Melody fand es schrecklich zu warten. Zu warten bis es dunkel wurde und der Mörder zurückkam. Es herrschte eine stille Unruhe. Francis und Jack hatten sich auf ihr Zimmer zurückgezogen. Matt pendelte zwischen seinem Raum und der Küche hin und her und Kai ging schon seit Stunden im Wohnraum auf und ab nur pausiert durch einen Gang zur Toilette oder in die Speisekammer. Mel saß stumm auf dem Boden und spielte mit dem Saum des T-Shirts herum. Ihre Gedanken warren ein wilder Strudel aus Emotionen. Sie dachte an ihre Familie, an heute Abend, sogar an ihre Schule und die Lehrer. Doch vor allem dachte sie an Laurie. An all die gemeinsamen Erinnerungen. Wie sie im Sommercamp nachts durchs Lager geschlichen sind um Essen aus der Speisekammer zu klauen, als sie gemeinsam die Fahrradtour in den nächsten Ort gemacht haben und Mel sich ihr Knie aufgeschlagen hat, wie sie zusammen eine Lerngruppe starten wollten die schließlich nur aus ihnen beiden und einem komischen Typen eine Klasse unter ihnen bestanden hatte. Keiner der drei sah den anderen an und schon gar nicht redeten sie. Erst als die Dämmerung hereinbrach und es dunkel wurde versammelten sich alle im Wohnzimmer. "Ich schlage vor wir ziehen uns oben im Badezimmer zurück und ihr im Arbeitszimmer", schlug Matt vor und sah auffordernd in die Runde. Melody bewunderte ihn für seinen Mut. Nach all dem was passiert war, konnte sie keinen klaren Gedanken mehr fassen und schon gar keine Fluchtpläne schmieden. "Ach du Scheiße!", kam es auf einmal von der Küche. Mel hatte har nicht bemerkt wie Jack dorthin gelangt war und sah überrascht zu ihm. Jack raufte sich verzweifelt die Haare und stammelte: "Sie - sie sind weg. Die Messer ... sie sind ... einfach fort" "Das darf jetzt wohl nicht wahr sein", zischte Kai und lief zur Küche um sämtliche Schränke aufzureißen und nach den Messern zu suchen. Vergeblich. Francis schrie frustriert auf und es war als würden alle plötzlich einsacken. "Wie sollen wir so noch eine Chance haben?", flüsterte Melody. Obwohl sie sich sicher war, dass es alle gehört hatten, antwortete niemand. Denn sie hatte das laut ausgesprochen, was sich jeder fragte. Wieder war es Matt, der sich zuerst gesammelt hatte und erhob seine Stimme: "Wir haben keine Wahl. Wir müssen es ohne Waffen versuchen. Was besseres bleibt uns nicht über." Jeder wusste das er Recht hatte. Francis stürmte zu Mel und schloss sie in eine innige Umarmung. "Du bist meine beste Freundin Mel. Und jetzt wo - und jetzt wo Laurie weg ist meine einzig wahre. Also komm erst gar nicht auf die Idee mir weg zu sterben", flüsterte sie in Mels Haar. Auf einmal wurde Melody sich schlagartig der Situation bewusst. Dass sie ihre einzig noch lebende Freund vielleicht auch für immer von ihr getrennt sein könnte. Also drückte sie Francis noch fester an sich. "Das gleiche gilt für dich. Wenn du stirbst bring ich sich um",versuchte sie eher schlecht als recht einen Witz zu reißen. Als nächstes drückte sie kurz Matt an sich. Da sie nicht wirklich wusste was sie zu ihm sagen sollte, wünschte sie ihm einfach nur Glück, als würde er gleich einen Wettbewerb antreten und nicht dem potentiellen Tod ausgeliefert sein. Jack umarmte sie schließlich zum Schluss. Wie auch schon bei Francis versuchte sie krampfhaft die Tränen zu unterdrücken. Sie kannte Jack seit einer Ewigkeit und er war für sie wien ein Bruder geworden. Besonders in der Zeit vor seiner Beziehung mit ihrer Freundin hatten sie sich gast jeden Tag nach der Schule getroffen. Jack merkte wohl wie sehr Melody mit den Tränen kämpfte und auch er musste sich zusammenreißen als er sie in eine beschützende Umarmung zog. "Wir sehen uns wieder Mel. Morgen ist der ganze Albtraum vorbei und nachdem dieser Wichser verhaftet worden ist gehen wir zu Boe's ein Eis essen. Ich versprechs dir" "Pass auf dich auf und auch auf Francis", murmelte Mel zurück. Mit geröteten Augen wandte sie sich an Kai und sah ihm entschlossen in die Augen. "Es kann losgehen."
Die anderen gingen hoch ins Bad und Kai und Melody verzogen sich ins Arbeitszimmer. Kai versuchte den Schreibtisch zu bewegen, doch auch mit Melodys Hilfe schafften sie es nicht ihn zu bewegen. Schlussendlich schoben sie einen einfachen Stuhl unter die Klinke. Kai und Melody wussten genau, dass es nicht ewig halten würde, doch keiner sprach es laut aus. Sie setzten sich hinter das Bücherregal und lauschten angespannt. Nichts. Auch nach weiteren zehn Minuten tat sich nichts. Und auch nicht nach zwanzig. Schließlich wagte Melody etwas zu sagen und wandte sich an Kai: "Was machen wir wenn er oben ist bei den anderen. Oder was machen wir wenn er überhaupt zu erst bei uns ist?" Kurz befürchtete Mel er würde nicht antworten, doch schließlich räusperte er sich und antwortete: "Da es in diesem Raum kein gottverdammtes Fenster gibt, würde ich sagen wenn er - und ich weiß, dass klingt schrecklich, aber ich hoffe es- zuerst oben ist, dann laufen wir so schnell und leise es geht raus und rennen ins Dorf. Ich weiß, es ist eine offene Fläche ohne irgendeinen Schutz, sollte der Typ eine Knarre haben, aber ich hoffe es einfach mal nicht. Und wenn er zuerst bei uns ist, dann wirfst du sofort mit allem was du zu greifen kriegst auf ihn während ich versuche ihm die Waffe wegzunehmen, oder ihn bewusstlos zu hauen" Mel nickte stumm und ihr Herz sackte ihr in die Hose. Nie und nimmer würde sie es hier lebend rausschaffen. Sie merkte wie Kai ihr aus dem Augenwinkel einen Blick zu warf, als wolle er sich vergewissern, dass sie nicht eine Panikattacke bekam, vor der sie zugegebenermaßen auch knapp stand. Sie hatte nichts mehr zu sagen und auch blieb stumm, sodass sich wieder eine angespannte Stille bildete. Sie wusste nicht wie lange sie so da saßen, aber sie musste wohl eingenickt sein, denn auf einmal wurde sie von Kai aufgeweckt. "Er ist oben", flüsterte er. Schlagartig war Mel hellwach. "Bist du dir sicher?" Er nickte. Sie wollte noch etwas erwidern, als sie Schritte über ihr vernahm. Sofort war Mel stocksteif vor Angst. Sie musste an Laurie denken, die noch immer oben in ihrem Bett lag. Wieder hörte Melody den Holzboden knarzen. "Er wird sie umbringen", flüsterte ich Kai zu. "Wir können sie nicht mit ihm alleine lassen. Wir müssen ihnen helfen. Scheiß auf den Plan. Der Plan ist scheiße. Es war eine doofe Idee uns überhaupt erst zu trennen. Gemeinsam hätten wir eine viel bessere Chance", sprudelte es aus ihr heraus. Je länger Mel darüber nachdachte, desto wütender wurde sie auf sich diesem bescheuerten Plan überhaupt erst zugestimmt zu haben. "Verdammt, du hast Recht", zischte Kai gepresst. "Wir gehen rauf." Er nahm Mels Hand und sie schlichen leise zur Tür und entfernten den Stuhl. Sachte drückte Kai die Klinke hinunter, bevor er verharrte ind angespannt lauschte. Es war nichts zu hören. Gerade als sie einen Schritt nach draußen wagen wollten, krachte es plötzlich im Obergeschoss und sie konnten Geschrei vernehmen. Melody gefror das Blut in den Adern. "Wir müssen sofort hoch!", sagte Melody leise und zog Kai hinter ihr her. Adrenalin schoss durch ihren Körper und sie konnte an nichts anderes mehr denken als den dreien zu helfen. Sie hörten Getrampel über ihnen, als würde jemand kämpfen und Melody konnte Jacks Stimme ausmachen. "Lauf Francis. Schnell, lauf!" Sofort sprinteten sie hoch, als ihnen Francis auf halber Strecke entgegenkam. Ihr Gesicht war bleich und ihre Augen weit aufgerissen. "Es ist... er ist aus dem Bad- meinte er müsse etwas nachsehen- und dann ist er- und plötzlich", stammelte sie verwirrt. "Bleib du mit ihr unten, ich geh hoch und seh was los ist." "Wer ist es Francis? Kennen wir ihn? Wie schaut er aus? Oder ist es eine Frau?", drängte Mel Francis. Als diese nicht reagierte, schüttelte Melody ihre Freundin an den Schultern und fragte erneut. "Es ... es ist Matt." Im gleichen Moment wie Francis antwortete konnten sie oben plötzlich ein lautes Krachen hören. Ängstlich blickte Mel hoch. "Ich muss da nach oben und helfen! Hör mir zu, du rennst alleine ins Dorf, das fällt weniger auf. Renn so schnell du kannst und verständige sofort die Polizei. Hast du mich verstanden?", wieder rüttelte Mel Francis. "Hast du das kapiert!!", rief sie erneut. Langsam nickte ihre beste Freundin und es war als würde sie wieder zu sich kommen. Erneut und mit Entschlossenheit nickte Francis. "Los! Geh!", zischte Mel und Francis wandte sich ab und rannte los. Kaum war Francis weg, bereute sie es dageblieben zu sein. Mit wackeligen Knien ging sie die Treppen hoch. Kais Zimmer war offen und sie konnte Kampfgeräusche vernehmen. Gerade als Melody eintreten wollte, hörte sie ein Stöhnen aus dem Badezimmer. Verwundert drehte sie sich um und lief ins Bad und keuchte erschrocken auf. Jack saß an die Badewanne gelehnt am Boden und presste seine Hände auf seine Schulter. Blut quoll zwischen seinen Händen hervor und rannte in Strömen an ihn herab. Sofort musste sie an Laurie denken. Wie Melody sie blutverschmiert im Bett gefunden hatte. Galle stieg ihrem Rachen hoch, als sie sich zurückerinnerte. Ein weiteres Ächzen Jacks riss sie aus ihren grausamen Gedanken und sie überlegte fieberhaft was zu tun war. Sie stürzte zum Kästchen über dem Waschbecken und suchte nach einer Nagelschere, sobald sie eine gefunden hatte lief sie zu Jack und ging neben ihm in die Knie. "Ich bins Mel. Es wird alles gut", flüsterte sie ihm zu und fing an sein T-Shirt zu zerschneiden. Sie schnitt es so durch, dass er seine Schulter nicht bewegen musste als sie ihm den Fetzen runter zog. "Du musst jetzt kurz die Hand wegnehmen okay? Nur ganz kurz." Als er nicht reagierte nahm sie vorsichtig seine Hand von seiner Schulter und lehnte ih vor. Schmerzvoll zischte er auf und verzog das Gesicht. "Es tut mir leid, es tut mir so leid. Aber du musst jetzt kurz tapfer sein", sagte sie und merkte wie ihr die Tränen über die Wangen kullerten. Eng band sie das T-Shirt um seine Schulter und knotete es fest. Mel hoffte, das ihr provisorischer Verband das meiste Blut zurückhalten würde und wischte sich erschöpft über das Gesicht, zu spät merkte sie, dass ihre Hände voller Blut waren. Doch das war jetzt nebensächlich. "Okay Jack, jetzt wirds kurz anstrengend. Du musst aufstehen, damit wir die Treppe runter können okay?" Er grummelte irgendetwas und nickte knapp. Mit ihrer Hilfe richtete er sich auf und sie liefen die Treppen runter. Doch sie war zu hektisch und passte nicht auf, sie übersah die letzte Stufe und fiel hart auf den Boden. Ein stechender Schmerz schoss in ihren Knöchel und sie schrie kurz auf. "Mel, was ist?", fragte Jack und lehnte sich erschöpft gegen die Wand. "Mein Knöchel", antwortete sie zwischen zusammengebissenen Zähnen. Mühsam rappelte Melody sich auf und testete ihren rechten Knöchel, doch sobald sie ihn auch nur leicht belastete, wurde der Schmerz jedoch unerträglich. Sie schluckte krampfhaft und humpelte mit Jack in die Speisekammer. Sie drückte ihm den Schlüssel in die Hand und drängte ihn in den kleinen Raum. "Schließ dich hier ein und geh nicht raus bevor wir nicht da sind!" "Aber ich muss euch doch helfen!", protestierte ihr Kumpel. "Du bist verletzt!" "Du doch auch!" "Ich werde mich auch verstecken, aber hier passen nicht mehr rein. Und jetzt schließ dich ein!", sagte sie herrisch und schloss die Tür zwischen ihnen. Sobald Melody hörte wie er die Tür schloss, humpelte sie weiter ins Arbeitszimmer wo Mel hinter dem Bücherregal zusammensackte.
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Silent Rhapsody
Mystery / ThrillerMelody und ihre Freunde wollen nichts weiter als ein paar Tage fern von Schule, Stress und Familie zu verbringen. Lauries Tante hat ihnen dazu freundlicherweise ihr pittoreskes Ferienhaus nicht fern von dem kleinen Dorf Meansville bereitgestellt. D...