Die warme Morgensonne schien mit ihren roten Strahlen auf das kleine Dorf am Rande der Aimiklippe. Eine junge Frau trat aus ihrer kleinen Hütte auf den mit Morgentau überzogenen grünen Rasen. Die mahagonibraunen, gelockten Haare fielen ihr locker auf die Schultern, während sie ihren Kopf im Sonnenlicht drehte. Die mysteriös wirkenden dunkelgrünen Augen hatte sie geschlossen, als sie das angenehme Prickeln der Sonnenstrahlen auf ihrer Haut genoss, so wie jeden Morgen. Sie atmete die feuchte Luft ein, bereit, in den Tag zu starten. Sie öffnete die Augen und sah sich um.
Auf den Wegen zwischen den Hütten ihres Stammes herrschte schon seit wenigen Stunden geschäftiges Treiben und als das Mädchen beschloss, sich dem kleinen Trubel anzuschließen, hörte sie die kratzige Stimme einer älteren Frau hinter sich: „Ah sieh mal einer an, auch endlich auf den Beinen, Faye?“
Faye drehte sich um. Sie sah der älteren Dame in die belustigt funkelnden Augen und erwiderte: „Dir auch einen wunderschönen guten Morgen, Tara.“ Tara sah sich kurz um und flüsterte dann mit einem besorgten Blick: „Ich nehme an, du hast es als eine der Wenigen noch nicht mitbekommen, oder?“ Faye zog verwundert die Augenbrauen zusammen. „Was mitbekommen? Was ist passiert?“ Tara schenkte Faye einen traurigen Blick. „Der oberste Wächter hat den anderen Stämmen gestern Nacht die Mithilfe der Aimi im Kampf gegen die Ausgestoßenen verweigert.“ Tara sah zu Boden. „Er sagte, es sei zu gefährlich für unseren Stamm, sich in einem Krieg zu beteiligen.“ Faye sah sie erst verwundert an, aber mit stetigem Verständnis des Gesagten wuchs in ihr Zorn. „Das kann er doch nicht machen! Er lässt die anderen Stämme unser aller Problem ausfechten, dieser Feigling!“ Tara hob ihren Zeigefinger und zischte empört zurück: „Genau so sehe ich das auch! Wenn der wüsste, was wir früher durchmachen mussten, um unseren Stamm am Leben zu erhalten und heute jammert er schon rum, weil die Krieger es nicht immer schaffen, die Wölfe von unserem Dorf fern zu halten!“ sichtlich erschöpft schnappte Tara nach Luft.
„Meiner Meinung nach brauchen wir einen neuen Anführer der Wächter.“ fuhr sie nun ein wenig ruhiger fort.
Faye wollte gerade etwas erwidern, als hinter ihr plötzlich ein lauter Schrei ertönte: „FAAAAYYE“Faye zuckte zusammen und drehte sich auf der Ferse um. In ihrem Gesicht breitete sich Freude aus. „Reece, schön dich zu sehen!“ nuschelte sie in die Haare ihrer besten Freundin, als diese sie stürmisch umarmte. Kurz bevor sie drohten, ihr Gleichgewicht zu verlieren, ließen sie voneinander ab. „Weißt du was heute ist? Natürlich weißt du es! Ich bin so aufgeregt!“ Schrie Reece schon fast, während sie auf und ab hüpfte. Tara schnaubte nur hinter ihnen, Faye hatte fast ihre Anwesenheit vergessen. Mit einem „Ich lass euch mal hier allein.“ verschwand sie zwischen den Hütten. Faye sah ihrer besten Freundin in die Augen und lachte herzhaft. „Ich hoffe einfach nur, dass ich bei der Zeremonie nicht als Seherin ausgewählt werde, ich will keiner dieser Scharlatane werden!“ Reece musste grinsen. „Ich will so gerne Händlerin werden, als Vermittlerin zwischen den Stämmen für friedliche Kommunikation stehen! Also Jägerin wäre auch okay aber naja...“ Sie kniff die Augen amüsiert zusammen. Faye schielte über Reeces Schulter und erwiderte: „Na dann wird es Zeit... Wir sollten zur Dorfmitte, die Sonne steht schon fast im Zenit. Tyrese und Corey erwarten uns bestimmt schon. Und die Zeremonie wird hoffentlich nicht ohne uns stattfinden, wenn wir uns nicht beeilen!“ Reece sah sie mit glänzenden Augen an. „Faye, ich bin so aufgeregt!“ Faye schmunzelte.
Die beiden machten sich auf den Weg, den platt getrampelten Pfad entlang zum großen Felsen, dem Zentrum ihres kleinen Dörfchens, zu beschreiten. Über ihnen kreiste ein majestätischer Adler, sein Gefieder flatterte im Gegenwind, seine Augen huschten unruhig hin und her, auf der Suche nach seinem Opfer.
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Keeper
FantasyDer sechzehnjährigen Faye steht bald, wie allen gleichaltrigen in ihrem Stamm, die Prüfung bevor, die ihr weiteres Leben bestimmen wird. Wird sie als Jäger für die Ernährung ihres Stammes zuständig sein? Oder als Späher die anderen Stämme beobachten...