Ein verhängnisvolles Telefonat (1/2)

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 Ist es nicht merkwürdig, dass eine lange Leitung auch bei Ferngesprächen selten etwas nützt? 

[Kalenderspruch] 


Als die Tür nach Außen aufstieß, unter der Wucht beinahe aus den Angeln riss, wehte dir der eiskalte Wind der Dezembernacht entgegen. Du verzogst das Gesicht und stecktest die Nase weiter in den Schal, um dich wenigstens ein wenig vor der Kälte zu schützen. Mit einem Schritt verließt du die wohlige Wärme, die in deinem Rücken stätig abzukühlen drohte, gänzlich verschwand, als die Tür wieder zurück schwang und sich mit einem dumpfen Laut schloss. Mit dem Ersterben der Wärme verschluckte die dicke Stahltür auch den Großteil der wummernden Bässe, die dir schon seit einigen Stunden unangenehme Kopfschmerzen bereiteten. Es viel dir schwer, dich auf deine Atmung zu konzentrieren, denn die stechenden Schmerzen vernebelten dir den Kopf und deine Konzentration, die wichtig war, um deine Selbstbeherrschung aufrecht zu erhalten. Jetzt mit frischem Sauerstoff in den Lungen und weg von dem Zigarettenrauch, der die Sicht im inneren des Gebäudes durchgehend vernebelt hatte, war es deutlich angenehmer. Trotz der eisigen Temperaturen.

Es war ein Abend wie jeder andere. Ein Abend mit Freunden, in einem der hiesigen Clubs. Auch wenn du kein Fan von lauter, bass-lastiger Musik warst, die einzig und allein darauf ausgerichtet war dem feiernden Publikum einen Grund zu geben, sich seltsam auf der Tanzfläche zu verrenken, waren die Abende mit deinen Freunden doch immer ausgelassen und lustig. Ein guter Zeitvertrieb, eine willkommene Abwechslung zu deinem zeitaufwendigen Kunststudium.

Du und deine Freunde hatten euch im zweiten Semester kennen gelernt, als die ersten Projektarbeiten anfingen. Es dauerte nicht lange und ihr hattet einen guten Draht zueinander gefunden, obwohl euer Musikgeschmack so verschieden war wie Tag und Nacht. Währen die Mädels in eurer Gruppe ausschließlich die neusten Charts hörten, waren die Jungs ein großer Fan von Black und allen anderen Sorten Rap, die als modern galten. Deiner jedoch beschränkte sich hauptsächlich auf guten Rock, 80er Jahre Musik und eine Reihe von ausgewählten Metelbands. Du sahst nicht aus wie ein Punk, Goth oder Mettler, eher mehr wie der Durchschnitt, aber in deinem Herzen schlug das Herz einer Rebellin. Was nicht weiter verwunderlich war, denn im Gegensatz zu deinem durchschnittlichen Aussehen, warst du im Inneren nicht ganz so durchschnittlich, wie alle dachten.

Gedankenverloren zupftest du an deinem flachanliegenden Armband, dass unter dem schwachen Schein der Laterne hier in der Seitengasse blau-grünlich schimmerte. Deinen Freunden war es schon bei der ersten Begegnung aufgefallen, denn du trugst es stetig bei dir, doch sie hatten nie in Erfahrung bringen können, warum es für dich so absolut lebenswichtig war. Das war auch gut so, denn niemand durfte den Sinn und Zweck dieses Armbandes erfahren.

Missmutig starrtest du auf das daumenbreite Band, dass sich an den Enden schon leicht schwarz verfärbt hatte. Hatte ja lange gehalten. Dein Verschleiß von diesen Armbändern war in letzter Zeit unnatürlich hoch. Nicht nur, dass sie ein Vermögen kosteten, es wurde auch immer schwieriger, an welche heranzukommen, die länger als eine Woche hielten.

Mit gerunzelter Stirn fingst du an, in deiner kleinen schwarzen Handtasche nach deinem IPhone zu kramen. Es war ein älteres Modell, noch eines mit Klinkenstecker. Du mochtest es, obwohl du kein Freund von Apple selber warst. Die Bedienung war einfach, es tat was es sollte und mehr brauchtest du nicht. Auch wenn du ein begeisterter Technikfreak warst, so mochtest du doch vor allem die einfachen Dinge.

Die Nummer, die du auf das helle Display tipptest kanntest du inzwischen auswendig. In den letzten Wochen hattest du sie mehr als nur einmal anwählen müssen. Es war zwar spät, aber du wusstest, dass die Leitung auch um kurz nach drei besetzt war, solange nichts vorgefallen war. Nach dem sich das Freizeichen aufgebaut hatte und drei Mal ertönte, meldete sich eine unverwechselbar verzerrte Stimme.

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