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"Ein Vampir wird vor dem heiligen Zeichen des Sigmar zurückweichen. Auch reflektiert sich sein Antlitz nicht in Spiegeln oder im Wasser. Er meidet die Hitze des Feuers und versteckt sich vor der Sonne. Er wird nur selten seinen Mund öffnen, um vor Fremden zu sprechen oder zu speisen. An diesen Zeichen sollst du einen Vampir erkennen."
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Den gesamten Tag über beobachtete ich die wenigen Zurückgebliebenen, wie sie Vorräte packten und versuchten so viel wie möglich in handliche Taschen zu räumen.
Die Stimmung war betrübt und zusätzlich dazu schaffte es die Sonne kaum hervor, sodass ein düsterer Schleier über dem Hof hing.
Ich selbst konnte leider nur wenig helfen.
Nach Raswans und meiner langen Nacht war ich wund, sodass das Laufen wehtat und mein Rücken schmerzte, dank der beiden Kleinen, die von Tag zu Tag schwerer zu werden schienen.
Gestern Nacht, nachdem wir beide so erschöpft waren, dass ich an seine Brust gelehnt beinahe einschlief, hatte er mich gefragt, ob ich mir schon Namen überlegt hatte.
Da wir Tyrak auch erst nach der Geburt benannt haben, hatte ich tatsächlich noch keine Idee.
Über die Frage waren wir auf unserer Familien gekommen und haben Gespräche geführt, die eigentlich vor der Hochzeit geführt wurden.
Doch für Raswan oder mich war nie von Belangen, wie unsere Großeltern hießen, was unsere Eltern arbeiteten oder wieviele Geschwister wir hatten.
Unsere gemeinsame Familie war das Rudel und deshalb hatte nie einer den anderen gefragt.
Doch jetzt waren wir unserer angenommenen Familie beraubt und alles was uns blieb, war die Familie, in die wir geboren wurden.
„Wieso bist du damals gegangen?", hatte ich ihn gefragt, da ich mir kein Leben ohne ihn als Wolf vorstellen konnte.
„Ich habe mich eingeengt gefühlt. Vater und das gesamte Dorf haben meine Brüder und mich betrachtet wie Trophäen und das habe ich nicht mehr ausgehalten. Ich wollte nicht einer seiner Söhne sein, ich wollte ich sein. Mit einem meiner älteren Brüder bin ich damals nach Xeru, wo wir in unsere Kampfausbildung gingen. Als es dann zu diesem schrecklichen Kampf kam, wurde ich schwer verwundet, mein Bruder starb. Ich dankte den Göttern, als sie mir Soujim schickten, denn ich hatte niemanden dort draußen."
Ich wollte ihn nach den anderen Kriegern aus Xeru fragen, doch der Schmerz in seinem Blick ließ mich stoppen.
Es gab Dinge in Raswans Vergangenheit, die ich nicht kannte und vielleicht niemals erfahren würde und das musste ich akzeptieren, egal wie neugierig ich war.
Wenn etwas und das war es sehr wahrscheinlich, damals vorgefallen ist, dass die Krieger aus Xeru ihm nicht geholfen hatten, dann war es seine Entscheidung ob er mir davon erzählen wollte oder nicht.
„Hattest du niemals Angst, als du erfahren hast, dass sie Wölfe sind?", hatte ich daher gefragt und hatte auch lange auf eine Antwort warten müssen.
„Ich kann es dir nicht wirklich beantworten, es war so, als hätte ich schon immer gewusst, dass ich zu ihnen gehöre. Es war keine Angst, eher Respekt, der mich jedoch gestärkt und nicht geschwächt hat. Ich habe schnell begriffen worum es bei ihnen ging, was es bedeutet Teil eines Rudels zu sein, eine wahrhaftige Familie zu haben. Als sich meine Wunde dann entzündete und drohte mich zu töten, bat ich sie mich zu verwandeln."
Raswan war wirklich ein Wolf, man könnte meinen ein Geborener, wüsste man nicht, dass dem nicht so war.
Das Gespräch hatte mich traurig gestimmt, da ich an Sulay und die vielen anderen Rudelmitglieder denken musste, die wir verloren hatten. Eirik war ein Monster und er musste dafür bezahlen.
Stumm betete ich zu den Göttern, dass diese Monster, die den See bewachten, uns helfen würden ein anderes Monster zu erlegen. Ich hoffte auch einfach, dass dieser See existierte.

Meine Gebete wurden von der steigenden Unruhe der Wölfe unterbrochen und ich beschloss lieber Raswan, dessen Anspannung in mir widerhallte, zu beruhigen, anstatt weiter an Götter zu beten, die mich eh nicht hörten, beziehungsweise mich nicht hören wollten.
Meine Beine trugen mich zu ihm, während er gedankenverloren über den Hof blickte.
Er war menschenleer, nicht mal Kinder tobten über den sandigen Boden.
Raswan trug wie sehr oft nur eine Hose, leichter Schweiß, vom vorherigen Training glänzte auf seiner tätowierten und narbigen Haut, die von der Sonne stark gebräunt wurde.
Er trainierte viel, um seine Kräfte und vor allem seinen Wolf wieder vollends unter Kontrolle zu bekommen.
Dennoch bemerkte ich das Zucken seiner rechten Hand und die häufig wechselnden Augen.
Das Tier lag direkt unter der Haut und war schon langen nicht mehr so kurz davor ihn zu überwältigen, wie momentan. Ich wusste, dass es gefährlich war ihm nahe zu sein, doch ich verzehrte mich nach ihm.
Seit unserer letzten gemeinsamen Nacht war das Verlangen nur weiter gestiegen und Lucius in den Hintergrund gerückt.
Es war mein Mann, der mich zittern und mein Herz schneller schlagen ließ. Ich war mir beinahe komplett sicher, aber eben nur beinahe und so lange würde ich schweigen und ihn nicht mit einer womöglich falschen Hoffnung belasten.
„Wie geht es dir?", riss mich seine Frage aus meinen Gedanken.
Seine Stimme war sanft und verlangte nicht nach einer sofortigen Antwort, was mir etwas von meiner eigenen Anspannung nahm, die mich schon seit Tagen verfolgte.
„Ich bin so aufgeregt Raswan. Was wenn Lucius glaubt uns nicht allen helfen zu können? Oder wenn es diesen See nicht gibt? Du meintest ihr seid einen Tag und eine Nachte gelaufen. Wir haben Frauen und Kinder dabei, wie soll das funktionieren? Das alles macht mir Angst und ich zweifle an unserer Stärke", antwortete ich ehrlich, wofür ich ein Schmunzeln von ihm bekam.
„So ist das mit dem Tod, du weißt nie wen es trifft und wann er eintrifft. Doch nichts kann schlimmer sein als Eirik", erwiderte er. Ich nickte zustimmend und hoffte sofort, dass wir nicht von ihm gestoppt werden würden.
„Ich denke dein Freund wird bald erscheinen, die Sonne geht unter", sagte er plötzlich. Ich sah durch die dicken Wolken zu dem Ursprung des Lichtes und erkannte, dass er recht hatte.
„Lass uns zu Toran und Fraya gehen, sicherlich erwarten sie uns schon", entschied ich daher, bat Raswan allerdings noch sich etwas überzuziehen, was er grinsend bejahte.
Während er also zu unserem Zimmer ging, setzte ich mich an die Tafel, an der die Alphas schon saßen und reichlich Essen auftischen ließen.
„Die Schattenwesen essen nicht, doch ich denke er weiß eure Geste zu schätzen", machte ich sie darauf aufmerksam, als für eine fünfte Person gedeckt wurde.
„Natürlich", erwiderte Toran und winkte die Frau zurück.
„Wovon ernähren sie sich denn dann?", fragte Fraya fast schon angeekelt.
„Nun Alpha, ich denke das wollen sie gar nicht wissen." Lucius kalte Stimme zerschnitt den Raum und prompt sprang Toran von seinem Thron auf.
Lucius hatte ihn und auch Fraya sichtlich erschreckt, nur ich blieb einigermaßen ruhig, da ich sein plötzliches Auftreten doch schon langsam gewöhnt war.
„Ihr müsst der Meister sein", begann Toran und schien nicht so recht zu wissen, wie er ihn begrüßen sollte.
Er entschied sich schließlich für die Begrüßung einem Alpha gegenüber und neigte leicht den Kopf.
„Nennt mich bitte Lucius", sagte er und neigte kurz den Kopf für ein paar Zentimeter, sodass man es kaum sah.
„Mein Name ist Toran und das ist meine Frau Fraya. Verzeiht unsere Sprache", entschuldigte er sich und bot Lucius einen Platz an.
Dieser hatte sich jedoch schon mir zugewandt, allerdings musste ich meinen ganzen Kopf drehen um ihn sehen zu können, da er zu meiner Linken saß.
Als ich seinen tiefen Blick bemerkte, bereute ich sogleich zu ihm geguckt zu haben.
Neben mir ließ sich plötzlich auch Raswan nieder, der sofort besitzergreifend seine Hand auf mein Bein legte.
„Darf ich euch dennoch etwas anbieten?", fragte Toran und ließ uns Wein einschenken, den Lucius dankend ablehnte. „Nein, ich bin hier um euch anzuhören. Ich habe keine Zeit lange zu verweilen." Wo er wohl hin musste?
Der Gedanke, dass er gehen wollte verletzte mich, doch ich ließ es mir nicht anmerken und versuchte auch seinem eindringlichen Blick weiterhin auszuweichen.
„Vielen Dank erst mal, dass ihr erschienen seid. Es ist eine Ehre den Meister der Nacht kennenzulernen", sagte Toran und schien sehr nervös.
„Wir haben eine Bitte an dich und die anderen", sagte ich daher zur Unterstützung und spürte schmerzhaft wie sich Raswans Griff verstärkte.
Mit einem neutralen Blick, wie immer eigentlich, wand er sich wieder mir zu und bohrte seinen roten Augen in meine. Ich konnte so viel wie noch nie zuvor sehen und bekam eine Gänsehaut als seine Kälte mich plötzlich umhüllte.
Ich hatte sie lange nicht so intensiv gespürt, vor allem die letzte Nacht hatte mich Raswans Hitze gewärmt und mir jegliche Gedanken an Lucius ausgetrieben.
Raswans Wolf begann sich in mir aufzubäumen und fletschte die Zähne in Lucius Richtung, was dieser zu spüren schien, denn der Anflug eines zufriedenen Grinsens huschte über seine schmalen Lippen.
„Es wird mir eine Ehre sein, deinen Bedürfnissen nach zu kommen."
Ich hatte Lucius nie für provokant gehalten doch damit hatte er definitiv Raswans Wut geweckt.
Auch Toran schien verwirrt und sah hilfesuchend von mir zu Raswan und zu seiner Frau, die ebenfalls nur stumm lauschte.
„Wir müssen das Gelände verlassen, schnell und ohne gesehen zu werden", erwiderte ich, ohne auf seine Bemerkung genau einzugehen.
„Wie viele?", fragte er daraufhin, nahm jedoch keine Sekunde seine Augen von mir.
Ich fühlte mich ausgeliefert und schutzlos, als würde ich nackt vor ihm stehen und dennoch hielt mich die Kälte fest und geborgen. Es war der selbe Zwiespalt wie zuvor, nur dachte ich ihn überwunden zu haben, durch meine Nacht mit Raswan.
„Wir sind mehr als 40 Leute, darunter einige Kinder und Frauen", sagte nun Toran, der seine Stimme wiedergefunden hatte.
„Warum?" Lucius Stimme erzwang eine Antwort darauf, doch Toran bemühte sich sie zu umgehen.
„Wir müssen einen Ort aufsuchen", erklärte er und sah wieder kurz zu mir und Raswam.
Er war so schwach, musste ich mit bedauern erneut feststellen und verfluchte mich dafür verletzt und schwanger zu sein, denn sonst hätte ich darauf bestanden hier zu bleiben und zu kämpfen.
„Wenn ich meine Gefährten in Gefahr bringen muss ich das wissen, also sagt mir weshalb ihr von hier fort müsst, schnell und unsichtbar."
„Als ob ihr das nicht wüsstet!", knurrte plötzlich Raswan und hielt meinen Oberschenkel noch fester, sodass es wirklich wehtat.
Wieder huschte der Anschein eines Lächelns über Lucius Lippen, was mich beinahe selbst grinsen ließ.
„Ich muss mich entschuldigen Alpha. Meint ihr etwas als wir Vanja vor diesem grausamen Mann gerettet haben? Wegen ihm verlasst ihr das Gelände?"
Ich glaubte tatsächlich Raswan würde ihm gleich an die Kehle gehen, würde ich nichts machen. Sanft ergriff ich seine Hand, die mein Blut im Bein abdrückte und löste sie davon, um sie umschließen zu können.
Sofort begann sein Wolf zu schnurren und sich etwas zu beruhigen, doch der Mann in ihm sah seinen Stolz in Gefahr und war deshalb noch lange nicht beruhigt.
„Wir sind einem Krieg mit Eirik nicht gewachsen und wollen die restlichen Überlebenden von hier fortbringen, bevor wir alle abgeschlachtet werden."
Bei meinen Worten verschluckte sich Fraya an ihrem Wein und hustete stark.
„Wo sollen wir euch hinbringen Vanja?", fragte Lucius und schien plötzlich nachdenklich und besorgt.
Ich fühlte mich sofort zu ihm hingezogen und wollte nichts mehr, als in seinen Armen zu liegen.
Raswans sanftes Streicheln meines Beines riss mich aus diesem Gedanke und verstärkte die Unsicherheit meiner Gefühle den beiden Männern gegenüber.
„Wir müssen durch Dehons ehemaliges Gebiet an die Waldgrenze und noch weiter", erklärte Toran, da sonst keiner Anstalten machte Lucius zu antworten.
„Bis zur Waldgrenze können wir euch bringen, nicht weiter", erklärte Lucius und fixierte noch immer meine Augen. „Wieso?", fragte ich, da ich erfahren hatte wie es war von ihnen mitgenommen zu werden und wie schnell sie lange Strecken zurück legen konnten.
„Für den Weg brauchen wir vielleicht eine halbe Nacht und da wir zwei mal laufen müssen, da wir nicht alle von euch auf einmal nehmen können, ist die Nacht vorbei. Außerdem wird euch kein Schattenwesen und das offene Land folgen, auch ich nicht."
Ich war neugierig und wollte wissen wieso er uns nicht weiter bringen konnte.
Allerdings wurden meine Pläne ihn zu Fragen vereitelt, als Toran wieder sprach.
„Ihr erhaltet natürlich einen Ausgleich. Schwebt euch etwas bestimmtes vor Augen?"
Lucius lachte spöttisch, bevor er wieder diesen neutralen Blick drauf hatte.
„Das könnt ihr mir nicht geben!" antwortete er und musterte mich von oben bis unten.
„Seid vorsichtig wie ihr redet!", knurrte Raswan und knallte seine Faust auf den Tisch, sodass die Becher wackelten.
„Ihr braucht etwas von mir und meinen Gefährten, also solltet ihr mich nicht verstimmen", erwiderte Lucius entspannt. „Das war sicherlich nicht seine Absicht. Wenn euch etwas einfällt, dass wir euch erbringen können, dann lasst es mich wissen."
Toran schien mit Raswans Wut nicht richtig umgehen zu können und fürchtete tatsächlich, dass Lucius uns nicht helfen würde.
„Wann wollt ihr von hier fort?", fragte dieser, ohne weiter auf Raswan einzugehen und erhob sich, was wir ihm alle gleich taten.
„So schnell wie nur möglich, Eirik schickt schon Wölfe aus", antwortete dieses Mal Fraya, die sich immer noch ängstlich am Tisch festkrallte.
Lucius hatte tatsächlich eine Furcht erregende Ausstrahlung, die zusammen mit seiner eisigen Stimme manch einen erstarren ließ, während sie bei mir ein Kribbeln zwischen meinen Beinen entfachte.
„Morgen bei Sonnenuntergang werden wir hier sein, teilt euch in zwei Gruppen damit wir sofort starten können", erklärte er noch, bevor er sich zum Gehen wand.
„Vanja, begleitest du mich hinaus?" Ich sah kurz zu Raswan, der natürlich nicht sehr erfreut war, nickte dann jedoch und folgte ihm.
Als wir das Haus verlassen hatten empfing uns die Dunkelheit und schützte uns mit ihrem Mantel.
„Lass mich dich von hier wegbringen. Eirik ist ein grausamer Wolf, er wird nicht aufgeben, bis er dich getötet hat." Seine Worte überraschten mich nicht wirklich und dennoch hatte ich gehofft von ihm etwas ermutigendes zu hören.
„Keine Frage, Raswan wird sein Leben geben um dich zu schützen, aber", begann er wieder und ich ahnte worauf er hinaus wollte.
„Du denkst er wird es nicht schaffen", sagte ich deshalb und erhielt seine Zustimmung.
„Wieso bringst du uns nicht einfach bis zu unserem Ziel?"
Wir blieben am Waldrand stehen und mehrere Augen starrten aus den Schatten zu uns.
„Was ist denn euer Ziel ma belle?" Sanft ließ er seinen Handrücken über meine Wange streifen und malte mit einer seiner Krallen meine Lippe nach. Ein leichter brennender Schmerz verriet, dass er eine feine Linie durch meine Haut gemalt hatte.
Doch der Schmerz verwandelte sich sehr schnell in feurige Lust, als seine Augen sich leicht verdunkelten und die zarten Blutstropfen auf meinen Lippen fixierten.
„Du solltest mich schnell ablenken", raunte er und kam noch etwas Näher.
„Wir wollen zu de, silbernen See, der den Mond widerspiegelt", flüsterte ich außer Atem und presste die Beine leicht zusammen. Lucius stockte in der Bewegung und sah mich beinahe fassungslos an.
„Ihr werdet alle sterben wenn ihr dort hin geht, ich habe dich schon einmal gewarnt", sagte er und schüttelte bestürzt den Kopf.
„Wir haben keine andere Wahl." Entschuldigend trat ich einen Schritt zurück, denn die Anspannung wurde erdrückend. „Das Monster wird euch töten."
„Bis morgen Lucius", erwiderte ich und ging.
Er hatte vielleicht recht, doch wir mussten es versuchen.
Entweder sie oder Eirik würden uns ermorden.

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