Kapitel 4

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Shota Tashiro (Schüler #9) war gerade, so schnell ihn seine kurzen Beine trugen und mit großen, dicken Tränen in den Augen gerannt, egal wohin, einfach fort. Die Schritte seines Verfolgers entfernten sich nicht, im Gegenteil, sie kamen immer näher.

Ein Wunder war das nicht, denn der Junge, der ihn jagte, war größer, schneller und stärker. Im gleichen Maße in dem sie Shota knuddelten und niedlich fanden, fürchteten und respektierten sie ihn. Er war Teil der berüchtigten Clique um Kan Murasaki (Schüler #8). Sein Name war Masaru Arakida (Schüler #15).

Shota verzweifelte. Wieso musste er in dieses „Spiel“ gelangen? Er wusste von Anfang an, dass er keine Chance hatte zu überleben, aber er wollte nicht sterben. Er wollte leben, älter werden, eine Familie gründen, alles, was man halt tut, wenn man nicht vorher stirbt, weil man zu schwach ist. Shota rannte weiter. Der Verfolger war so nah, dass er seinen Atem hinter sich hören konnte. Plötzlich hörten die Schritte auf.

Es wurde ganz still, dass man die Dunkelheit beinahe mit Vollkommenheit verwechseln konnte. Hatte Masaru aufgegeben? Das sähe ihm nicht sehr ähnlich… Shota drehte sich um und seine Augen weiteten sich, als er Masaru im Sprung auf sich zukommen sah. Der Junge streckte die Hand aus und warf Shota zu Boden.

Dort drückte er ihn am Hals hinunter, damit der kleine Junge keine Chance hatte, aufzustehen. Er kniete sich auf ihn, so dass er nicht zappeln konnte, aber das war nicht nötig. Shota sah ihn nur aus ängstlichen, tränenerfüllten Augen an. Ein triumphierendes Grinsen machte sich auf Masaru's Gesicht breit.

„Hallo, Shota. Na, hast du Angst?“ Jetzt verspottete er ihn auch noch. Hass mischte sich in Shotas Blick. „Na, na. Wer wird denn gleich sauer werden? So viel Hass steht deinem süßen Kleinkind-Gesicht aber gar nicht gut. Ich hoffe, du rechnest nicht damit zu überleben, denn dann müsste ich dich leider enttäuschen.“

Shota's rechter Arm zuckte nun doch. Masaru verstärkte den Druck auf den Arm, der gezuckt hatte und Shota wollte vor Schmerz schreien, doch da sein Hals zugedrückt wurde, kam nur ein schwaches Ächzen hervor. In seinen Augen stand die nackte Angst. „Jaaa“, sagte Masaru befriedigt. „Das passt schon viel besser. Hör mal, Kumpel, du hast doch sicher kein Problem damit, wenn ich mir deine Waffe mal anschaue, oder?“

Shota wollte etwas antworten, aber wieder kam nur ein Ächzen aus seiner Kehle. „Ah, gut. Das dachte ich mir.“ Masaru lächelte. Er griff, ohne von Shota aufzustehen, nach der Tasche, die nur etwa einen Meter entfernt lag. Wäre der kleine Junge stärker gewesen, hätte er vielleicht fliehen können, aber so hatte er keine Chance. Interessiert betrachtete sein Angreifer den Inhalt seiner erbeuteten Tasche.

„Aha!“ Er zog eine Pistole aus der Tasche. „Gar nicht mal schlecht. Der kleine Rotzbengel bekommt also ‘ne Pistole und ich nur ‘ne blöde Rassel. Du solltest mir dankbar sein, Rotznase. So geht’s viel schneller und tut weniger weh.“ Er lockerte den Druck um Shota's Kehle. „Ich habe heute meinen großzügigen Tag: Irgendwelche letzten Worte?“

Der Hass in Shota's Augen loderte wieder auf. „Arschloch!“, knurrte er. „Na, na.“, antwortete Masaru missbilligend. Er lud die Waffe und hob den Arm. Shota schloss die Augen. Das Letzte, was er mitbekam, war ein lauter Schuss, dann wurde alles leer.

Masaru stand auf und schulterte sowohl seine Tasche, als auch die des kleinen Jungen. Dann machte er sich auf den Weg, seinen Anführer zu finden.

***

Zur gleichen Zeit stand Yuuna Ise (Schülerin #11) an der Klippe in Norden der Insel. Sie hatte nicht vor zu springen, nein, dabei konnte man zu viel bereuen. Doch sie würde sich umbringen.

Als Waffe wollte sie das Shuriken nutzen, dass sie in ihrer Tasche gefunden hatte. Alle aus ihrer Klasse hatten sich immer über ihren Emo-Style und ihre Traurigkeit gelacht, alle hatten gesagt, irgendwann wird sie sich noch umbringen. Vermutlich hatte es keiner ernst gemeint, doch für sie war es jedes Mal ein Stich in die Magengrube gewesen.

Jetzt konnten sie alle haben, was sie wollten. Sie brauchte keinen von denen, sie hasste diese Leute, sie hasste ihr Leben. Damit war jetzt ein für alle Mal Schluss.  Sie hob die Hand mit dem Shuriken darin und setzte es an ihre Brust.

Obwohl sie plante laut zu sterben, allen zuzurufen, wie sehr sie sie hasste, machte sie einen Rückzieher und stach leise zu, nur mit einem leisen Wimmern. Sie hatte Tränen in den Augen, ohne zu wissen, ob es Tränen der Trauer oder der Erleichterung waren.

Während sie nach hinten fiel, sah sie hinauf in den Himmel. Sie fiel, fiel, fiel und die Sterne funkelten, funkelten, funkelten und dann war es vorbei. Yuuna's Augen starrten noch immer leer in den Himmel, noch immer mit Tränen darin und auf ihren Wangen und noch immer funkelten die Sterne.

 38 Schüler übrig.

Ewiges Schweigen - Battle Royale FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt