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    Jimin lief kichernd zur Treppe und sprach Jin, der in Gedanken zur geschlossenen Tür starrte, direkt an. „Das war ja mal eine Erfahrung. So habe ich den Boss noch nie gesehen. Du hattest echt Glück, dass sich seine Wut so schnell gelegt hat, Jin.“ Er blieb vor Jin stehen und blickte auf dessen Handgelenke. „Die sollten wir neu verbinden, komm am besten mit mir“, sagte er dann, drehte sich um und ging Richtung Krankenzimmer davon, darauf vertrauend, dass Jin ihm ohne Weiteres folgte. Seite an Seite kamen sie an Yoongi und Hoseok vorbei, die sich vor lauter Lachen die Tränen aus den Augen wischten. 
    „Habt ihr nichts zu tun?“ Jimin sah seine Kollegen auffordernd an und die beiden zerstreuten sich kichernd. Zusammen kamen Jin und Jimin schließlich im Krankenzimmer an.
    „Setz dich“, befahl der Arzt und deutete auf eine der Liegen. Während Jin wortlos Platz nahm, suchte er sich sein Verbandsmaterial zusammen und legte die Sachen neben Jin, der leicht mit den Beinen baumelte, ab.
    „Dann zeig mir mal deine Hände“, forderte er und griff nach Jins linkem Arm. Er entfernte die Binde, untersuchte die Wunde, reinigte sie und legte einen neuen Verband an. Danach nahm er sich das rechte Handgelenk vor. Eingehend studierte Jimin die Verletzung. „Mit dieser Seite solltest du vorsichtiger umgehen“, meinte er ernst. „Sonst geht die Naht noch einmal auf und das wäre nicht gut. Ich musste sie bereits zweimal nähen“, fuhr er fort, während er sie desinfizierte, Wundgel auftrug und verband. 
    „Sag das nicht mir, sondern deinem Boss.“ Jin betrachtete die Verbände kurz, dann ließ er die Arme sinken. Er sah aus, als wollte er etwas sagen, traue sich aber nicht so recht.
    „Na los, Spuck schon aus, was dir auf dem Herzen liegt.“ Jimin setzte sich neben Jin, der mit gesenktem Kopf auf der Liege saß.
    „Er hat mir erlaubt, Tae zu sehen“, begann Jin mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Jimin konnte die Liebe, die Jin für seinen Bruder empfand, direkt spüren. Schweigend wartete er darauf, dass dieser weitersprach. 
    „Geht es ihm gut? Ich meine, wird er gut behandelt?“ Jin sprach leise, weshalb Jimin sich zu ihm beugen musste, um ihn zu verstehen.
    „Es geht ihm gut. Jungkook hat sich seiner angenommen.“ Jimin nahm Jins Hand und drückte sie beruhigend. 
    „Jungkook?“ Jin hatte den Kopf gehoben und blickte Jimin überrascht in die Augen.
    „Ja, Jungkook. Das Erstaunliche daran ist, er hat sich freiwillig dafür gemeldet. Er scheint Interesse an deinem Bruder zu haben.“ 
    Alarmiert starrte Jin den Arzt an. „Was meinst du mit Interesse? Wird er ihm wehtun?“ 
    „Keine Sorge, dein Bruder ist dank dir in Sicherheit. Allerdings kann Jungkook ziemlich überzeugend sein, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat.“ 
    „Was will er von Tae?“ Jin war trotz Jimins Versicherung, sein Bruder hätte nichts zu befürchten, besorgt. Er hatte Jungkook kennengelernt. Allein schon die Tatsache, dass dieser bei seiner ersten Bestrafung damals sitzen blieb und zugeschaut hatte, bewies ihm, dass Jungkook eine perverse Ader hatte. 
    „Mach dir keine Sorgen, Jinnie. Jungkook wird nichts tun, was dein Bruder nicht zulassen möchte. Aber wie gesagt, er kann sehr überzeugend sein.“
    „Da beißt er bei meinem Bruder wahrscheinlich auf Granit. Tae ist zwar bisexuell, aber er ist auch dominant. Er wird kaum zulassen, dass Jungkook mit ihm schläft.“ Jin seufzte erleichtert. 
    „Dann mach dir deswegen keinen Kopf. Wenn dein Bruder nur annähernd so stark ist wie du, hat er nichts zu befürchten.“ Jimin ließ Jins Hand los, die er tröstend festgehalten hatte, und stand auf. „Nun sollten wir zusehen, dass wir Kleider für dich besorgen“, meinte er schließlich, während er zur Tür ging. „Komm mit mir.“
   Jin glitt von der Liege und folgte Jimin, der eine andere Tür gegenüber dem Krankenzimmer ansteuerte. Er trug noch immer nur ein Hemd, das er aus Namjoons Schrank genommen hatte. Ansonsten war er nackt. Zum Glück war das Hemd lang und ging ihm fast bis zu den Knien, trotzdem schützte er über dem Kleidungsstück seinen Intimbereich mit den Händen. Außerdem war ihm kalt.
    Jimin stieß die Tür auf und betrat ein großes Büro, in dem schwere, dunkle Möbel standen. Jin tapste barfuß hinterher und blickte sich um. Das größte Möbelstück war ein monströser Schreibtisch, der mittig vor einer Fensterfront stand. Dahinter stand ein großer Ohrensessel aus Leder. Diesen steuerte Jimin an und setzte sich. Vor ihm auf dem Tisch lag ein Laptop, den er aufklappte. Mit der Hand winkte er Jin zu sich, der sich an Jimins Seite stellte. Seine Finger flogen geradezu über die Tastatur.
    „So, dann wollen wir mal Kleider für dich bestellen. Hast du irgendwelche Vorlieben? Bestimmte Marken, Farbe oder so was?“ Fragend zeigte er auf den Bildschirm. Jin beugte sich vor und überflog erstaunt das Angebot. Es wurden mehrere Internetadressen angezeigt, die Kleider verkauften. 
    „Nein, mir egal, was ich bekomme. Hauptsache, es ist nicht so was.“ Mit einer ausholenden Geste zeigte er auf das Hemd, das ihm viel zu groß an seinem Leib hing.
    Jimin betrachtete Jins Körper und lachte. „Okay, dann schauen wir mal. Welche Größe hast du?“ Abschätzend glitt sein Blick über den schlanken, jungen Mann an seiner Seite. Jin nannte ihm seine Größe und trat näher. Jimin gab noch ein paar Daten ein, dann wurden komplette Outfits angezeigt. Überrascht beäugte Jin die Preise.
    „Das ist viel zu teuer“, warf er vorsichtig ein.
    „Mach dir darüber keine Gedanken. Rapmon hat mir ein großzügiges Limit für dich gesetzt, das wir komplett ausschöpfen können.“ Jimin grinste und klickte sich durch verschiedene Outfits und Kleidungsstücke, von denen er gelegentlich etwas in den Einkaufswagen schickte. Jin zeigte vereinzelt auf ein Kleidungsstück, das ihm gefiel, welches Jimin ohne zu zögern dazu nahm. Auch Unterwäsche-Sets bestellten sie. Danach beratschlagten sie sich, löschten drei Teile, dann schickte Jimin die Bestellung ab.
    Jin richtete sich auf und machte Anstalten zurück, in Namjoons Schlafzimmer zu gehen, wurde aber von Jimins Worten aufgehalten.
    „Jinnie, da ist noch etwas.“ Jimin zögerte, ehe er weiter sprach. „Tut mir leid, aber der Boss möchte, dass ich noch etwas für dich bestelle.“ Offen sah er Jin an, dann loggte er sich auf einer anderen Seite ein. Jin stellte sich wieder neben den Arzt, der genau zu wissen schien, wohin er auf der Seite wollte. Mit jedem Bild, das kurz über den Bildschirm glitt, wurden Jins Augen größer und er immer verstörter. 
    „Das kann er doch nicht verlangen“, flüsterte er. Panik kroch in ihm hoch. 
    Jimin hörte die Angst in Jins Stimme und hob den Kopf. Dieser stand blass neben ihm, alle Farbe war ihm aus dem hübschen Gesicht gewichen. Mit aufgerissenen Augen stand der Braunhaarige zitternd da. Jimin klappte den Laptop zu, zog Jin aus einem Impuls heraus auf seinen Schoß und umarmte ihn. Beruhigend sprach er auf ihn ein und streichelte ihm über den Rücken. Nur langsam hörte das Zittern auf und Jin holte endlich tief Luft.
    „Hat deine Angst mit diesem Kibum zu tun?“ Jimin sprach sanft, aber bestimmt. 
    Jin hob überrascht den Kopf. „Woher weißt du von ihm?“ 
    „Von deinem Bruder. Nachdem du diese Panikattacke hattest und nur er dich beruhigen konnte, hat er uns Vorwürfe gemacht, weil du gefesselt wurdest. Jungkook hat ihn danach befragt und er hat uns erzählt, was er wusste. Was allerdings nicht gerade viel war. Hast du je darüber gesprochen, was dir passiert ist?“ 
    Jin saß immer noch auf den Beinen des kleineren Mannes. Er versuchte sich von diesem zu lösen, wurde aber nur noch enger an dessen Körper gezogen. Erstaunt stellte er fest, dass ihm diese Umarmung guttat. Zögernd entspannte er sich, dann schüttelte er den Kopf. „Niemand weiß davon“, flüsterte er. 
    Jimin seufzte. „Du solltest darüber sprechen. Es ist für deine Psyche nicht gut, wenn du das in dich hineinfrisst.“ 
    „Ich weiß. Aber im Moment geht es mir gut.“ Jin traten Tränen in die Augen. Er belog sich selbst, das war ihm durchaus bewusst. 
    „Nein, dir geht es ganz und gar nicht gut. Erzähl mir davon. Ich verspreche dir, ich halte mich an meine Schweigepflicht und werde keinem etwas davon erzählen, außer du entbindest mich davon“, forderte Jimin ihn ruhig auf. 
    Jin zögerte. Er hatte es schon so lange für sich behalten und es fraß ihn innerlich auf. Sollte er sich dem Arzt wirklich anvertrauen? Irgendwie hatte er Vertrauen zu Jimin gefasst. Er mochte ihn, denn dieser war der Einzige, der versucht hatte, sich für ihn einzusetzen. Jin sah Jimin forschend in die Augen. Er konnte nur ehrliches Interesse darin erkennen. Da war keine Falschheit. Jin hatte gelernt, in Menschen zu lesen, seit er von Kibum missbraucht und gequält worden war. Nur bei Namjoon nutzte ihm dieses Talent nichts. Dieser war wie ein Buch mit sieben Siegeln für ihn. Jin ließ den Kopf hängen und schwieg. „Ich kann nicht“, sagte er leise. 
    Jimin nickte bestätigend. „Das habe ich mir schon gedacht. Aber solltest du irgendwann das Bedürfnis dazu haben, dir alles von der Seele reden zu wollen, dann bin ich für dich da.“
    „Danke“, hauchte Jin schwach, dann straffte er sich. „Ich weiß aber nicht, ob ich so was anziehen kann. Ich ertrage es nicht, gefesselt zu werden.“ Er deutete unsicher auf den geschlossenen Laptop.
    Jimin grinste. „Das werden wir herausfinden. Aber zuerst bestellen wir mal eine Light-Version für dich. Damit kannst du dich erst einmal daran gewöhnen. Später können wir dann variieren“, sagte er und klappte den Laptop, mit Jin auf seinem Schoß, erneut auf. 
    Zusammen betrachteten sie die Artikel auf der BDSM-Seite, die angeboten wurden. Jimin zeigte mit dem Finger auf ein schwarzes Lederhalsband mit Nieten. Jin schüttelte den Kopf. Stattdessen tippte er auf ein schlichtes Samthalsband in derselben Farbe. Nun war Jimin derjenige, der den Kopf schüttelte. 
    „Das, was wir brauchen, sollte schon ansprechend sein. Du wirst später sehen, was ich meine. Vertrau mir einfach.“ Jimin drückte Jin kurz an sich, dann zeigte er auf ein schönes, schwarzes Lederhalsband mit einem Glöckchen dran. „Auf jeden Fall das da“, sagte er und verschob es in den Einkaufswagen. 
    „Warum denn das? Ich bin doch keine Katze!“ Jin wirkte entrüstet und Jimin kicherte. „Oh doch. Er hat mir wortwörtlich gesagt, ich solle für sein kleines, wildes Kätzchen Kleider und andere Sachen bestellen.“ 
    Jin horchte auf. Kätzchen? Das hatte Rapmon tatsächlich schon mehrmals zu ihm gesagt, meinte Jin sich zu erinnern. „Tzz, wenn es denn sein muss“, lenkte er ein und starrte auf den Bildschirm. Schweigend sah er dabei zu, wie Jimin verschiedene Artikel in den Einkaufswagen packte und schluckte trocken. Was hatte dieser Mafiosi eigentlich mit ihm vor? 
    Zufrieden lehnte Jimin sich zurück und drückte auf Bestellen. Er sah auf die Uhr. „In knapp zwei Stunden sollte alles da sein. Und jetzt zeige ich dir noch etwas. Komm mit“, sagte er und schob Jin von seinem Schoß.


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Mit diesem Kapitel habe ich mir Anfangs echt schwer getan. Irgendwie wollte es mir nicht so gut von der Hand gehen, wie die übrigen. Nach einer Schreibpause, wo ich nur gelesen habe, ging es dann zum Glück wieder. 🤗

   

Mafia: Gefangene Unschuld (Namjin) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt