Im letzten Kapitel ging es darum, wie ich gefallen bin. Jetzt geht es um's Aufstehen. Um's Weitermachen. Um's Leben.
Heute haben wir den 14.04.2019. 3 Jahre ist es jetzt her, dass sich eine glückliche, unbeschwerte 13-jährige in ein essgestörtes, seelisches Wrack verwandelt hat. 2 Jahre hat es gedauert, bis sich das seelische Wrack irgendwie wieder zusammengeflickt hat. Einen viermonatigen Tagesklinikaufenthalt und sehr viel Anstrengung und viele Tränen hat es gekostet, aber heute bin ich glücklich.
Ich glaube nicht daran, dass das Leben je auf Dauer perfekt sein kann. Es gibt immer Störfaktoren, die das hundertprozentige Glück zerstören und auch jetzt gibt es noch ein paar davon und meiner Meinung nach ist das auch total okay so. Aber falls es sowas wie vollkommenes Glück geben sollte bin ich momentan näher dran, als je zuvor. Bin näher dran, als ich es vor 3 Jahren je gedacht hätte.
Es hat gedauert, ja. Und es ist viel schlimmer geworden, bevor es besser geworden ist. Hinter mir liegt ein Weg, ein Weg, der größtenteils ziemlich holprig war und auf dem ich nicht gerade selten gestolpert und auf die Fresse geflogen bin, aber es hat sich gelohnt, denn ich bin angekommen. Vielleicht noch nicht am Ziel, denn wer weiß schon was jetzt genau das Ziel oder der Sinn der menschlichen Existenz ist, aber zumindest an einem Ort, an dem es weitaus schöner und sonniger ist als an dem, an dem ich mich vor 3 Jahren befand.
Das Leben kann schön sein. Ist schön, wenn man es lebt, und das tue ich gerade, glaube ich. Ich kann das Essen wieder genießen. Ich hab heute Nachmittag 2 Kinder Buenos gegessen, na und? Ich lebe noch und ich bin nicht aufgegangen wie ein Ballon, auch wenn ich danach kein Workout gemacht habe oder zum Klo gerannt bin, um das Essen auszukotzen. Ich habe es irgendwie geschafft, das früher so angeknackste Vertrauen meiner Eltern zurückzubekommen. Ich kann wieder Zeit mit meinen Freunden verbringen, ohne Panik vor der nächsten Mahlzeit zu haben. Ich habe eine Freundin, die mich unglaublich glücklich macht und weil es mir jetzt gut geht bin ich auch stark genug, um ihr beizustehen, wenn es ihr nicht gut geht.
Und vor allem habe ich es irgendwie geschafft, mich selbst so anzunehmen, wie ich bin. Ja, ich bin manchmal etwas aufgedreht und in anderen Momenten vielleicht ein wenig zu still. Ja, ich rede manchmal bevor ich denke und ja, ich heule ziemlich schnell los, weil ich einfach verdammt emotional bin. Und nein, meine Mitmenschen hassen mich deshalb nicht, weil jeder einzelne von uns seine Schwächen hat. Ich habe gelernt, mit meinen Schwächen zu leben, sie nicht zu verabscheuen, ich habe sogar Dinge gefunden, die ich an mir mag - Ich mag meine Augen. Ich mag meinen Humor, meine Sommersprossen, meine Haarfarbe.
Und ich tue etwas, was ich viel zu lange nicht getan habe - ich genieße das Leben. Ich sehe den Frühling mit den Augen eines kleinen Kindes und vielleicht ist es seltsam, sich mit 15 in dem Maße über ein Gänseblümchen zu freuen, in dem ich es tue, wahrscheinlich ist es das, aber das ist mir ehrlich gesagt herzlich egal, denn das Leben ist zu kurz und zu schön um die kleinen Dinge zu ignorieren.
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Abnehmtagebuch. Oder auch nicht. | thesmellofcoffee
AléatoireWenn du gerade dabei bist, dir dein Leben durch eine Essstörung zu zerstören, dann lies dieses Buch. Bitte, lies es und denk nach, bevor du dich weiter kaputt machst.