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Zeus trabte über die weite Grasfläche und man konnte sein gleichmäßigen Atem in der eiskalten Winterluft erkennen. Es war ein strenger Winter und die Gegend war von einer dicken Schneedecke überdeckt worden. Er schnaubte laut als er spürte, dass jemand hinter ihm lief. „Zeus!”, rief eine ihm bekannte Stimme, „Zeus, wir haben einen Streuner in der Nähe vom Fluss gesehen.” Freya holte ihn mit langen Sprüngen durch den hohen Schnee nur langsam ein. „Schickt Anubis, er soll sich um ihn kümmern.”, räusperte sich Zeus und würdigte der alten Wölfin keines Blickes. „Aber...”, stotterte sie leise. Sie dachte an Jasper, der ehemals auch ein Streuner gewesen war. Ihn hatte sie erst vor wenigen Wochen mit zum Rudel gebracht. Er war ihr wie ein verlorener Sohn und sie war Zeus äußerst Dankbar gewesen, dass er ihn geduldet hatte. Anubis war brutal, was Fremde Wölfe anging. Er würde den Eindringling sicher töten und das könnte Freya wohl kaum zulassen. Sie hatte ein Herz für alles und jeden. „Aber...Zeus...”, wiederholte sie, als er keine Anstalten machte, seinen Befehl rückgängig zu machen. „Wir können nicht noch einen Streuner in unser Rudel nehmen, Freya!”, knurrte er leise. Freya hatte es schwer, mit den langen Schritten, die Zeus machte, mit zu halten. Hechelnd trabte sie neben dem viel größeren Wolf her: „Aber Anubis wird ihn töten...”, murmelte sie traurig. „So ist es.”, sagte Zeus mit einer erschreckend gleichgültigen Stimme. Freya schluckte: „Okay...”, flüsterte sie. Sie hatte keinen Mut, sich gegen den Alpha zu stellen und außerdem hatte sie ihre besten Tage bereits hinter sich. Sie wendete sich mit einem eleganten Sprung ab und rannte in die Richtung zurück, aus der sie gekommen war. Zeus war in letzter Zeit ungewöhnlich hart zu jedem mit dem er sprach. Es könnte vielleicht daran liegen, dass Zelda, seine Partnerin, krank geworden war. Sie aß kaum noch, denn beinahe jede Mahlzeit, die man ihr brachte, gab sie den hungrigen Welpen, Caesar und Calypso. Sie brauchten nicht mehr nur Milch sondern auch Fleisch.
Nun war der Winter gekommen und die meisten potenziellen Beutetiere machten Winterschlaf. Zeus und sein Rudel mussten sich in Bewegung halten um mit den großen Wapiti- und Büffelherden mithalten zu können.
Freya rannte so schnell sie ihre alten Beine tragen konnten. Ihr schossen grausige Bilder durch den Kopf. Der arme Streuner würde in weniger als einer Stunde tot sein, keiner würde ihm helfen. Freya kniff ihre Augen zusammen. Es war bloß irgendein Wolf, sie kannte ihn wahrscheinlich nicht Mal. Hastige Sprünge trugen sie zwischen dem dichten Nadelwald hindurch. Ein erschrockenes Reh rannte mit hetzenden Sprüngen davon, als es Freya sah. Keine Zeit, dachte sie und sprang über ein dicken Baumstamm. Sie wurde langsamer, als sie das Rudel in der Ferne erkannte. Als sie ankam, setze sie sich erschöpft auf den großen Stein, unter dem sich die Höhle für die Welpen befand. Alle, bis auf Anuk, waren anwesend. Jasper sprang mit einem berherzten Sprung zu Freya auf den Stein und schleckte ihr zur Begrüßung über ihr Gesicht. Unterwürfig legte er sich zu ihr. „Zeus...sagt...”, stotterte sie außer Atem, „Anubis soll sich...um ihn kümmern.”, sie flüsterte den letzen Teil kaum hörbar. Anubis stand triumphierend auf: „Aber gern doch!”, lachte er und leckte sich dabei über seine Lippen. „Hat er das gesagt?”, flüsterte eine zerrbrechliche Stimme aus dem Bau. Zelda kam schleichend heraus.  Sie sah schwach aus, bemühte sich aber, vor den anderen mit erhobenen Hauptes stark zu wirken. Freya nickte scheu: „Ja.”, murmelte sie. Zeldas grüne Augen funkelten fiebrig und sie drehte sich zu ihrem ältesten Sohn um. Der tappte auf sie zu, sein Blick gesenkt. „Töte ihn nicht...”, flüsterte sie ihm zu. Dann drehte sie sich wieder um und verschwand im Bau. 

Die Wölfe der Rocky MountainsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt