Missgeschick (2/2)

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Ace balancierte mit nur einem Bein auf einem niedrigen Holztisch, der in der Mitte eines großen Raumes stand, der mit Tatamimatten ausgekleidet war. Er versuchte seine Finger nach oben zur Lampe zu strecken, die man direkt über den Tisch angebracht hatte. Seine Fingerspitzen streiften knapp das Milchglas der Deckenleuchte, versuchten einen festen Griff am Metallrand zu finden, doch er rutschte immer wieder ab, bevor er das Glas aufschrauben konnte. Ace hatte sich eine Energiesparlampe zwischen die Zähne geklemmt, er schien wohl im Begriff zu sein, die Glühbirne auswechseln zu wollen, doch die Lampe hing soweit oben, dass er nur ganz knapp herankam. Sei Gesicht war vor Anstrengung völlig verzerrt und ein paar einzelne Schweißtropfen rannen über seine Stirn bis zu seinem Kinn hinab.

„Was zur Hölle tust du da, Ace?", fragte Marco mit einer Mischung aus Belustigung und Gereiztheit in seiner Stimme.

Ace zuckte vor Schreck zusammen, drehte seinen Kopf so, dass er über seine Schulter schauen musste und vergaß dabei, dass er ja nur auf einem Bein stand. Mit vor Überraschung geweiteten Augen entglitt ihm aus seinem Mund die Glühbirne und er verlor den Halt auf seinem Bein. Mit einem unterdrückten Fluchen kippte er stumpf zur Seite und kam unsanft mit seiner rechten Schulter auf der Tatamimatte auf. Das Geflecht aus Reisstroh und Binsen federte seinen Aufprall nur mäßig ab. Die Glühlampe jedoch landete scheppernd auf dem Holztisch, das dünne Glas zerbrach und das Quecksilber verteilte sich kugelförmig im ganzen Raum.

Marco seufzte schwer, schüttelte den Kopf. Der zweite Kommandant rappelte sich mit einem leicht nervösen Lächeln auf und rieb sich den Hinterkopf. Er schaute zu euch beiden auf, du konntest die Schamesröte in seinem Gesicht sehen. Ein leises Lachen entfloh deinen Lippen.

„Ich lasse dich nur ein paar Minuten aus den Augen und schon stellst du wieder Blödsinn an-yoi."

„'Tschuldigng...", murmelte Ace kleinlaut.

Marco machte sich daran, Ace zu helfen, die größeren Glasscherben und mit einem Taschentuch, das er sich aus seiner Hosentasche zog, und das Quecksilber so gut wie möglich aufzusammeln. Du standst im Türrahmen und tratst von einem Bein auf das andere, nicht sicher, ob du den beiden helfen solltest oder nicht. Doch deine Überlegungen wurden sogleich unterbrochen, als Marco sich zu dir wandte.

„Neben der Treppe ist ein Schrank-yoi, da ist der Staubsauger drin." Ohne auch nur ein Wort der Bitte drehte er sich wieder zu Ace um und starrte die Feuerfaust mit einem tadelnden Blick nieder. Du schlucktest deinen Ärger vor so viel Unhöflichkeit herunter und sahst zu, dass du außer Reichweite warst, wenn Marco mit seiner Schimpftirade begann. Den Ärger mit dem ersten Kommandanten war dir dein angekratzter Stolz nicht wert.

Der Weg führte dich wieder zurück in die Richtung, aus der ihr gekommen wart. Dein Blick huschte über die Shoji-Wände, die die Veranda von der Außenwelt trennten. Man hatte irgendwann das Papier zwischen den Holzgittern durch Glas ersetzt, so dass man nun direkt in den Garten hineinsehen konnte. Glas konnte der Witterung weit aus mehr trotzen als dünnes Reispapier. Du konntest deinen Professor für Architekturfotografie in deinem Hinterkopf keifen hören. Dem alten Kautz mit einem grauen Schnurrbart war jegliche Änderung von traditioneller Baukunst abgrundtief verhasst.

Kurz bevor du zur Treppe kamst, die in das obere Stockwerk führte, stopptet du, als du hörtest, wie jemand mit schweren Schritten die Treppe hinunterkam. Ein Mann Mitte dreißig kam pfeifend um die Ecke und hielt überrascht inne, als er dich erblickte. Seine Augenbrauen wanderten irritiert in die Höhe und seine dunkelbraunen Augen musterten dich von oben bis unten. Dann legte er fragend seinen Kopf schief.

„Wer bist du denn?", fragte er dich. Du hattest seine Frage verstanden, doch seine seltsame Erscheinung lenkte dich zu sehr ab, um ihm zu antworten. Mit großen Augen starrtest du auf seine überdimensionierte braune Haartolle, die fröhlich vor seinem Gesicht auf und ab wippte. Um sein Kinn trug er einen weitaus dunkleren Bart, der nicht mit seiner Haarfarbe übereinstimmen wollte. Seine große, breite Gestalt steckte in einem weißen Anzug, der dich schwer an die Uniform eines Kochs erinnerte. Er hatte die Hände lässig in seinen Hosentaschen vergraben, wartete mit einem leicht amüsierten Lächeln geduldig ab, bis du deine Worte wiedergefunden hattest. Als du sein Lächeln bemerktest, wurde dir schlagartig bewusst, wie unhöflich dein Starren war. Dir schoss die Röte ins Gesicht und du wandtest den Blick ab.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Feb 20, 2019 ⏰

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