Und wo wir hier über Liebe reden

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Und jetzt bin ich hier, in der Gegenwart, auf meinem Bett und raufe mir meine Haare.
Fluchtartig habe ich das Badezimmer verlassen, mich in mein Schlafzimmer geflüchtet und habe die vergangenen Tage wie einen Film vor meinem Auge abspielen lassen.
Wie kam es nur dazu, dass ich am Anfang der Woche nicht hier her wollte, es dann trotzdem getan hatte, auf Louis traf, den ich am liebsten umgebracht hätte und vor wenigen Minuten statt ihn zu hassen knutschend mit ihm im Badezimmer stehe?
Ich verstehe das nicht.

Ich greife nach meinem Handy, bin kurz davor Evan anzurufen.
Mein schlechtes Gewissen will mich dazu treiben, doch ich mache es nicht.
Ich lege mein Handy wieder neben mich und atme tief ein.

Eine Tür geht und Schritte sind zu hören.
Hoffentlich kommt Louis nicht zu mir ins Schlafzimmer.
Ich will ihn gerade nicht sehen.
Bei meinem Gefühlschaos traue ich mir gerade selbst nicht über den Weg.
Gespannt lausche ich den Schritten und als dann erneut eine Tür geht, bin ich erleichtert. Anscheinend ist Louis in sein Zimmer gegangen.
Zu Eleanor.
Die er betrogen hat.
Ich seufze.
Er hat es schon wieder getan.
Jemanden betrogen, den er liebt.
Gut, bei mir war es damals um einiges schlimmer.
Immerhin hat er da mit jemand anderen geschlafen, dennoch - er hat es erneut getan, auch wenn es diesmal nur ein Kuss war.
Aber jemand anderen zu küssen ist für mich auch Fremdgehen.

Irgendwie schaffe ich es zu schlafen.
Nicht viel, nur ein paar Stunden, aber immerhin.
Als ich wieder wach werde, merke ich einen Kater.
Mein Kopf tut weh und wieder verfluche ich die Menge Wein, die ich gestern getrunken habe.
Auch nach einer heißen Dusche geht es mir nicht sonderlich besser.
Vielleicht hilft ein Kaffee.

Leise schleiche ich die Treppe herunter, versuche zu lauschen, ob sich schon jemand in der Küche befindet, doch ich kann außer Geschirrklappern nichts hören.
Ich hoffe nicht das ich auf Louis treffe als in der Küche komme und anscheinend werden meine stillen Gebete erhört.
Lediglich Liam und Eleanor sind in dem Raum.
„Guten Morgen", kommt es heiser aus meinem Mund, was meinen besten Freund dazu veranlasst sich zu mir umzudrehen und mich anzulächeln.
„Kater?", will er wissen und ich nicke.
Grinsend drückt er mir einen Kaffee in die Hand, macht sich ebenfalls einen und setzt sich gemeinsam mit mir an den kleinen Küchentisch.
Genüsslich lasse ich die heiße Flüssigkeit meinen Hals herunter laufen.
Koffein hat schon immer gegen die Nachwehen des Alkohols geholfen.
Mein Blick schweift zu Eleanor und sofort läuft es mir eiskalt den Rücken herunter.
Voller Verachtung sieht sie mich an, will mich am liebsten mit ihrem Blick töten und sofort gehen meine Gedanken an den Kuss von letzter Nacht.
Ob Louis es ihr gesagt hat?
Natürlich hat er das.
So wie sie mich ansieht weiß sie bescheid.
Ich will gerade etwas sagen, als sie aufsteht und eilig aus dem Raum geht.

„Welche Laus ist ihr denn über die Leber gelaufen?", will mein bester Freund wissen und schaut Eleanor hinterher.
Soll ich Liam von dem Kuss erzählen?
Eigentlich erzähle ich ihm alles, aber irgendwie...irgendwie fühle ich mich nicht wohl dabei. Immerhin habe ich damit Evan betrogen und bin kein Deut besser als Louis.
„Alles okay?".
Ich hebe meinen Blick und treffe auf Liams Augen.
Er sieht mich besorgt an und merkt sofort, dass mich etwas beschäftigt.
Wir kennen uns einfach zu gut um irgendwelche Gefühlsregungen voreinander verstecken zu können.
Seufzend zucke ich mit den Schultern.
„Ich habe nur einen Kater", lüge ich und fühle mich noch schlechter als ohnehin schon.
Ich habe Liam noch nie angelogen.

Nach meinem Kaffee verstecke ich mich weiter im Schlafzimmer.
Auf keinen Fall will ich Louis begegnen und so liege ich in meinem Bett, habe meinen Laptop angeschmissen und schaue mir irgendeinen dummen Film darauf an.
Aus dem Erdgeschoss höre ich immer wieder Stimmengewirr, bis letztendlich eine Tür geht und es augenblicklich still ist.
Meine Hoffnung, dass ich jetzt alleine bin, wird zerschlagen als es an meiner Zimmertür klopft und diese gleich darauf geöffnet wird.

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