Nachdem ich die Sicherheitseinheit, Lehrveranstaltungen, Geigen- und Klavierunterricht hinter mich gebracht habe, ist es 17 Uhr. Diesen Tagesablauf habe ich schon mein Leben lang, bis auf die wechselnden Unterrichtsfächer und ich hasse ihn mittlerweile abgrundtief. Als ich jünger war, habe ich mein Leben nicht als schlimm empfunden, denn mir waren fehlende soziale Kontakte nicht bewusst. Schon damals hat man mir erklärt, dass meine Eltern, als ich ein Baby war, gestorben sind bei einem Brand und ich deswegen eben bei meinem Onkel Ray aufwachse, weil er mein einziger Verwandter ist. Er hat mir nie besondere liebe entgegen gebracht und ich habe natürlich meine Mama und meinen Papa vermisst, aber ich hatte Mecki und Ella und ehrlich gesagt jedes einzelne Spielzeug, das ich mir je gewünscht habe.
Als ich älter wurde und in die Pubertät kam fingen die Gedanken an andere Kinder in meinem Alter an und ich wollte Freunde haben. Natürlich kannte ich das Leben außerhalb unseres Anwesens, schließlich konnte ich überall hin (in Begleitung von Security) und ich hatte Internet und Bücher, aber wie soll man Menschen kennenlernen, wenn nicht in der Schule, oder über Hobbys? Es ist auch nicht gerade hilfreich, wenn ein 2 Meter großer, verkabelter Mann mit Sonnenbrille und Poker-Face hinter einem steht, während man einen Jungen auf dem Spielplatz anspricht, ob er mit einem befreundet sein möchte.
Das Thema Hobbys ist schwierig, denn als ich es angesprochen habe hatte ich sogleich eine Liste mit "für reiche, gehobene und elegante Mädchen geeigneten" Hobbys. Das davon nichts auch nur ansatzweise meinen Geschmack getroffen hat ist denke ich klar und die Vorstellung dann dort gleichgesinnte Freunde zu finden ist auch nicht besonders naheliegend, deshalb habe ich etwas ausgeheckt und in diesem Fall ist Mecki schon seit 6 Jahren mein Verbündeter. Jeden Dienstag Abend fahre ich zu einer renommierten Tennishalle, gehe hinein und lasse meine Mitgliedskarte scannen, und dann wechsle ich die Straßenseite hinüber zu einem kleinen Bungalow hinter dem eine große Bogenschießanlage ist. Dort verbringe ich dann meine Zeit, stemple hinterher im Tennisverein aus und Mecki fährt mich nach Hause.
In diesem Fall ist es mein Glück, dass Ray sich so wenig für mich interessiert, so wollte er zumindest niemals mit mir Tennis spielen oder ein Turnier sehen, das ich wohl kläglich verloren hätte. Bogenschießen dagegen ist mein Wunschhobby gewesen und ist es immer noch. Mittlerweile bin ich sehr gut darin und fühle mich stark und unabhängig, sobald ich die Waffe in den Händen halte. Und ich habe dort Lia kennengelernt. Sie ist außer mir das einzige Mädchen dort gewesen und wir haben uns auf Anhieb verstanden und sind tolle Freundinnen geworden, obwohl sie Meckis Answesenheit am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig fand. Lia geht auf ein normales College, hat weder arme noch reiche Eltern, aber sie lieben und unterstützen Lia so, wie Eltern das tun sollten, und deswegen ist sie auch kein bisschen neidisch auf mich, was die Freundschaft umso ehrlicher macht.
Dementsprechend haben wir auch seit damals alle Geheimnisse miteinander geteilt, oder wohl eher Lia mit mir, denn während sie das erste Mal Händchen gehalten hat und sich Hals über Kopf verliebt hat, geküsst, geliebt und auch entjungfert wurde, ist mir das alles bis heute verwehrt geblieben. Obwohl ich auch einige Freunde von Lia kennengelernt habe und tatsächlich auch mal ein Junge Interesse bekundet hat, hab ich mich nie wirklich zu einem hingezogen gefühlt. Auch der Hintergedanke, dass ich einen Freund nie zu mir einladen könnte, weil Ray es verbietet und Sex vor der Ehe eine Schande ist hält mich immer davon ab, mich jemandem zu nähern.
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Out of the Cage
AdventureSeit sie klein ist lebt Nalani bei ihrem Onkel Ray. Ihre Eltern sind gestorben als sie ein Baby war und Ray war der einzig lebende Verwandte und nebenbei ein geiziger reicher Mann. Doch er hasst Kinder und er hasst Nalani, und sie hasst ihr Leben im...