Kapitel 7

57 6 5
                                    

„Na, wen haben wir denn da?“ Masahiro's Stimme klang angriffslustig. „Shun Kishimoto“, stellte er sich höflich vor. „Wollt ihr Tee?“ Verwirrt runzelte Masaru die Stirn, Shou begann, schallend zu lachen: „Was ist denn mit dem schiefgelaufen?“ Selbst Kan musste schmunzeln. „Nein. Aber vielen Dank für das Angebot.“

Shun lächelte, und er lächelte freundlich weiter, als Kan die Pistole hob. Er drückte ab, und traf Shun'sKopf. Er war sofort tot. Nun starrten seine Augen so leer ins Nichts, wie er sich die ganze Zeit gefühlt hatte. Sein Kopf fiel auf den Tisch und der Aufprall ließ die Teetasse umfallen. Der Tee vermischte sich mit dem Blut und tropfte als eine neue Flüssigkeit vom Rand.

Masahiro warf Kan einen Blick zu. Der nickte, und er eilte zu Shun's Tasche. Nach kurzem Suchen beförderte er einen schmalen Säbel ans Tageslicht. Kan neigte billigend den Kopf. Masahiro packte ihn wieder ein und warf sich die Tasche, wie seine eigene, über die Schulter.

Dann kehrten sie zu der Felsformation zurück, die ohne Absprache, in stummem Einverständnis zu ihrer Residenz geworden war. Als sie sich ihrem Ziel näherten, sahen sie Rauch daraus emporsteigen. Sie sahen sich an. Es war klar, was das bedeutete: Sie waren nicht allein. Und wer auch immer sich dort befand, war so dumm, ein Feuer zu machen. 

Kan nickte Shou zu, der schon seit einer Weile sein Günstling war, und zog sich mit den beiden Anderen zurück. Shou machte sowas auf seine eigene Art, Er würde sein Opfer nicht einfach aus dem Hinterhalt töten. Er wollte den Schrecken in den Augen  der Menschen sehen, wenn sie merkten, dass sie dem Falschen vertraut hatten. Grimmig grinsend trat er näher.

Umringt von den Felsen saß ein kleines Mädchen mit kurzen braunen Haaren. Auch von hinten erkannte er sie sofort an den Schleifchen. Er trat zwischen den Steinen hindurch in den Kreis.

 „Aimi“ Aimi Aburaka (Schülerin #5) drehte sich überrascht um. Als sie ihn erkannte, lächelte sie. So naiv. „Shou! Was machst du denn hier?“ - „Ich hab dein Feuer gesehen… Das ist keine gute Idee, so könnte dich doch jemand sehen, der ich töten will.“ Sie sah ihn erschrocken an. War sie wirklich so naiv, dass sie da nicht selbst drauf gekommen war? Unglaublich.

„Aber mir ist so kalt…“, sagte sie leise. Er seufzte. „Ich weiß. Aber glaub mir, in dieser Situation ist ein Feuer keine gute Lösung.“ Sie nickte. „Hey, was hast du für eine Waffe?“, fragte er sie nach einem Moment des Schweigens. Sie zog eine Eisenstange aus ihrer Tasche. „Die hier. Auch wenn ich niemals jemanden töten würde. Und du?“ Shou zog die Pistole aus seinem Gürtel. „Ich schon.“, sagte er und drückte ab.

Er wurde nicht enttäuscht. Mit riesigen Augen starrte sie ihn an, dann fiel ihr lebloser Körper nach hinten. Shou saß am Feuer und sah die Leiche an. „Lektion gelernt.“ sagte er leise. Dann stand er auf, um die Leiche in den anliegenden Wald zu legen.

Als er zurückkam, saßen seine Kumpels schon auf den Steinen. „Hat lange gedauert.“, stellte Masaru fest. Shou zuckte mit den Schultern. „Na und? Wir haben doch Zeit. Soll ich das Feuer löschen?“ Kan schüttelte den Kopf. „Lass es brennen. Vielleicht lockt es ja jemanden an.“ Er leckte sich gierig die Lippen.

***

Ina Itsuchi (Schülerin #3) stolzierte zwischen den Häusern des kleinen Dorfes im Süden der Insel entlang. Ihr folgten Yui Okamura (Schülerin #4) und Nanami Tsung (Schülerin #19). Sie waren gewissermaßen die Quotentussis der Klasse, weswegen sie einen sehr schlechten Ruf bei den Mädchen hatten. Die Jungen waren zwiegespalten, einige hegten aus naheliegenden Gründen Interesse an ihnen, andere teilten die Meinung der Mädchen.

Ina nahm Kurs auf eines der Häuser. Natürlich visierte sie das im besten Zustand an. Auch darin war es dreckig. Ina rümpfte angewidert die Nase und schloss mit spitzen Fingern die staubbeladenen Vorhänge.

Yui sah sie schon seit einer ganzen Weile verlegen an. „Was ist denn?“, fauchte Ina genervt. Okamura zuckte zurück und murmelte verschreckt: „Ich wollte nur fragen, ob du vorhast… mitzumachen?“ Ina zog eine perfekt gezupfte Augenbraue nach oben: „Natürlich! Ich würde die halbe Klasse gern umlegen!“

„Okay…“ Nanami erhob sich elegant von dem Stuhl, auf den sie sich gesetzt hatte: „Und mit wem fangen wir an?“ Ina lächelte böse: „Wie wär’s mit dem Mannsweib?“ Sie sprach von Hotaru Takemitsu (Schülerin #10), die einen sehr jungenhaften Stil hatte und auch fast nur männliche Freunde hatte. Sie war Ina schon lange ein Dorn im Auge gewesen. Nanami nickte. „Wie du willst.“ „Dann lasst uns gehen, und sie suchen!“, sagte Yui inbrünstig.

Sie verließen das Haus und gingen Richtung Norden. Am nördlichen Ende des Dorfes kamen sie an der Leiche Kishimotos vorbei. „Ihh!!“ kreischte Ina angewidert. Sie wandten sich ab und wollten ihren Weg gerade fortsetzen, als weiter südlich ein Klirren aus einem der Häuser ertönte, als wäre ein Topf auf den Boden gefallen. Sie drehten sich um.

„Sollen wir zurückgehen?“ – „Ja. Vielleicht ist es Hotaru.“ – „Was, wenn es jemand Gefährliches ist?“ Ina warf Yui einen abschätzigen Blick zu. „Bleib doch hier, Feigling.“  Sie und Nanami gingen in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Mit hochrotem Kopf eilte Yui ihnen hinterher. Vor der Tür blieb Ina stehen und öffnete die Tasche, vorsichtig, um sich nicht ihre langen Fingernägel abzubrechen. Sie beförderte eine Peitsche hervor und kicherte leise. „Wie cool!“ Mit einer eleganten Handbewegung forderte sie die beiden Mädchen auf, ihre Waffen zu zeigen. Nanami holte einen Eispickel aus ihrer Tasche und Yui eine Pistole.

Ina warf einen Blick darauf und hielt ihr dann fordernd die Hand hin. „Aber-“, Yui hielt die Waffe fester umklammert. Ina hob die Peitsche. Mit süßlicher Stimme säuselte sie: „Aber Yui-chan. Ich würde diese Waffe nur ungern  gegen dich einsetzen.“ Ängstlich gab Yui ihr die Pistole. „Geht doch. Und los geht’s!“ Sie öffnete die Tür. Die Wohnung war, wie alle anderen, sehr spärlich eingerichtet. Es gab nur einen Tisch mit zwei Stühlen, eine Kochecke und ein Sofa. In der Ecke stand eine Stehlampe. Der Raum schien menschenleer.

„Bist du sicher, dass das das richtige Haus ist?“, flüsterte Yui. Warum, wusste sie auch nicht genau. Nanami zeigte wortlos auf die Kochecke. Davor lag ein Topf auf dem Boden. Ina nickte in Richtung des Sofas. Langsam ging sie näher. Sie spähte dahinter und lächelte. „Ein Glückstreffer!“, sie flüsterte nicht mehr. „Aufstehen!“

Hotaru stand zitternd auf, sie war so klein, dass sie Ina nicht mal bis an die Brust reichte. Diese sah spöttisch auf sie herab. „Na, Transe? Bist du gar nicht bei deinen Freunden? Haben sie dich verstoßen?“ Sie lachte hämisch. Sofort lachten auch Nanami und Yui. Hotaru schwieg. „Was, hast du das Sprechen verlernt?“ Sie schüttelte wütend den Kopf.

„Lass mich.“, murmelte sie. „Wie war das? Ich glaub, ich hab mich verhört!“ – „Lass mich in Ruhe!“, wiederholte Hotaru lauter. Ina's Gesicht verzog sich vor Wut. Sie hielt dem kleinen Mädchen die Pistole an die Stirn. „Deine Freunde haben dir wohl keine Manieren beigebracht! Wie redest du denn mit mir?!“ Hotaru sah sie zornig an. „Schlampe!“, zischte sie. „Du ekelhafte Missgeburt!“, kreischte ihr Gegenüber.

Ina drückte den Abzug und das Mädchen vor ihr sackte zusammen. Arrogant sah sie auf die Leiche hinab. „Sucht ihre Sachen.“, verordnete sie. Die beiden Mädchen hinter ihr zogen los und kehrten bald darauf zurück. Nanami erstattete Bericht: „In ihrem Koffer waren nur Jungssachen und ihre Waffe war ein Funkgerät. Ich schätze, ein kaputtes. Ihren Proviant hab ich eingepackt.“ Ina nickte und sie kehrten in ihr eigenes Haus zurück.

33 Schüler übrig.

Ewiges Schweigen - Battle Royale FanFictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt