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BONUS - Die Sünden der Väter - 3

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„Monster sollten ihren Platz kennen."

Die Worte des Odin waren kaum verklungen, als der Moloch wild zu zucken begann und seine massiven Schultern rollte. Das Monstrum brüllte auf und unter einer Fontäne aus Blut, erhob sich ein gezackter Knochendorn aus dem Fleisch der Bestie, dick wie eine Kriegsramme. Es war ein groteskes und verzerrtes Ding, doch die Ähnlichkeit zu dem Horn des Sauron war nicht zu übersehen.

Diesmal hob der Odin beide Augenbrauen. „Interessant."

„Das sieht nicht gut aus", stammelte Hagen. „Amadeus, vielleicht—"

Der Moloch brüllte seinen Hass und Hunger in die Welt, warf sich herum und stürmte auf das Glas zu. Seine Tentakel peitschten vor sich her, hielten sich an jedem auch noch so kleinem Vorsprung fest, um ihm zusätzlichen Schwung zu verschaffen. Hagen und der Rest seines Teams stolperten zurück. Es war eine Sache zu wissen, dass das Glas vor ihnen den Beschuss einer Panzerfaust ohne Schaden überstehen würde. Doch es war eine ganz andere, mehr als zehn Tonnen Muskeln auf sich zurasen zu sehen, die einen knöchernen Rammbock vorantrieben. Nur der Odin blieb, wo er war. Gelassen und Unbekümmert, seine Hände hinter dem Rücken verschränkt. Doch auch er schwankte, als der Moloch gegen das Glas schmetterte.

Hagen blinzelte. „Mein Gott ..."

Ein langer Sprung hatte sich am Observationsfenster aufgetan, deutlich sogar gegen das Blut, das die Scheibe beschmierte. Der Moloch schüttelte sich, sah sein Werk und brüllte in Triumph. Seine Tentakel peitschten, krallten sich in den Boden und er warf sich herum, um erneut Anlauf zu nehmen.

Der Odin schritt zum Glas und ließ seine Finger über den Sprung wandern. „Faszinierend."

Hagen eilte zu ihm, hätte ihn fast am Arm gepackt und mit sich gezogen, doch hielt im letzten Moment inne. „Amadeus! Ich denke, wir sollten—"

Hagen brach ab, als der Moloch sich herumwarf und erneut auf sie zustürmte. Der Anblick war seltsam hypnotisch, hielt einen Tropfen der Unendlichkeit in sich. Der schlaksige Wissenschaftler hatte das Gefühl, aus großer Höhe zu fallen, und es gab nichts, was er tun konnte, um diesen Fall abzubrechen. Die Erkenntnis brachte einen seltsamen Frieden mit sich. Das erste Mal in Jahren richtete er sich auf und streckte seine Schultern durch. Dann atmete er tief ein und aus und beobachtete, wie der Grund unaufhaltsam auf ihn zuraste.

Der Odin packte Hagen an der Schulter und zerrte ihn fort, der Griff seiner knochigen Finger bemerkenswert stark. Sie hatten noch keine fünf Schritte geschafft, bevor der Moloch gegen das Glas hämmerte und der Sprung sich in ein großes Netz verwandelte. Doch es hielt – für den Moment.

„Das kommt davon, wenn man seine Haustiere zu gut füttert", sagte Gruber, als er Hagen wegzerrte. „Es ist zwar bedauerlich, aber ich denke wir benötigen Reset. Heinrich? ... Heinrich!"

Knöcherne Finger gruben sich in Hagens Oberarm und der scharfe Schmerz brachte ihn wieder in das Hier und Jetzt. Er riss den Blick vom Moloch, nickte und rief seinem Team zu, „Reset. Macht Reset bereit!"

Der Moloch warf sich erneut gegen das Glas und ein einzelner Splitter, kaum größer als eine Träne, schoss durch den Raum und hüpfte über den Boden. Der Anblick war mehr als genug, um seine Wissenschaftler anzuspornen. Sie arbeiteten schnell wie die Profis, die sie waren, doch Panik stand ihnen in den Augen, zeigte sich in ihren schwitzenden Gesichtern, ließ ihre Finger zittern, sie Fehler machen. Es war eine Sache, den Gräueltaten von der Sicherheit ihres Labors zuzusehen, eine andere, selbst in Lebensgefahr zu schweben.

Der Moloch schmetterte erneut gegen den Glasstahl und ein Schauer aus Splittern pfefferte den Raum, als sich die Scheibe in einer großen Beule wölbte. Das Observationsfenster hatte die Eigenschaften von normalem Sicherheitsglas, selbst gebrochen und gesplittert würde es den Moloch aufhalten – wie lange, das wusste Gott alleine.

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