Clara streckt ihr Gesicht gen Himmel und genießt die wärmenden Strahlen der Mittagssonne auf ihrer Haut. Normalerweise würde sie zu dieser Uhrzeit in einem stickigen Klassenzimmer mit zwanzig weiteren Personen sitzen. Heute jedoch nicht. Heute entfällt der Mittagsunterricht.
Deshalb nutzt Clara die Gelegenheit und schlendert gemütlich durch die Straßen der Innenstadt. Ihr Ziel: die Bibliothek. Wenn Clara etwas mehr liebt als warme Frühlingstage, dann sind es Bücher.
Sie ist derart in ihre Gedanken vertieft, dass sie zuerst nichts von dem Tumult in fünfzig Meter Entfernung mitbekommt. Erst, als eine junge Frau mit ihrem Kind eilig direkt an ihr vorbei läuft - sie riecht das sündhaft teuere Perfüm - sieht sie auf. Ihr Blick ist starr nach vorne gericht. Dort auf der Straße neben der Bushaltestelle liegt ein regungsloser Körper. Eine rote Flüßigkeit direkt neben ihm.
Menschen schreien. Einige suchen schnellstmöglich das Weite. Andere stehen, so wie auch Clara, regungslos da. Manche von ihnen halten sogar ihr Handy in der Hand - filmen die ihnen dargebotene Szene.
Das Geräusch von heulenden Sirenen schallt laut durch die Luft. Langsam kehrt wieder Leben in Claras Glieder. Sie muss weg. Sofort.
Kaum hat sie diesen Gedanken ihren Beinen nahegebracht, wird sie unsanft angerempelt. Der Übeltäter: ein junger Mann, kaum älter als sie selbst. Sein Shirt ist blutbefleckt, das Gesicht gezeichnet von Zorn.
Clara versteht nicht, was gerade eben geschehen ist. Auch Anton braucht einen Moment, bis er begreift, was er soeben angerichtet hat.
Instiktiv fasst sich Clara an den Bauch. Ein Messer befindet sich darin. Ihre sonst so lebensfrohen Augen sind vor Entsetzen weit aufgrissen. Sie denkt nichts. Fühlt nichts.
Sie starrt den Mann ihr gegenüber an, direkt in seine eißigen, blauen Augen.
Die Sirenen werden lauter, doch Clara nimmt nichts mehr wahr. Ihre Sinne schwinden und schließlich verliert sie die Kontrolle über ihren Körper. Sie fällt.
Clara war zur falschen Zeit am falschen Ort.