Kapitel 4

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Kyungsoo POV:

Nachdem ich eher unerwartet auf einen der Idioten von gestern gestoßen bin, versuchte ich ihm den ganzen Tag über aus dem Weg zu gehen, oder bestenfalls zu ignorieren. In der Pause hatte ich mich wie abgemacht mit Minseok getroffen, wobei ich ihm von Jongin erzählt hatte. Ich hatte das Gefühl in Minseok tatsächlich einen neuen Freund gefunden zu haben. Auch wenn ich anfangs noch nichts so begeistert von ihm war, musste ich doch zugeben, dass ich ohne ihn wohl geliefert währe. Er war die Person an der ich mich festhalten konnte, hier in der mir unbekannten Stadt… Und dafür war ich ihm dankbar, denn ich wusste, dass ich es hier sonst nicht ausgehalten hätte… Momentan saßen wir gemeinsam in einem von ihm vorgeschlagenen Cafe in der Nähe der Schule und unterhielten uns. Nun ja… Beschweren passte um ehrlich zu sein viel eher, da der Braunhaarigen sich von mir über mein Leid voll quatschen ließ.

„Gott! Dieser Kerl ist der reinste Horror. Immer rennt der mir hinterher und brabbelt mich voll. Den ganzen Schultag über! Dann musste mich Herr Namgung auch noch die ganzen zwei Stunden über mit diesem hohlen Vollidioten im Nebenraum rum sitzen lassen um Koreanisch zu lernen! Ich spüre seinen nervenden Blick immer noch in meinem Nacken!“, grollte ich mein Kopf schlaff auf dem Cafetisch ablegend und meine beiden Hände schützend über meinen Nacken legend. Lustlos sah ich auf meine bereits kalte heiße Schokolade.

„Du übertreibst doch nur. Ich kenne diesen Jongin zwar nicht, aber er scheint doch ein netter Kerl zu sein. Er wollte dir bestimmt nur helfen dich in der neuen Klasse einzuleben.“, erwiderte Minseok schmunzelnd, während er sich meinen Becher schnappte und denn letzten Rest einfach hinunterkippte. Schnaufend betrachtete ich den nun leeren, pfefferminzfarbenen Keramikbecher, welchen Minseok wieder vor mich gestellt hatte. „Na komm schon. Vielleicht will er sich wirklich nur mit dir anfreunden. Gib ihm doch eine Chance.“, brachte er nun hervor und lehnte sich wieder in die pastellgrünen Lederpolster der Sitzbank.

Eher unüberzeugt über diese Bemerkung verzog ich mein Gesicht zu einer sauren Mine, als mir wieder diese komische Situation am gestrigen Abend in die Sinne kam. „Wohl eher nicht... Du hättest ihn gestern Abend erleben sollen, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Das war wohl das Schlimmste was mir je passiert ist, der Umzug hierher ausgeschlossen.“, grummelte ich und schloss eher entkräftet meine Augen. Schnaufend legte ich meinen Kopf, der bis jetzt auf der kalten, cremefarbenen Tischplatte lag auf meine beiden Arme, die ich ebenso auf dem Tisch verschränkt hatte. Ich war so fertig. So kaputt, das ich mir schon meine totenbleiche Leiche in einem Sarg vor meinem inneren Auge vorstellte. Augenblicklich verkrampfte ich mich, was Minseok wohl auch bemerkt hatte, da er seufzend seine rechte Hand auf meinen rotbraunen Schopf legte und mir beruhigend durch die Haare stricht. Gott hatte ich so was vermisst… Momentan gab es selbst von meiner Mutter nur liebevoll zubereitetes Essen, was aber wohl eher an meinen Vater gerichtet war. Die letzte Umarmung die ich von ihr bekommen habe lag schon einige Wochen, oder vielleicht sogar ein Monat zurück.

„Mensch Kyungsoo… wir kennen uns zwar erst seit heute, aber ich bin mir ziemlich sicher das du sonst nicht so aussiehst… Du bist so verdammt blass und hast echt krasse Augenringe. Ist dir das eigentlich schon aufgefallen?“, murmelte der Ältere mit Sorge in der Stimme, wobei ich kurz danach seine warme Hand auf meinem Arm spürte. Statt meinen Kopf zu kraulen versuchte er mich mit sanftem Streicheln an jenem Arm zu beruhigen. Es war nur ein Tag. Ein Tag den wir beide zusammen verbracht hatten und doch waren wir nun schon wie ein Herz und eine Seele. Wir verstanden uns so verdammt gut. Er tat mir gut. In der zweiten Pause, in der wir zusammen auf dem Schuldach saßen, hatte er mir etwas von seiner früheren Heimatstadt erzählt. Berlin. Dieser Augenblick war für mich ein richtig krasser Aha-Moment, da ich mich schon die ganze Zeit gefragt hatte, woher sein Akzent wohl kam. Er erzählte mir viele Geschichten die mich für eine begrenzte Zeit vergessen ließen. Unbeschwert in mein neues und bitteres Leben hinein leben ließen.

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