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Hier sitze ich wieder. Hier, an meinem großen Fenster über dem Bett.
Und ich schaue nach draußen. In den dunklen, mit Wolken bedeckten Himmel. Langsam kommt der Mond hinter den Wolken hervor und lässt einen Lichtstrahl in mein Zimmer fallen.
Einen Lichtstrahl, der so kalt ist wie Eis, aber auch so hell wie die Sonne.
Ich ziehe die weiche Decke enger um mich herum und öffne das Fenster.
Der Wind umspielt mein Gesicht und ich bekomme eine Gänsehaut.
Der große, nahe, aber auch gleichzeitig so kleine und weit entfernte Vollmond ist nun ganz aus den Wolken aufgetaucht und erhellt mein Zimmer.
Der dichte Nebel hat die ganze Stadt komplett verschluckt und alles, was ich sehe ist ein schwarzer Himmel mit einem weißen Mond mittendrin.
Ich habe das Gefühl, der Mond scheint nur für mich. Als würden wir uns kennen. Als wären wir so vertraut, wie niemand anderes jemals mit jemandem vertraut gewesen ist.
Und dann beginnt es zu schneien. Der weiße, glitzernde, eiskalte Schnee fällt langsam und in dicken Flocken auf mein Fenster, auf mein Dach und auf die ganze Stadt hinunter.
Alles ist so friedlich und still.
Es fühlt sich so an, als ob der Schnee, die Kälte und der Mond die ganze Welt einhüllen.
Und ich wünsche mir, der Moment geht nie vorbei.
An meinem Fenster bilden sich Eisblumen.
Und tief in mir weiß ich, dass ich in Nächten wie diesen mit dem Mond kommuniziere. Ich spreche nicht mit meinem Mund, sondern mit meinen Gedanken. Und der Mond antwortet mir.
So ist es in jeder Vollmondnacht seit ich sieben Jahre alt bin.
Seit ich den wichtigsten Menschen in meinem Leben verloren habe.
Seit meine wundervolle Mutter an einer hässlichen Krankheit gestorben ist.
Und der Mond ist meine Art mit ihr zu reden. So, als wäre sie noch da.
Als wäre sie noch am Leben.
Als hätte der Krebs sie nicht umgebracht.

talking to the moonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt