Lost Identity - 2. Frozen

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Da war nur Dunkelheit. Schwarze, gähnende Leere. Rotes, heftiges Pochen. Stimmen. Ich fühlte, wie ich grob gezerrt wurde. Mein dröhnender Kopf schlug auf etwas Hartes. Ich dachte, ich müsste gleich sterben. Ich fühlte überhaupt nichts. Keinen Schmerz. Keine Angst. Keine Wut. Ich hatte nur eine Sorge. Vera. Sie sollte überleben. Ich spürte, wie ein Motor angelassen wurde. Das Ruckeln wie auf einer Schotterstraße. Ich versuchte die Augen aufzumachen, aber ich konnte nicht. Ich sah nur schwarze Sterne. Doch ich musste durchhalten. Für Vera. Ich versuchte krampfhaft, den Schleier der Bewusstlosigkeit anzukämpfen, ich wollte nicht wieder in die Dunkelheit fallen, denn ich wusste, ich würde sonst für eine lange Zeit nicht mehr aufwachen. Mit diesen Gedanken und einem letzten verzweifelten Versuch sank ich in die Tiefen der Schwärze.

„Ist sie wach?"
„Nein, ich glaub nich, sie hat ganz schön was abbekommen."
„Ja, siehst du die Beulen. Sieht übel aus."
„Hat wohl weniger Glück gehabt als ihre kleine Freundin, ne?"
„Ja hast Recht. Armes Mädchen."
Ich blinzelte. Wie lange war ich bewusstlos gewesen? Wo war ich? Und, noch wichtiger, wo war Vera?
„Ah da sieh mal einer an, sie ist doch wach!"
„Ganz schön taff die Kleine"
Ich schlug die Augen auf und blickte in eine grelle Deckenlampe am einer tristen Betondecke. In diesem Moment setzte der Schmerz ein. Ein scharfes Pochen, als wenn ich einen Baseballschläger auf den Kopf bekommen hätte. Oh, stimmt ja. Habe ich. Ich stöhnte, als mich eine neue Schmerzwelle überrollte und mir fast den Atem nahm.
„Sachte, sachte Kleine!"
„Du hast ganz schön was abbekommen, mach mal langsam!"
Ich setzte mich quälend langsam und unter Schmerzen auf und versuchte, den aufkommenden Schwindel zu unterdrücken.
„Wir haben noch etwas Wasser für dich übriggelassen. Dachten du hast es nötiger als wir."
Ich schaute in die Richtung der Stimme und konnte, wenn auch verschwommen, zwei Männer erkennen, beide groß, einer blond und der andere dunkelhaarig. Der dunkelhaarige Mann war offenbar in ein schlimmeres Gerangel geraten als ich, sein linker Arm war bis zum Ellbogen amputiert. Ich schätzte ihn auf etwa 50, den Blonden auf 30.
„Wer .. wer seid ihr?", krächzte ich endete in einem rasselnden Hustenanfall, der mir fast Tränen in die Augen trieb.
„Hier, etwas Wasser", sagte der Blonde und reichte mir einen Plastikbecher mit klarer Flüssigkeit. „Ich bin Lars, und das ist Björn. Wer bist du?" Dankbar nahm ich den Becher an und ließ das  kühle, erfrischende Wasser meine trockene Kehle hinunterlaufen. „Ich bin Clara." „Tut dir irgendwas weh, Kleine?", fragte Björn mit einem fast fürsorglichen Ton. „Es geht schon. Viel wichtiger ist: Wo bin ich hier? Gehört ihr zu IHNEN? Und wo ist Vera?"
Björn lachte ein dröhnendes, sympathisches Lachen und antwortete: „Viele Fragen, junge Dame. Also erstens, du bist hier in einer Zelle von IHNEN, zweitens, nein, wir tun einen Teufel und schließen uns diesen menschenverachtenden Gaunern an und drittens, ich weiß leider nicht, wo deine kleine Freundin ist. Ihr seid zwar zusammen angekommen, aber nachdem, was die Wachen flüstern, wart ihr IHNEN wohl im Doppelpack zu riskant. Ihr seid zwei taffe Junge Ladys, ja ja." Ich schaute mich zum ersten Mal richtig um. Ich saß auf kühlem PVC Boden in einer mäßig großen Zelle, die ganz in grau gehalten war und mit schlichtem, kühlem Mobular ausgestattet war: 2 Stockbetten oder eher Pritschen, eine Toilette und ein Tisch mit 4 Plastikstühlen. Auf der gegenüberliegenden Seite war eine massive Panzerglaswand, durch die man in einen düsteren Gang schauen konnte. Doch ich kam gar nicht dazu, Björn zu antworten oder mich weiter umzusehen, denn ich hörte und spürte Schritte. Im nächsten Moment kamen zwei Wachmänner um die Ecke gebogen und schauten gehässig durch das Glas. Ich sah, wie sie miteinander redeten und auf mich zeigten, und schon wurde eine zuvor unsichtbare Tür in der Glaswand sichtbar und öffnete sich automatisch. Die Wachmänner traten ein.

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