Der volle Mond schien in dieser windstillen Nacht besonders hell durch das dichte Blätterdach des Isokewaldes, in dem sich dieses Mal die Wächter aller Stämme trafen. Sie hörten das Laub rascheln, als auch der Letzte von ihnen sich dem kleinen Kreis anschloss, und wäre es noch ein wenig heller gewesen, hätte man den rot-orangenen Farbton der Blätter im Dunkel ausmachen können. Eine Grille rief verzweifelt ihre Einsamkeit in die Nacht hinaus.
Doch dies waren dunkle Zeiten. Die Wächter sprachen nicht, bis der Suami mit seiner tiefen Stimme verkündete: „Wir alle wissen, dass wir nicht mehr viel Zeit haben." Niemand reagierte. Die Spannung war greifbar, und obwohl sie sich immer friedlich zu Vollmondnächten trafen, waren sie alle vorbereitet auf einen Kampf, die Waffen griffbereit. Hätte auch nur einer von den sieben eine falsche Bewegung gemacht, wäre derjenige in Sekunden tot. Und das wussten sie alle. Der Aimi war sich dessen ebenfalls bewusst, und dennoch sprach er: „ Es hat keinen Sinn mehr. Es gab schon zu viele Tote. Wir müssen alle fliehen! SIE stehen gegen uns." Kurz war es wieder still, der Isoke antwortete ruhig: „Wir alle wissen um die Furcht der Aimi in dieser Sache, jedoch müssen wir uns gemeinsam vorbereiten und mit vereinten Kräften gegen sie vorgehen. Darum bitte ich die Aimi um Geduld und Mut. Denn das ist das, was die Stämme jetzt brauchen. Gerade wir als Wächter des Geheimnisses sollten uns dessen bewusst sein." Der Aimi gab ein widersprechendes Schnauben von sich, ergab sich jedoch schlussendlich, da keiner seine Meinung zu teilen schien. Ein Uhu schrie in der Dunkelheit, nicht weit entfernt von ihnen. Sie konnten ihre Gesichter gegenseitig nur schemenhaft erahnen und wenn sie auf offenem Feld gestanden hätten, hätten sie wahrscheinlich auch gesehen, dass ihnen allen Schweißperlen auf der Stirn standen. Dies war wohl das angespannteste Treffen seit Jahrzehnten. Natürlich, die Stämme kämpften für sich und natürlich, die Wächter respektierten sich gegenseitig aber sie wären niemals Freunde gewesen. Und jetzt stand diese friedliche Zusammenkunft der Stammvertreter auf wackligen Beinen, wie ein Reh, das bei seinen ersten Schritten fast zusammenbricht, unterstützt von seiner Mutter würde es dies wohl verhindern können, jedoch hatten die Stämme nur sich selbst und sie hätten sich auch gegenseitig zur Hilfe, wenn da nicht dieses Problem wäre.
Der schreckhafte Aimi zuckte kaum merklich zusammen, als die Yara anfing zu sprechen. Nur leise, aber der Wind trug ihre Stimme den anderen Wächtern zu: „Ich stimme dem Isoke zu. Die Yara stehen hinter ihnen." Mit einem Nicken in ihre Richtung bedankte sich der großgewachsene Isoke. Nach und nach stimmten sie zu: „Die Suami stehen hinter den Isoke!", „Die Nalani stehen hinter den Isoke.", „Die Nima stehen hinter den Isoke.", „Die Atari stehen hinter den Isoke.".
Sechs Augenpaare waren jetzt auf den Aimi gerichtet. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als er mit zittriger Stimme entgegnete: „Die Aimi... können es nicht mit sich verantworten, in diesem Krieg zu kämpfen." Alle zogen gespannt die Luft ein. Der Aimi sah auf seine Pelzstiefel, als er hinzufügte: „Die Aimi werden sich in diesem Krieg neutral verhalten, wir werden nicht flüchten, jedoch werden wir vorbereitet sein. Das sollten wir alle. Der Feind ist zu stark. Und er wird jeden Tag stärker. Und das ist unsere Schuld. Wir haben Schuld daran, dass die Ausgestoßenen sich an ihren ehemaligen Stämmen rächen wollen und wir sollten Angst vor ihrer Macht haben!"
Der Isoke lächelte traurig und entgegnete, nicht ohne Zorn in der Stimme: „Der Aimi hat Recht." Alle starrten ihn verwundert an, die Nima zog ihre Augenbrauen zusammen und von ihren Lippen war nur noch ein schmaler Strich zu sehen. Der Isoke fuhr fort: „Wir haben dieses Monster erzürnt, also werden wir es auch bekämpfen. Ich an deiner Stelle", sein Blick schweifte zu dem Aimi, in dessen Gesicht sie das Mondlicht von seinem Schweiß gespiegelt sahen, „würde es nicht mit den Idealen meines Stammes vereinbaren können, für das, was wir verursacht haben, keine Verantwortung zu tragen." Seine Stimme war nur noch ein zischendes Flüstern: „Wie können wir uns Schützer unseres Geheimnisses nennen, wenn wir nicht einmal in der Lage sind uns selbst und unseren Stamm zu beschützen?!" Der Aimi sah ihn gebannt an, die Augen so weit aufgerissen, dass man befürchten konnte, die Äderchen um die Pupillen herum könnten aufplatzen. Auf einmal drehte er sich auf der Ferse um und verschwand im Dunkeln des Waldes. Auch die anderen Wächter machten sich langsam auf ihren manchmal langen, manchmal kurzen Weg zurück zu ihren Stämmen.Übrig blieb nur die Grille, der Uhu und der Mond, der die ganze Szenerie still beobachtet hatte und wenn er es erzählen könnte, würde er es sich für lange Zeit merken, um der Nachwelt berichten zu können.
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Keeper
FantasyDer sechzehnjährigen Faye steht bald, wie allen gleichaltrigen in ihrem Stamm, die Prüfung bevor, die ihr weiteres Leben bestimmen wird. Wird sie als Jäger für die Ernährung ihres Stammes zuständig sein? Oder als Späher die anderen Stämme beobachten...