Kapitel 21

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(Jensen's POV)

„Jared?", rief Jensen, sobald er am Haus seines Vaters angekommen war. Mit noch vor unterdrückter Wut zitternden Händen schloss er die Haustür auf. „Jared?", rief er wieder. Aber beantwortet wurde sein Rufen nur von seinem Vater, der nun um die Flurecke kam. „Ah, Jensen! Das war aber ein langer Spaziergang. Wo ist denn Jared, ist er nicht bei dir?"

„Er... er ist schon vor, ich dachte er wäre schon hier?" Jensen war verwirrt. Er hatte erwartet, dass Jared einfach wieder zurückgegangen sein würde. „Also ich hab ihm die Tür nicht aufgemacht", meinte sein Vater. „Ist irgendetwas passiert? Du siehst so aufgebracht aus." Jensen atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen, aber sein Herz klopfte nach wie vor zu stark und zu schnell. „Wir... es gab einen kleinen Zwischenfall und ich mache mir Sorgen um Jared. Ich gehe ihn besser suchen." Und damit machte Jensen wieder kehrt, aus dem Haus raus. In der Einfahrt blieb er stehen und blickte sich suchend um, während er überlegt, wo Jared hätte hingegangen sein können. Sein Freund kannte sich hier nicht aus, und bis auf die Straße zur Stadt waren hier nur Felder und der Wald. Die Stadt schloss Jensen aus, Jared wollte eher Ruhe haben, da war er sich sicher. Also schaltete er die Taschenlampe in seinem Handy an, beschloss zunächst den Weg am Waldrand abzulaufen und joggte los, dabei immer wieder Jareds Namen rufend.

Als er an der zweiten leeren Bank am Rand des Weges vorbeikam, beschloss er, dass er wohl in den Wald reingehen musste. Nur wo? Er begann, den Weg wieder zurück zu joggen, und weiter in Richtung des Hügels, auf dem sie kurz zuvor noch so friedlich gelegen hatten. Hoffentlich hatte Charlie wenigstens genug Verstand gehabt, von dort zu verschwinden, dachte Jensen. Von dort aus begann er, langsam Jareds möglichen Weg nachzuvollziehen. Und als er jetzt aufmerksamer im Licht seiner Handy-Taschenlampe den Pfad entlang ging, bemerkte er einen Trampelpfad, der vom Hauptweg tiefer in den Wald hinein abzweigte. Entschlossen folgte Jensen diesem und versuchte, im Unterholz irgendwelche Hinweise dafür zu finden, ob Jared womöglich vom Pfad abgewichen war, zerbrochene Stöcke, Fußabdrücke oder dergleichen, aber anders als in den Filmen sah alles absolut gleich aus.

Also hatte Jensen keine andere Wahl, als einfach dem dünner werdenden Trampelpfad immer weiter in den Wald hinein zu folgen, in der Hoffnung, dass er jemals wieder herausfinden würde und nicht hier drinnen erbärmlich verhungern würde oder Schlimmeres. Werd' mal nicht gleich so dramatisch... Jensen ärgerte sich über seine überängstlichen Gedanken – aber so ein Wald in der Nacht wirkte im Licht einer Taschenlampe doch etwas gruselig. Konzentrier dich einfach darauf, Jared zu finden. Die Vorstellung, dass Jared so aufgebracht in den Wald gelaufen war und womöglich gerade orientierungslos in der Dunkelheit herumstolperte, brachte Jensen dazu, seine Schritte wieder zu beschleunigen und seine Aufmerksamkeit von seiner eigenen Unbehaglichkeit darauf zu richten, ob er womöglich Geräusche, die von Jared stammen könnten, hörte.

„Jared?", rief er erneut. Es folgte zwar keine Antwort, aber diesmal meinte er, etwas weiter vor ihm Geräusche zu hören. Und schon nach einigen weiteren Schritten war es ganz deutlich. Und dann sah er Jared, der Jensen fast schon entgegen kam – wahrscheinlich hatte er wieder umgedreht. „Jared!", sagte Jensen wieder, diesmal war die Erleichterung deutlich in seiner Stimmung zu hören. Der Angesprochene blieb stehen und sah Jensen an. Als Jensen langsam, mit beschwichtigend erhobenen Händen, auf ihn zuging, schwand seine Erleichterung allerdings wieder. Jared sah völlig durch den Wind aus, verletzt und desorientiert.

„Jared?", echote Jensen wieder und wusste nicht so Recht, was er sagen sollte. Eine Pause entstand, in der er nach Worten suchte und Jared nur regungslos auf irgendeinen Punkt neben ihm starrte. „Wir... vielleicht sollten wir wieder aus dem Wald raus gehen? Komm, wir finden den Weg hier raus und gehen zurück zum Haus, dann können wir darüber sprechen, was passiert ist, ja?" Daraufhin blickte Jared ihm endlich in die Augen.

„Nein." Jensen blickte ihn überrascht an. „Nein? Nein, du willst hier im Wald bleiben?"

„Nein, ich will nicht darüber sprechen." Abrupt ging er los, an Jensen vorbei, zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Jensen beeilte sich, mit ihm Schritt zu halten und nicht über irgendwelche Wurzeln am Boden zu stolpern. Als sie wieder auf dem festeren Weg waren und Richtung Haus gingen, wollte Jensen etwas sagen, irgendetwas, aber Jareds weiterhin angespannte Körperhaltung und sturer Blick nach vorne hielten ihn davon ab.

Zuhause angekommen schloss Jensen schnell die Tür auf und Jared ging an ihm vorbei Richtung Gästezimmer. Jensen seufzte und ging noch kurz am Schlafzimmer seines Vaters vorbei. Er klopfte leicht und streckte dann seinen Kopf durch den Türspalt. Sein Vater lag bereits im Bett, war aber noch gerade so wach und sah ihn schläfrig an. „Hab ihn gefunden. Ich würde ja sagen, alles gut, aber... naja, zumindest ist er hier. Also... ich spreche noch mit ihm. Ich erklärs dir dann morgen. Gute Nacht, Dad."

Sein Vater nickte, murmelte etwas und drehte sich dann auf die Seite. Leise schloss Jensen die Tür, blieb noch einen kurzen Moment in der Stille stehen. Er ging noch kurz in die Küche, um sich etwas Wasser zu holen, und dann in Richtung Gästezimmer. Es überraschte ihn nicht sonderlich, als er die Tür öffnete und Jared bereits im Bett liegen sah, Augen geschlossen und scheinbar schlafend. Ihm war klar, dass er nie im Leben in der kurzen Zeit sich hatte bettfertig machen und einschlafen können, schon gar nicht in seinem emotionalen Zustand. Aber er akzeptierte es, nahm sich einfach seine eigenen Sachen und ging leise ins Bad. 

Verlobung mit einem Fremden (J2 AU)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt