt. Ich hatte mich diese Woche mit ihm verabredet, um mich ein wenig von Taehyung abzulenken und er kann wirklich ein guter Freund sein.

Wild entschlossen stehe ich vor dem Spiegel und atme tief durch. Für mein Outfit habe ich eine Weile gebraucht, aber schlussendlich ist die Wahl auf ein schwarzes Shirt mit Aufdruck, eine Lederjacke und eine weiße Hose gefallen. Ich muss sagen, so schlecht sehe ich gar nicht aus. Unentschlossen lass ich meinen Blick zwischen meinem Schreibtisch und der Tür hin und her fahren.

In letzter Zeit war ich wirklich vorsichtig, was Make-Up angeht. Klar, eigentlich war es nur ein wenig Concealer oder Eyeliner, aber wenn man schwul ist, reicht schon ein bisschen Rouge, um unnötig aufzufallen. Egal, diese Typen lassen sich volllaufen, das wird schon nicht auffallen.

Etwas verängstigt schlendere ich über den Gehweg. Sitzen meine Haare? Verunsichert wuschle ich durch sie hindurch, während ich durchs Gartentor in Richtung Pool laufe. Das nasse Gras streift meine Knöchel, die wie so oft in meinen weißen Converse Chucks stecken.

Min Yoongi ist der erste, dem ich auffalle. Ungläubig starrt er mich an, fehlt nur noch, dass er sich die Augen reibt. Ja, ganz richtig, ich bin auch hier du Idiot. Langsam wird es allerdings echt unangenehm, seinen Blick auf meinen Schlüsselbeinen haften zu spüren, weshalb ich meine offene Jacke etwas weiter zuziehe und mich an den Reißverschluss klammere wie ein Matrose an einen Rettungsring.

Anscheinend merkt auch der Typ in gestreiftem Shirt, dass gut trainierte Rückenmuskeln erahnen lässt, neben ihm, dass sein Kumpel irgendwo hinglotzt, weshalb er sich ebenfalls zu mir umdreht. Und verdammt, es ist Kim Taehyung.

Klar Hoseok, wie kann man auch nur so dumm sein? Er steht bei Min Yoongi und hat rosane Haare, wer soll es auch sonst sein.

Etwas zu sehnsüchtig schaue ich ihn an. Ich wollte mit ihm abschließen, das habe ich davon, irgendein Teil in mir vermisst ihn. Ich habe keine Ahnung warum, ich trauere ihm hinterher, ohne ihn je besessen zu haben, als einen Freund oder noch besser meinen Freund.

Pervers grinsend schuckt Yoongi ihn auf mich zu. Er scheint es gar nicht zu bemerken, obwohl er fast stolpert, wendet er seinen Blick für keine Sekunde ab, als könnte ich weg sein, wenn er nur kurz blinzelt.

Knapp vor mir fängt er sich dann doch wieder und sieht mich an. Es dauert eine Weile, bis ich mich traue, ihm ebenso direkt in die Augen zu sehen. Fordernd macht er einen Schritt auf mich zu. Was soll das? Einleuchtend, dass ich im selben Moment einen Schritt zurück mache. Das scheint ihn nicht zu stören, er versucht erneut, mir näher zu kommen. Was ist sein Ziel? Ich bemerke, dass sich mein Untergrund verändert. Das müssen die etwas tieferen Fließen um den Pool sein, die ich soeben betreten habe. Will er mich schwimmen sehen? Anscheinend schon, denn schon wieder tritt er vor. Und obwohl das ganz böse enden könnte, kann ich seine Nähe nicht zulassen und weiche wieder nach hinten aus, ohne unseren Blickkontakt zu unterbrechen.

Ein schwerer Fehler. Denn ich verhake meine eigenen Beine miteinander und spüre, wie mein Gleichgewicht sich nach hinten verteilt. Seine Augen weiten sich und sofort greift er nach meinem Arm, und wir packen uns gegenseitig an den Handgelenken, ich halb schräg über dem Pool.

Sofort beginnen Kim Seokjin, Jeon Jungkook und Min Yoongi ihn anzufeuern. Was sie genau sagen verstehe ich nicht, mir dröhnt nur das Loslassen, loslassen in meinen Ohren, beinahe übertönt vom Rauschen des Wassers, das über den Rand tritt und meine Stoffschuhe einweicht.

Yoongi rüttelt an seiner Schulter:

„Was ist los mit dir Tae, lass ihn baden gehen!" fordert er von seinem besten Freund. Der steht nur da, angestrengt dreiblickend, mit zusammengebissenen Lippen. Er kämpft tatsächlich mit seiner Entscheidung, doch mir ist relativ klar, dass mein unschuldiger Blick nichts ändern wird und ich so oder so im Pool lande. Ich weiß nicht weshalb, doch mich überkommt das Gefühl, ihm helfen zu müssen, er kann nicht auch so enden wie ich, niemals. Gottverdammte Liebe!

Ich schenke ihm ein akzeptierendes, verzeihendes Zucken meiner Mundwinkel gen Norden und löse meine Hand von seinem starken Arm, von dem ich mir sooft erhofft habe, beschützt zu werden. Seine Freunde werden glauben, dass er losgelassen hat. Und solange es ihn glücklich macht, wie er vor ihnen wirkt, macht es mich auch glücklich. Wenn es sein Wunsch ist, dass ich ihn in Ruhe lasse, kann er sich freuen, ich habe soeben mit ihm abgeschlossen und es wundert mich, dass es so einfach und schmerzlos war.

Schockiert reißt er die Augen auf und schreit irgendwas, aber ich kann es nicht hören. Verstörender Weise konzentriere ich mich nur lächelnd darauf rücklings die Wasseroberfläche zu durchbrechen, das Wasser um mich weit spritzend zu verdrängen und in dem kühlen Nass zu verschwinden.

Und dann setzt mein Kopf aus. Ich erkenne oben und unten nicht mehr, tauche aber wild strampelnd und mit den Armen um mich schlagend wieder auf. Meine Lungen füllen sich mit Wasser und ich keuche und pruste ungestoppt. So muss sich ertrinken anfüllen. 

Ohne zu zögern hechtet Taehyung im Kopfsprung in den schimmrig beleuchteten Pool. Ich möchte nicht wissen, was sich seine Kumpels in diesem Moment gedacht haben müssen. Überfordert kommt er an die Oberfläche und streicht sich seine Haare aus der Stirn. Ungläubig beobachtet er auch mich, wie ich mich langsam beruhige und wieder nach oben komme, nicht fähig, sich zu rühren. Wahrscheinlich hat er im Eifer des Gefechts gar nicht gemerkt, wie das jetzt wirken muss.

Platt und mit geöffnetem Mund verfolgt er, wie ich meine klitschnassen Haare wie ein Hund ausschüttle. Mein ganzes Make-Up muss verschmiert sein, aber das ist mir gerade reichlich egal. Ich verschränke meine Arme und blicke ihn herausfordernd, aber auch eine Spur spöttisch an.

Wie automatisch lege ich meinen Kopf leicht schief und lasse meine Augenbrauen kurz nach oben zücken. Diesen Moment des Triumphes muss ich auskosten, Taehyung scheint auf sein Ego und seine Wirkung zu scheißen, wenn es hart auf hart kommt, das lässt ihn gleich in einem anderen Licht dastehen, als bisher.

„Taehyung, ich glaube wir müssen reden!" höre ich vom Beckenrand und es bringt mich nur noch schadenfroher zum Grinsen. Etwas entnervt dreht sich Tae zu den anderen Partygästen, die mit den Fingern auf ihn zeigen und ihn auslachen.

Ganz recht Tae Tae, du sollst nur Mal merken, wie es mir immer geht. Er hat allerdings nicht mehr auf dem Kasten, als unglaublich charmant zu grinsen und sich durch die Haare zu fahren. Bringt mich das Wasser zum zerlaufen oder ist es seine unheimlich coole und gleichzeitig süße Ausstrahlung? Ich weiß es nicht.

Auch ich kann mir ein schelmisches Grinsen nicht verkneifen, versuche aber, jeden Laut zu verkneifen, was in einem armseligen Prusten endet. Um davon abzulenken, spritze ich Taehyung peinlich berührt eine Portion Chlorwasser direkt in sein Gesicht, welches er nur beschämt wegdreht. Allerdings scheut er sich nicht, sich zu rächen, was in ein paar niedrigen, mickrigen Tröpfchen endet, weil seine Hand das Wasser nur schwach oberflächlich streift.

Unter uns ~Vhope Short~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt