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PAUL

Zwei Wochen bin ich bei Robin geblieben. Mittlerweile ist er wieder fit und kommt allein klar. Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, dass ich froh bin, wieder zuhause zu sein.

Es ist mir unfassbar schwer, ihn allein zu lassen. In die Schule und ins Café musste ich leider weiterhin gehen. Das hat aber auch etwas Routine eingebracht.

Robin hat ziemlich schnell angefangen durchzuschlafen. Er ist mit mir morgens aufgestanden und auch abends wieder ins Bett gegangen. In der Pause habe ich eine Rückmeldung bekommen, was er so treibt.

Auch wenn es stetig besser geworden ist, musste ich mich zwischendurch krankmelden. Die Morgen, an dem er vor Bauchschmerzen vollkommen gekrümmt im Bett lag, jede noch so kleine Frage ihn zum Weinen gebracht hat oder jede Tätigkeit einfach zu viel für ihn war, würde ich gerne aus meiner Erinnerung streichen.

Man kann von Glück sprechen, dass es bei ihm wirklich schnell wieder bergauf ging.

Mir ist bewusst, dass eine Depression oder Angststörung nicht die Dauer einer Grippe hat. Dass nicht jeder das Glück hat, wenn die Taubheit nach wenigen Wochen oder Tagen wieder verblasst und die Lebenslust von selbst zurückkehrt. Viele kommen nicht von allein wieder auf die Beine. Oft benötigt es jahrelange Therapie, möglicherweise auch in Begleitung mit Medikation.

Wenn ich nur über die Vorurteile, die herrschen, nachdenke, beginnt es in mir zu lodern. Depressive Personen sind nicht faul. Sport allein heilt definitiv keine Depressionen und es hilft auch nicht einfach, nicht mehr traurig zu sein. Es ist so viel mehr als das.

Ich weiß nicht, welchen Weg Robin bereits hinter sich hat. Das muss ich ihn unbedingt noch fragen. Nicht, damit ich mich drauf einstellen, sondern um zu wissen wie ich am besten eine Hilfe sein kann.

Es ist nicht nur einmal vorgekommen, dass er mich gefragt hat, warum ich bei ihm bin und mir das antue.

Ob er mittlerweile verstanden hat, dass es viel schlimmer für mich wäre nicht bei ihm zu sein, während es ihm so schlecht geht, weiß ich nicht.

Er hat auch gerne mal die These aufgestellt, dass das mich doch abschrecken muss. Das hat es allerdings ganz und gar nicht. Meine Gefühle für ihn sind nicht geschwunden, ganz im Gegenteil. Sie sind nur verstärkt worden. Erklären kann ich es nicht. Nur kann ich sagen, dass es mir unfassbar viel bedeutet hat solch eine verletzliche, wenn nicht sogar seine verletzlichste, Seite an ihm kennenzulernen.

Der Tag, an dem er mich von der Schule abgeholt hat, hat mir ein besseres Gefühl gegeben, wieder nach Hause zu gehen.

Mittlerweile bin ich soweit, dass ich abends einschlafen kann und mich nicht mehr wie auf Bereitschaftsdienst fühle.

Das, was ich Zuhause vermisst habe, ist mein Bett und manchmal auch Josie. Robins Bett ist weiterhin tabu geblieben. Ich weiß nicht, warum es so ein Problem für mich ist, in seinem Schlafzimmer zu schlafen. Irgendwie möchte ich mir das aufheben. Es ist in den letzten Tagen aber auch nie zum Gespräch gekommen. Wir haben es uns einfach im Wohnzimmer bequem gemacht und sind dort geblieben.

Die Zeit mit ihm hat definitiv Vorteile mit sich gebracht. Wir kennen mehr Marotten des anderen und stehen uns jetzt noch näher. Gerade jetzt merke ich, wie gut es uns tut, dass wir uns erst besser kennenlernen und zusammenwachsen, ohne dort eine weitere Komponente hineinzuwerfen, die alles verkomplizieren könnte.

Ich muss an dieser Stelle auch zugeben, dass er seine Chance genutzt und mir einige Kaffeevarianten nähergebracht hat und ich ein paar davon sogar mag.

Der einzige Nachteil, der sich aus der ganzen Sache mit dem Übernachten ergeben hat, ist, dass meine Eltern mir nicht glauben, dass ich keinen Freund habe.

the love you wantWo Geschichten leben. Entdecke jetzt