2. Kapitel

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Blaze

Ein Klirren schallte durch die Halle und ich stöhnte kurz auf. Während ich mein Gesicht schmerzverzerrt verzog, taste ich blind nach dem Degen, welcher wahrscheinlich bei dem Sturz über den Hallenboden geschlittert war, was zumindest das Klirren erklärt hätte. Ich schob die Holzpuppe von meinen Beine und richtete mich auf. ,,Na gibst du auf?", fragte Lucy amüsiert und hielt mir ihre behandschuhte Hand hin. ,,Davon kannst du lange träumen, was kann ich denn dafür, dass da ausgerechnet, diese Scheißpuppe stand?", sagte ich und stand auf, während ich ihre Hand ignorierte. ,,Merkst du was? Große Fressen brauchen wir hier nicht, sogar die Geräte haben sich gegen dich verschworen", sagte Lucy und hob meinen Degen auf, der vor ihre Füße geschlittert war. ,,Ach komm, dass war dein Plan, dass ich über den Fuß dieser Puppe stolpere", sagte ich genervt und rieb mir meinen Hinterkopf. ,,Zum Teil, aber ein geschickter Fechter, hätte das mitbekommen", gab sie zu und verschränkte etwas genervt ihre Arme vor der Brust. Wie viele Minuten hatte ich mich gehalten? Zehn? Wenn's hoch kam...danach hatte ich eine Begegnung mit dieser Holzpuppe. Jetzt stand ich da wie ein Versager, sie hatte mich mit Leichtigkeit geschlagen...wie kam ich nur aus dieser misslichen Lage am Schlausten raus?

,,Blaze alles okay? Der Sturz sah nicht gerade angenehm aus", meinte Juck, welcher nun in die Halle eilte. ,,Nein, alles bestens...", sagte ich und griff nach meiner Jacke. ,,Ach gibt da etwa schon jemand auf?", fragte sie belustigt und ich versuchte mir ein Schnauben zurück zuhalten. Wenn sie nur wüsste, was ich wirklich war, oh ja, dann würde sie mit diesem kleinen Degen nichts mehr anrichten können. Ihr amüsierter Blick brannte förmlich Löcher in mich und ich fühlte mich unwohl, weil ich gegen ein Mädchen verloren habe und das haushoch. Jedoch vibrierte mein Handy und egal wer mich gerade anrief, ich war mehr als nur froh, sonst wäre ich noch vor Schwarm und Wut in den Erdboden gesunken. Ich kramte mein Handy hervor und sah Theos Namen aufleuchten.

,,Ja? Was gibt's?", fragte ich und entfernte mich etwas von Juck und Lucy. Ich runzelte meine Stirn, als ich Theos zögern bemerkte. ,,Was hast du diesmal angestellt?", ich ahnte schlimmes, wahrscheinlich hatte Theo wieder irgendwas kaputt gemacht...oder was weiß ich. Bis heute weiß ich nicht wie er es geschafft hat den Badschrank runterzureißen...und das bei vollem Bewusstsein und nüchtern. Das war vor paar Wochen irgendwann mitten in der Woche, wo ich später Vorlesung hatte und somit ausschlafen konnte....also zumindest war das mein Plan, hätte mich der laute Knall und die Splitter aus dem Schlaf gerissen. Ich war damals aus dem Bettgesprungen und nur mit Unterhose bekleidet ins Bad gestürmt. Um ehrlich zu sein hatte ich alles erwartet, einen besoffenen Theo, der das Waschbecken leergeräumt hatte und umgekippt war, oder das er an sich irgendwas runtergeschmissen hat...und er als er es aufheben wollte, auch umgekippt war. Aber das Bild was mir damals geboten wurde war noch kurioser. Theo stand mit lockere Jogginghose und weitem T-Shirt bekleidet im Bad, in den Armen hielt er einen Teil des Badschrankes. Der Rest war auf dem Boden verteilt gewesen. Was heißt, Theo schaffte alles, und dazu alles, was man immer für unmöglich gehalten hatte.

,,Ähm...naja sagen wir's so...ich wollt kochen", fing er an und ich seufzte. Okay ich kann froh sein, wenn der Block, in welchem ich wohne, überhaupt noch steht und nicht schon längst am Abbrennen ist. ,,Wie viel steht noch von meiner Wohnung?", fragte ich und hörte ein nervöses Lachen. ,,Alles...außer deine Küchenmöbel....die sind etwas verkohlt....also es funktioniert aber noch alles", sagte er und nun konnte ich mir ein Schnauben nicht mehr verkneifen. Hätte ich früher gewusst, was Theo für eine Unordnung mit sich brachte, hätte ich ihn nie bei mir wohnen lassen. ,,Was um Himmelswillen wolltest du denn kochen?", fragte ich und versuchte einiger Maßen ruhig zu bleiben. Mein Geld war aufgebraucht, ich konnte mir keine neue Küche leisten...wenn ich diesen Bastard in die Finger bekomm! ,,Spiegelei...", sagte er und wäre es nicht meine Küche, die nicht mehr hässliche cremeweiß aussah sondern schwarz, würde ich los lachen. ,,Leute ich muss los...", sagte ich knapp zu Juck und Lucy und verließ die Halle. ,,Lass mich raten, du hast Spiegelei mit Öl angebraten, du hast geschlafen oder sonst was getrieben, dann hat das Ei angefangen leicht zu brennen, was du Spast natürlich mit Wasser löschen wolltest", sagte ich und eilte über den Campus. Wenn ich mich beeilte würde ich paar Minuten bis zu mir nachhause brauchen. Ich konnte von glück sprechen, dass ich eine billige Wohnung gleich in der Nähe der Uni gefunden hatte. ,,Wieso weißt du das?", fragte Theo kleinlaut. ,,Das konnte man aus deiner Dummheit schließen", sagte ich und eilte über den Zebrastreifen. ,,Tut mir leid, dass mein Frettchen ausgerechnet da unter dein Wohnzimmerschrank rennen musste", meinte Theo und ich seufzte. Achso hatte ich schon erwähnt, dass ich mir mit Theo auch einen weißen Nager ins Haus geholt habe? Spike heißt die stinkenden Nervensäge, die schon viel zu oft an irgendwelchen Kabeln rumgebissen hat, weshalb ich jedes einzelne freiliegende Kabel umlegen musste. ,,Dann hättest du es dort unten gelassen", sagte ich und eilte über den Gehweg. ,,Naja, dass Kabel der Musikanlage war noch frei...wolltest du dir auch noch ne neue Musikanlage kaufen?", fragte er und ich verfluchte ihn und sein Nagetier.

,,Vielleicht steckt noch etwas Hirn in deinem Kopf...du solltest ne Spike versichern, was der alles kaputt macht...und du versicherst dich am besten auch, dass ich vielleicht noch Geld bekomm, falls ich dich aus Versehen dazu zwinge, aus dem Fenster zuspringen", sagte ich und ich griff in meiner Jackentasche nach meinem Wohnungsschlüssel. ,,Ich glaube nicht, dass Versicherungen wegen Selbstmord was zahlen", meinte Theo und lachte nervös auf. ,,Man könnte es ja mal versuchen, mach schon mal die Tür auf", sagte ich und nahm gleich zwei Stufen auf einmal als ich das Treppenhaus hoch lief. Ich legte auf und erreichte den dritten Stock. Emily kam grad mit einem Feuerlöscher aus meiner Wohnung und warf mir ein knappes Lächeln zu. Emily war Anfang dreißig und eine der nettesten Nachbarn, die man nur haben kann. Sie hatte eine kleine Tochter, Miri, welche fünf ist. Der Vater ist ein Alkoholiker und ist so gut wie nie hier und wenn er hier ist, läuft es immer gleich ab. Wir bekommen ein hektisches Klingeln. Emily steht mit Miri und einem kleinen Rucksack, wo Spielzeug und ihre Bilderbücher drin sind, vor der Tür. Ich und Theo passen dann für paar Stunden auf Miri auf, während man die Streitereien durch die viel zu dünnen Wände hört, gegen Abend wird es ruhig und Emily kommt meistens mit verweinten Gesicht zu uns. Meistens essen wir dann Pizza oder machen irgendwas anderes lecker, wenn Miri dann schläft, lassen wir uns über Emilys Exfreund aus. ,,Na Blaze wie war dein Tag?", fragte sie etwas kaputt, was jedoch nicht von dem Schock kommt, welcher Theo ihr bereitet hatte, sondern von der vielen Arbeit, die sie sich erledigt, um Miri ein gutes Leben zu ermöglichen. Sie sieht nicht aus wie Anfang dreißig sondern eher wie Anfang vierzig, was ihren Sorgenfalten und Augenringen zutrage liegt. ,,Theo hat Feuer gemacht", sagte Miri und hüpfte hinter ihre Mutter her. Ihre zwei braunen Zöpfe wimmten in der Luft mit. ,,Ach hat er das, aber tu mir einen gefallen, mach das dem Theo nie nach. Feuer machen ist böse", meinte ich und strich ihr über den Kopf, welcher mir nicht mal bis zur Hüfte ging. Ihren zwei braunen Kopfaugen konnte man wirklich nichts übelnehmen. ,,Es tut mir leid, dass so etwas passiert ist...", sagte ich und sah zu Emily. Sie legte mir eine ihrer dünnen Hände auf die Schulter und lächelte. ,,Ist schon gut, wenn ihr wollt könnt ihr was von unserem Mittagessen haben. Ich kann es auch schnell warm machen", schlug sie vor und ich schüttelte den Kopf. ,,Du weißt, dass ich das nicht annehme, ich will euch nicht auch noch euer Essen weg essen", sagte ich ,,So Miri, jetzt guck ich mal was der böse Theo angestellt hat." Ich hörte nur noch Miris Kichern, bevor ich meine Wohnung betrat in welcher es nach Verbrannten roch. Als ich über den schmalen Flur lief und in die Küche beziehungsweiße das Wohnzimmer sah, sah ich Theo, der mit einem Eimer versuchte den Schaum des Feuerlöschers weg zu putzen. Die beiden Schränke die neben dem Herd hingen hatten jetzt ein riesiges verkohltes Fleck und auch die hässlichen weißen Fließen waren jetzt mehr schwarz als weiß. ,,Rast nicht aus, ich hab alles im Griff", meinte er und sah zu mir. Ich musste etwas schmunzeln. ,,Ich seh wie du alles im Griff hast", sagte ich und lehnte mich an den Türrahmen. ,,Ab sofort lässt du die Finger vom Herd und bezahlst mir wenigstens einen Teil der neuen Schränke", sagte ich und Theo nickte wild. ,,Ja das mach ich, versprochen!", meinte er und ich seufzte. Mit Theo wurde es echt nie langweilig...ob das jetzt gut oder schlecht war, sollte man bei diesem Chaoten selbst herausfinden.
,,Schaffst du das allein, oder muss ich Angst haben, dass du es auch irgendwie schaffst den Eimer in Brand zu stecken?", fragte ich und sah ihn ungläubig an. ,,Keine Sorge ich schaff das schon, ist ja nicht mehr viel", sagte er und ich nickte knapp. Wann würde ich endlich mal einen normalen Tag erleben?

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