3. Kapitel

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                              Sie

Ich nahm alles nur noch wie in Trance wahr. Leon hatte mich gerade geküsst! Geküsst!!!
Und dann hatte er mich stehen lassen. Wow... so hatte ich mir den romantischen ersten Kuss irgendwie nicht vorgestellt.
Ich verdrängte schnell den Gedanken, wie schön es in Wahrheit gewesen war und wie sehr ich mir wünschte, dass er es ernst meinte.
Kurz einkaufen war ich danach trotzdem noch, aber zu allem Überfluss hatte ich dann auch noch die Tomatensoße vergessen.
Tut mir leid Sophie, dass ich dich enttäuschen musste, aber ich steckte gerade in einen emotionalen Tief.
Als ich schließlich völlig aufgelöst bei Sophie zu Hause ankam, war ich ein Wrack und sie merkte ganz genau, dass ich ihre Hilfe brauchte. Ohne eine Sekunde des Zögerns schickte sie prompt alle Partygäste nach Hause. Sogar Mark, den sie zu meiner Verwunderung richtig aus der Tür schubste. Hatte bei den beiden anscheinend doch nicht so gefunkt.
Sophie war total lieb zu mir und sie sah mir direkt an, dass mir jetzt nach einem Kinoabend zumute war. So richtig mit traurigen Filmen und zehn Tonnen Taschentücher.
Sie bereitete alles vor, während ich in der verwüsteten Küche saß und einen Tee trank.
"Soll ich dir wirklich nicht helfen?", fragte ich leise, weil ich mich ein bisschen schlecht fühlte, dass ich ihr nicht half.
"Du fragst mich jetzt schon zum fünften Mal und meine Antwort ist immer noch Nein. Trink in Ruhe deinen Tee aus."
Sie fragte nicht was los war,denn sie wusste dass ich Zeit brauchte.
Dafür liebte ich sie umso mehr!
Als sie fertig war machten wir es uns im Wohnzimmer gemütlich, welches noch schlimmer verwüstet war als die Küche, aber darüber sahen wir einfach hinweg. Mit tausend Decken kuschelten wir uns auf das Sofa.
Als der Vorspann lief, schaute Sophie mich von der Seite an.
"Was ist?", fragte ich und drehte den Kopf in ihre Richtung.
Sie kniff die Augen zusammen und musterte mich weiter.
"Ich weiß zwar nicht welcher psychisch labile Hinterwäldler dir das angetan hat, aber ich verspreche dir: Sollte er jemals wieder so runter ziehen gehe ich persönlich zu ihm und ertränken ihn eigenhändig in den Punsch meiner Großmutter!" Sie schaute todernst und sagte: "Darauf kannst du Gift nehmen! "
Mir war eigentlich gar nicht danach zumute, aber ich musste über ihre Aussage schmunzeln.
Das Lustige daran war, dass Sophie das komplett ernst meinte und wir beide wussten, wie abgrundtief ekelhaft Oma Ingrids Punsch war!
Ohne Zweifel wäre das eine gerechte Strafe.
Ich dachte daran wie er nach dem Kuss anfing zu Grinsen, als wäre alles nur ein großer Witz. Ein Scherz, eine Art Mutprobe! Und ich habe nichts dagegen unternommen und mich einfach küssen lassen!
Ich hätte es besser wissen müssen.
Wieso sollte er mich auch küssen wollen?
Aber auch wenn, hätte er sich doch wenigstens verabschieden können. War das zuviel verlangt?
Oh man, ich sag ihn noch vor mir, wie er mich angrinste, als wäre ich die größte Lachnummer. Und dann lief er einfach weg!
War das im Märchen nicht mein Part? Cinderella, hallo?
Ohne konnte ich vielleicht nur nicht küssen...
Er war so unnahbar, auch wenn ich dachte wir wären jetzt... ja was eigentlich?
Freundschaft Plus? Zusammen? Ein Paar?
Es war ziemlich enttäuschend.
Ein Witz. Es war nichts weiter als ein riesengroßer Witz.
Ein Kuss mehr oder weniger, was machte das schon?
"Alles gut?"
Sophie sah mich besorgt an.
"Ja..."
Ich hatte schon genug Gedanken an ihn verschwendet!
"Ja, lass uns den Film starten."
Die Melodie von "My heart will go on" erfasste meine ramponierten Gehirnzellen und neben mir stellte Sophie gerade eine XXL-Box Taschentücher hin.
Ja, die konnte ich heute wirklich gut gebrauchen.
Das würde ein langer, trauriger Abend werden.

ich lass dich nicht los... Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt