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    Namjoon kam aus dem Schrank gelaufen. In der Hand hielt er zwei Paar Handschellen. Jins Augen wurden groß und es kam Bewegung in ihn, als er diese sah. Er sprang vom Bett und rannte zur Balkontür, die er aufriss. Er würde lieber versuchen, aus dieser Höhe nach unten zu springen, als sich fesseln zu lassen. Jin war schon fast auf der Brüstung, da wurde er zurückgerissen. Zappelnd versuchte er, sich zu befreien. 
    „Nein, lass mich los“, schrie er, schlug mit der Faust um sich und traf. Der Mann hinter ihm gab ein Grunzen von sich, lockerte aber dennoch nicht seinen Griff. 
    Namjoon trug den um sich schlagenden Jin erbarmungslos zurück zum Bett. Noch während er ihn dorthin trug, schloss er eine Seite der Handschellen um dessen Handgelenk. 
    Jin gab ein Wimmern von sich. „Bitte, tu das nicht. Ich bitte dich.“ Seine Stimme klang erstickt. Er wehrte sich kaum noch.
    „Das nächste Mal hörst du besser, wenn ich etwas sage.“ Namjoon warf ihn erneut auf das Bett. Jin wälzte sich herum und stellte voller Grauen fest, dass er nun an beiden Handgelenken diese Fessel trug. Entsetzt starrte er darauf. 
    Namjoon ergriff ohne irgendeine Gefühlsregung Jins Arme und hob sie ihm über den Kopf. Mit einem Klicken befestigte er beide Handschellen am metallenen Kopfende. Jin hatte jegliche Gegenwehr eingestellt. Die Augen geschlossen, die Beine zur Brust gezogen, lag er zitternd da. Ein mitleidloser Blick streifte ihn, trotzdem warf Namjoon die Decke über das zusammengerollte Bündel. Dann drehte er sich um und lief zur Tür. Dort blieb er stehen und drehte sich noch einmal zu seinem Gefangenen um.
„Du wirst schon noch lernen, mir zu gehorchen.“ Namjoons Stimme klang eiskalt, wie es sich für den Mafia-Boss Nummer eins gehörte. Mit einem dumpfen Ton schloss sich die Tür. Er hörte nicht das leise Schluchzen, das aus der Decke auf seinem Bett kam.

    Jin konnte sich nicht rühren. Er hatte sich zu einem kleinen Ball zusammen gerollt und versuchte nicht in Panik zu verfallen. Nachdem die Tür hinter dem Blonden zugefallen war, fing er leise an zu schluchzen. Seine Augen füllten sich mit Tränen, die anfingen, ihm über die Wangen zu laufen. Er musste sich beruhigen, unbedingt! Er durfte nicht zulassen, dass seine Angst die Oberhand gewann. Jin versuchte tief durchzuatmen, doch merkte er, wie die Panik immer mehr in ihm hochstieg. Schneller und schneller atmete er ein und aus. Ein weiteres Wimmern entschlüpfte ihm ungewollt. Seine Kehle wurde eng. Ihm war natürlich bewusst, wenn er jetzt die Fassung verlor, würde er in einer selbstzerstörerischen Panikattacke enden. Und es war niemand da, der ihm da heraushelfen konnte. 
    Jin stieß leise ein lang gezogenes Jammern aus. Er hatte bereits begonnen, an den Handschellen zu zerren. Mit offenem Mund stieß er einen stummen Schrei aus. Die Decke hatte er von sich gestrampelt, weswegen er jetzt halb nackt da lag. Seine Atmung war hektisch und er bäumte sich gegen die Fesseln auf. Immer mehr zog und zerrte er an den Handschellen. Er spürte den Schmerz nicht, den sein Tun ihm zufügte. Zu sehr war er in seinem hysterischen Ich gefangen. Seine Handgelenke waren bereits stark gerötet, trotzdem riss er weiter an ihnen. Der erste Blutstropfen löste sich aus seinem wund gescheuerten Arm. 
    „Arghhh...!“ Endlich verließ ein lauter Schrei seine Kehle. Es folgten weitere, die seine Verzweiflung bezeugten, während er wieder und wieder an den Fesseln zerrte, die ihn mehr und mehr bluten ließ.

    Jimin kam gefolgt von seinem Lebenspartner Yoongi zur Haustür herein, als er einen jämmerlichen Schrei hörte. Erschrocken ließ er seine Einkäufe fallen und sah die Treppe hoch. Er wusste, dass sein Boss und Jungkook unterwegs waren und Hoseok wahrscheinlich in seinem Hacker-Zimmer im Keller. Also konnte das nur Jin sein, der in Rapmons Zimmer untergebracht war. Erneut ertönten Schreie, die sich wie von einem verwundeten Tier anhörten. 
    Jimin fing an zu laufen. Was war mit Jin passiert, dass er solche Töne von sich gab? 
    Neben sich spürte er Yoongi, der ebenfalls die Treppe hoch stürmte. Sie rissen die Tür zum Zimmer des Bosses auf und blieben entsetzt stehen. Ihnen bot sich ein Bild des Grauens. Jin saß am Kopfende des Bettes und war daran fest gekettet. Voller Panik zerrte er an seinen Fesseln. Blut rann ihm über die Hände und Arme, trotzdem hörte er nicht auf. Immer wieder stieß er laute Schreie und Schluchzer aus.
    Mit ein paar Schritten war Jimin an seiner Seite und legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. 
    „Jin. Jin! Hör auf damit. Du verletzt dich. Ich bitte dich“, versuchte Jimin mit ruhiger Stimme den verstörten jungen Mann zu beruhigen. Jin drehte den Kopf. Jimin sah pures Grauen in ihnen. 
    „Hilf mir“, flüsterte Jin heißer. „Schnell, bring mir ein Messer.“ Hektisch blickte Jin um sich.
    „Wofür braucht er ein Messer?“ Yoongi war ebenfalls näher getreten.
    „Ich muss mich befreien, bevor er wieder kommt und mich quält. Wenn ich mir die Hände abschneide, komme ich vielleicht frei und kann fliehen.“ Erneut ertönte ein jämmerlicher Schrei aus Jins bereits heißerer Kehle. 
    „Wer? Wer kommt, Jin? Sag es mir! Doch nicht etwa Rapmon?“ Jimin glaubte nicht, was er da hörte. Sein Boss war gnadenlos, aber so was traute er ihm, zumindest bei Jin, nicht zu. Dazu hatte er einen zu großen Narren an diesem gefressen, das war Jimin klar.
    „Kibum...“, flüsterte Jin und begann von Neuem an den Fesseln zu reißen. 
    „Jin, beruhige dich. Du musst stillhalten, dann kann ich dir die Handschellen abnehmen“, versuchte Jimin es aufs neue. Doch Jin schien in seinem eigenen Albtraum gefangen. Er war ungewöhnlich blass und seine sonst rosafarbenen Lippen wirkten blutleer. Die Augen irrten ruhelos hin und her und immer mehr Blut sickerte in die Matratze. 
    „Yoongi, tu was. Er muss damit aufhören.“ Jimin sah Hilfe suchend seinen Freund an, der stumm alles mit verfolgt hatte. Auch er wirkte blasser als sonst, fiel Jimin auf.
   Yoongi wusste sich nicht anders zu helfen. Er hob die Faust und ließ sie in Jins Nacken krachen. Dieser sackte anschließend bewusstlos in sich zusammen. 
    Jimin nickte zustimmend. Endlich konnte er Jin die Handschellen von den blutig-wunden Handgelenken nehmen. 
    „Kannst du ihn ins Krankenzimmer bringen? Ich muss seine Wunden versorgen.“
    Yoongi brummte zustimmend. Schweigend bückte er sich und nahm den Verletzten auf seine Arme. Dann folgte er Jimin ins Erdgeschoss. Nebeneinander liefen sie zum Krankenzimmer. Unterwegs sammelte Jimin noch die Medikamente ein, die er fallen gelassen hatte. Einen Teil davon würde er hier sicherlich brauchen. Keiner der beiden beachtete die Blutspur, die Jin hinterließ. 
    „Leg ihn auf die Liege“, wies Jimin seinen Freund an und suchte sich bereits Desinfektionsmittel, Tupfer und Verbandsmaterial zusammen. 
    Yoongi legte seine bewusstlose Last ab und betrachtete ihn. „Er sieht echt Scheiße aus“, sagte er trocken. Doch im Inneren hatte er tatsächlich Mitleid. Was musste dieser Junge durchgemacht haben, dass er sogar bereit war, sich die Hände abzuschneiden, nur um sich zu befreien. Jimin kam näher und er machte Platz. 
    „Ruf den Boss an und erzähl ihm, was passiert ist. Er wird davon wissen wollen.“ Jimin hatte sich Handschuhe über gezogen und damit begonnen, Jins linkes Handgelenk zu untersuchen. „Dann solltest du dich umziehen. Du bist voller Blut“, sprach Jimin mit einem Seitenblick auf Yoongi weiter. 
    Dieser sah an sich hinunter und musste feststellen, dass es stimmte. „Ich lass dich mit ihm nicht alleine.“
    „Suga, er wird mir schon nichts tun“, Jimin hatte Yoongis Spitzname verwendet. „Er ist bewusstlos. Geh ruhig. Mir passiert schon nichts und du bist ja auch gleich wieder da.“ Jimin drehte sich kurz zu ihm um und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Jetzt geh schon.“
    Yoongi wandte sich widerstrebend ab und verließ das Zimmer. Er würde sich auf jeden Fall beeilen.
    Jimin inspizierte genauestens das verletzte Handgelenk, das er in Händen hielt. Die Blutung hatte zum Glück aufgehört. Erst säuberte und desinfizierte er es, dann trug er ein heilungsförderndes Gel auf. Zum Schluss machte er einen dicken Verband darum. Jetzt nahm er sich das rechte Handgelenk vor, das wesentlich schlimmer aussah. Aus einem etwa drei Zentimeter langen Riss sickerte immer noch Blut. Hier musste genäht werden. Jimin holte sich ein Nadel- und Faden-Set und legte es bereit. Dann säuberte er die Wunde. Danach begann er, den Riss zu nähen. Jin rührte sich nicht. Er trug das Gel auf und verband auch dieses Handgelenk. Jimin nutzte die Gelegenheit und nahm auch gleich Blut ab. Nach einem letzten Blick auf den Bewusstlosen verließ auch er das Zimmer. 
    Yoongi kam ihm gerade entgegen und telefonierte. In dem Moment, als sie aufeinandertrafen, legte er auf.
    „Er ist unterwegs“, sagte er und zog Jimin in seine Arme. Sie tauschten gerade einen zärtlichen Kuss, als sie ein lautes Scheppern aus dem Krankenzimmer vernahmen. Zusammen rannten sie dorthin und Yoongi öffnete noch vor Jimin die Tür. 
    Jin lag nicht mehr auf der Liege, die umgekippt war und auf der Seite lag. Jimin durchsuchte mit den Augen den Raum und entdeckte ihn, als zitterndes Etwas, im hintersten Winkel des Zimmers. Vorsichtig ging er auf den Verletzten zu und fing an, beruhigend auf ihn einzureden. „Hey, Jin! Ich bin es, Jimin. Du kennst mich. Ich tue dir nichts.“ Er streckte die Hand aus, doch das verstärkte die Panik in dessen Augen und das Zittern nahm zu. Jin wimmerte und hob abwehrend die Arme über den Kopf. Jimin hatte die bläulich verfärbten Lippen gesehen. Jin stand unter einem schweren Schock.
    „Tae“, schluchzte Jin in diesem Moment und es war das Einzige, was Jimin verstand.
    „Sein Bruder. Hol ihn“, Jimin richtete sich auf und suchte sich seine Sachen für eine Beruhigungsspritze zusammen. Yoongi war gleich losgelaufen und kam kurz darauf mit Jins schimpfenden Bruder, den er in das Zimmer schob, zurück.
    „Verdammt, was soll ich hier?“ Wütend sah Tae sich um, da hörte er ein leises Wimmern. 
    „Tae“, erklang kaum hörbar aus einer dunklen Ecke des Raumes.
    „Jin? Bist du das?“ Tae folgte dem leisen Schluchzen, das er nur schwach wahrnahm. Während er sich Jin näherte, wurden seine Augen immer größer. „Oh mein Gott, was habt ihr ihm angetan?“ Vorwurf klang in seinen Worten mit.
    Vor seinem Bruder ging er in die Knie und streckte den Arm aus. Jin versuchte sich noch kleiner zu machen, als er so schon war.
    „Jin, Jinnie. Ich bin es Tae. Hör mir zu“, sagte er und begann mit einer schönen Stimme Jins Lieblingslied zu singen. Nach und nach verlor dieser sein Zittern und beruhigte sich. 
    „Taetae!“, schrie Jin plötzlich und warf sich seinem Bruder in die Arme. „Er kommt, er will mich zurück. Er hat gesagt, dass er mich findet und das hat er. Wir müssen fliehen!“ Jin presste sich panisch an seinen Bruder. 
    „Niemand kommt, Jin. Er findet dich nicht. Er ist weggesperrt. Beruhige dich.“ Tae streichelte seinem Bruder beruhigend über den Rücken. 
    „Doch, ich weiß es. Ich kann es spüren. Er wird mich erst in Ruhe lassen, wenn er oder ich tot sind“, schrie Jin und steigerte sich damit in eine neue Panikattacke.
    „Tae, ich muss ihm ein Beruhigungsmittel geben. Er steht unter einem schweren Schock.“ Jimin hatte sich an den Älteren gewandt. 
    „Ich weiß. Komm her und versuch es“, flüsterte Taehyung leise und Tränen rannen ihm aus dem gesunden Auge. „Er erträgt das nicht noch einmal“, schluchzte er und hielt seinen Bruder fest umarmt.
    Jimin näherte sich ihnen langsam und wollte Jin die Spritze verabreichen. Als Jin den sich näher kommenden Arzt wahrnahm, schrie er panisch auf und wollte aufspringen, wurde aber unerbittlich von seinem Bruder festgehalten. 
    „Das wird so nix“, warf Yoongi ein. „Er soll ihm die Spritze geben.“ Jimin zögerte. 
    Tae hob den Kopf und streckte die Hand danach aus. „Wo soll ich zustechen?“ 
    „Einfach in den Oberschenkel. Das dauert zwar etwas länger, aber es wirkt genauso gut“, erklärte Jimin und übergab Tae die Spritze, dann trat er den Rückzug an. 
    Tae hatte wieder angefangen zu singen, wodurch Jin sich ein wenig beruhigte. In einem ruhigen Moment stach er die Nadel in den Oberschenkel seines Bruders. Weinend wartete er darauf, dass dieser sich endlich entspannte und einschlief.

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Hmm. Schon 6 Kapitel und es wird spannend.
Was hat Jin wohl erlebt, das er so voller Panik ist?
Einfach weiter lesen, dann erfahrt ihr es. 😂

Mafia: Gefangene Unschuld (Namjin) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt