Stop-and-go-Phasen II

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Oder auch: Wo er steht und wo es ihn hinführt


Die Interventionsmaßnahmen sind nicht cool. Sie sind kein HR-Team, das mit großem Rums und Trara durch Türen und Fenster eindringt, Rauchgranaten wirft und Julien rabiat aus den Fängen eines Gangstertrios befreit. Er würde es gerne so sehen, aber anstelle von Action und ihn nach der Rettungsaktion dramatisch in die Arme schließenden Angehörigen und Freunden, gibt es für ihn einen schnöden Gewichtsvertrag, Essprotokolle und Übungen zur Figurexposition. Das ist so was uncool, dass Ju gar nicht darüber reden will, denn wer möchte sich schon im Rahmen eines Gewichtsvertrags dazu verpflichten, eine gewisse Gewichtsgrenze nicht zu unterschreiten?
Und wer möchte all seine Mahlzeiten und die dazugehörigen Gefühle, Gedanken und eventuellen Gegenmaßnahmen dokumentieren?
Und wer zum Henker möchte sich bitte damit auseinandersetzen, dass seine Selbstwahrnehmung ganz offenbar in die Tonne gekloppt gehört? Er garantiert nicht!

Er war auch nicht scharf darauf, im Beisein seiner Therapeutin eine Liste der von ihm persönlich als „erlaubt" und „verboten" eingestuften Lebensmittel anzulegen. Das hat ihm nur einmal mehr vor Augen geführt, wo er eigentlich steht: nämlich verdammt nah am Abgrund. Wahrscheinlich würde seine Mutter weinen, wenn ihr diese Liste je in die Hände fallen sollte. Da Julien weder sie noch sonst wen traurig machen möchte, behält er die Liste für sich - und den Kummer gleich mit...

Schlimmer noch als die Liste an sich ist aber die an sie geknüpfte Herausforderung, regelmäßig etwas von den verbotenen Lebensmitteln in seinenSpeiseplan zu integrieren. Ju stellt sich auch nur deshalb immer wieder dieser Challenge, weil er rein vom Verstand her den guten Zweck dahinter erkennt. Dass er nicht jede Runde gewinnen kann, sondern tagtäglich vom Hunger und Hungern sabotiert wird, lernt er dabei auf die harte Tour. Die beiden haben's einfach drauf, die zugeklebten Münder aufzureißen und sehr tief in die Trickkiste zu greifen. Wenigstens bringt man ihm in der Therapie step-by-step bei, den faulen Zauber zu durchschauen.


Spoiler:
„Das hat dir der Teufel gesagt!", werden sie toben, die Gesichter puterrot und die urkomischen Gestalten jähzornigen Heinzelmännchen gleich, die niemand mehr für voll nimmt. Julien am allerwenigsten. Er lässt sich auch keinen Betrug unterstellen. Er hat sich lediglich die nötige Hilfe geholt, um seine selbstzerstörerischen Tendenzen zu bewältigen, denn er wollte seine Zukunft ebenso wenig hergeben wie die Königin ihr Kind.


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Danke wieder fürs Lesen, ihr Lieben~
Und natürlich auch danke für die Votes und Kommentare zum letzten Kapitel! :-)
Das nächste Kapitel wird dann wieder länger und weniger kryptisch, versprochen ;> Bis dahin wünsch ich euch einen guten Einstieg ins Wochenende und alles Gute!

Geisterfahrer [Julien Bam FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt