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Ich wollte das Klopfen ignorieren, mich vollkommen und ausschließlich auf das Schreiben konzentrieren. Doch das Klopfen hörte nicht auf, wurde immer lauter und lauter, bis ich es schlussendlich nicht mehr ausblenden konnte. Genervt legte ich mein Notizbuch auf mein Bett, ließ meinen Stift lieblos auf meine Bettdecke fallen. Ich stand auf und ging langsam auf die Tür zu, um diese mit einem genervten Augendreher zu öffnen. Mein Blick fiel sofort in seine ozeanblauen Augen, doch sie gehörten dem Falschen. Kupferfarbenes, unordentliches Haar, blasse Haut, Hoodie, und zu große Jeans. Ed war schon immer eine außergewöhnliche Erscheinung, und doch war er einer der wichtigsten Menschen meines Lebens. Ohne ein Wort zu sagen umarmte er mich kurz, bevor er, als wäre es selbstverständlich, in mein Zimmer kam und sich in mein Bett lag. Er nahm mein Notizbuch und fing an zu lesen. Wortlos und in den Worten, die mir auf der Seele lagen, gefangen, legte er eine Packung Chips neben sich, wie automatisch klopfte seine Hand auf den Platz neben sich und gab mir zu verstehen, dass ich mich neben ihn setzten sollte. Ich wusste er würde mich nicht verurteilen, wusste er würde mich verstehen. Ich ließ mich neben ihn fallen. Mein Blick wanderte durch das ansonsten leere Zimmer, meine Gedanken drohten mich in die Tiefe zu ziehen. Ich versuchte gegen sie anzukämpfen, es zerrte an meiner ohnehin schon stark angeschlagen Kraft. In meinem Kopf hörte ich leise Stimmen, die versuchten mir weis zu machen, ich sei wertlos und dumm. Edward spürte mein Unbehagen, es war als hätten wir eine unerklärliche, innerliche Verbindung, denn er legte seinen Arm sanft um meine Schultern, zog mich in eine Umarmung. Zeile für Zeile flogen seine Augen über das Papier, kleine Tränen bildeten sich in seinen ozeanblauen Augen. Ich blickte erneut in ihnen, hoffte in dem Blau ertrinken zu können. „Du weißt, dass das nicht stimmt, du weißt, dass du kein schlechter Mensch bist, nicht wahr?", fragte mich mein bester Freund besorgt als er mit dem Lesen fertig war. „Denn Harry du bist kein schlechter Mensch, du bist einer der liebenswertesten, tollsten, nettesten Menschen, die ich kenne. Du bist wundervoll. Du bist stark. Du bist einzigartig und ja, du magst diesen Jungen grundlos fertig gemacht haben, aber dieser Junge von früher ist gestorben. Mit ihm", ich schluchzte leise gegen seine Brust. Meine Maske bröckelte, der gebrochene, traurige Junge drohte zum Vorschein zu kommen. Der Junge aus meinen Geschichten, Gedichten, Erzählungen, den ich ansonsten so gut versteckte. Der Junge aus den Liedern, die ich gelegentlich schrieb, schien sich seinen Weg in die Freiheit, raus aus seinem goldenen Käfig zu bahnen. Und das schlimmste war: Langsam war es mir egal. Doch gleichzeitig wusste ich auch, wenn die Maske sich endgültig auflöste würde ich erneut alle verlieren. Oder vielleicht auch nicht? Ich würde es nicht riskieren, würde eher sterben, in dem Ozean meiner Gefühle ertränken ehe ich mein „wahres" ich zeigte. Die Gelichgültigkeit war ein gefährliches Spiel, ein Spiel, das man nicht gewinnen konnte. „Harry hör zu: Du bist kein Arsch, es war nicht deine Schuld. Ich weiß, ich weiß ich sollte deine Freunde mögen, aber wäre Liam nicht so ein verdammtes Arschloch zu ihnen gewesen, hättest du sie anders behandelt. Du hast nicht aus Hass, oder Missgunst, sondern aus Angst gehandelt. Angst ist ein komplett anderes Motiv, ein anderer Hintergrund. Harry, du bist nicht wie sie. Du bist anders, du bist besonders. Du fühlst mit einer solchen Intensität, die ich bei niemand anderen je gesehen habe. Du bist im Stande zu lieben, und doch versteckst du deine wahren Gefühle hinter einer eisernen Maske. Du bist anders als deine Freunde, du bist anders als Liam, als Niall, als Shawn. Doch anders ist nicht automatisch schlecht. Eher das komplette Gegenteil", redete Ed auf mich ein, „und ich werde nicht aufhören dir das zu erzählen bis du es glaubst. Wo ist eigentlich Liam? Warum ist er nicht bei dir?" Dieselbe Frage beschäftigte mich auch, doch ich wagte nie genauer darüber nachzudenken, aus Angst das Gefühl der Wertlosigkeit würde zurückkehren. Ich zuckte mit meinen Schultern, schmiegte mein Gesicht an seine Brust und murmelte kaum hörbar „Ich brauche ihn im Prinzip nicht, für was habe ich den aller besten Freund der Welt? Wie sieht es eigentlich mit deinem Song aus?", fragte ich um vom Thema abzulenken. „Gut, gut willst du mal hören?", er lächelte mich an, seine Augen strahlten. Edward war ein äußerst talentierter Musiker, der nur selten ohne seine Gitarre anzutreffen war. Er wusste, dass ich für ihn eine Gitarre in meinem Zimmer aufbewahrte, weshalb er seine alte, abgenutzte Akustikgitarre bei sich ließ, wenn immer er zu mir kam. Wie automatisch stand er auf, was zur Folge hatte, dass mein Körper wie ein Sack Kartoffeln auf mein Bett fiel, wo ich auch verweilte als er die Gitarre hinter meinen Hemden hervorholte. Als er sie schließlich aus ihrem Käfig befreit hatte setzte er sich auf einen Stuhl gegenüber mir hin und stimmte die Gitarre mit einer solchen Liebe, wie man sie sonst nur von Müttern, die ihr Kind umsorgte, kannte. Er fing an zu spielen, wobei man bei der Art wie er die Saiten berührte, wohl eher davon sprechen konnte, diese zu liebkosen. „White lips, pale face, breathing in snow flakes", er schloss seine Augen, ließ sich fallen, „burnt lips, sour taste light's gone out, day's end, struggling to pay rent, long nights strange men", sein Kopf bewegte sich sanft im Takt. Eine Strähne seines kupferfarbenen Haares löste sich, und hing ihm einsam und verlassen ins Gesicht. „And they say she's stuck in the class A Team, she's stuck in her daydream been this way since eighteen but lately her face seems slowly sinking, wasting, crumbling like pastries", der Ginger war wie in einer Art Trance, gefangen in seiner eigenen Welt, in seiner eigenen Welt, fern von der grausamen Realität in der wir leben. Das Lied hatte etwas beruhigendes, doch hörte man genauer hin erkannte man das ernste Thema hinter dem Song. Es war wie im Leben: Zu erst schien alles perfekt, gut, als wäre alles okay, doch wenn man genauer hinsah, es wagte seine aufzupassen wandelte sich das Bild schnell. Als er fertig war rannte eine einzelne Träne seine blasse Wange hinab. „Ich habe es für meine Freundin geschrieben. Überdosis", sagte er, als er meinen fragenden Blick bemerkte. „Wir haben alle unsere Laster zu tragen, das wichtige ist wie wir mit ihnen umgehen. Ich lebe mein Leben für uns beide, ich möchte sie stolz machen. Wir mögen jung gewesen sein, doch eins kann ich dir sagen: ich habe sie geliebt. Mein Herz schreit noch immer ihren Namen, wenn die Dunkelheit mich umhüllt und die Bilder zurückkehren. Ich hätte besser auf sie aufpassen sollen, ich hätte sie beschützen müssen, doch ich konnte nicht. Wir waren jung, wir waren naiv", ein Schluchzen entlief seinen blass rosa Lippen, „ich denke jeden Tag an sie. Celeste, ihr Name ist wie sie, wunderschön und einzigartig", wenn man ihn so reden hörte konnte man denken er wäre ein waiser, alter Mann, doch mein Gegenüber war gerade einmal neunzehn Jahre alt. Ich kannte Celeste, ich wusste von ihrem Schicksal, konnte mich sehr gut an die kalte Dezembernacht erinnern als er um zwei Uhr morgens vor meiner Tür stand, heulend. Wir verbrachten die restliche Zeit uns mit alten Geschichten abzulenken, alles um der Dunkelheit zu entkommen und schliefen eventuell Arm in Arm in meinem Bett ein.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Mar 18, 2019 ⏰

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Moonshine and Sunlight [Larry AU]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt