Kaya
Wieder reichte ich eines der Bücher an mein Dienstmädchen weiter, das frustriert seufzte und es auf einen riesigen Berg an weiteren legte. Sachbücher waren nie genug für mich. Sie malten mir keine Welt, in die ich entschwinden konnte; sie zeigten mir die Gesetze dieser auf. Dennoch war es meine Aufgabe, als rechtmäßige Erbin des Throns und Tochter eines Vaters, eines Königs, welcher auf Weisheit und Verstand beharrte, eben diesen Werten nachzugehen. Wo fand ich besser Wissen als in Büchern, wenn mir nicht erlaubt war, mein Gemach zu verlassen? Ich besaß dieses und drei weitere, die direkt angrenzten. Meine "Wohnungstür" war immer streng bewacht, außer natürlich - es gab immer eine Ausnahme - um Mitternacht, wenn Rafaels Schicht begann.
Er war ein angesehener, stattlicher, junger Elf, der sich im gesamten Elya und darüber hinaus einen Namen gemacht hatte. Vater musste reicher gewesen sein, als er erkennen ließ, wenn er sich so einen vermeintlichen Profi leisten konnte.
Doch wie jedes Wesen hatte auch ein wahrer Profi seine Schwächen. Rafaels Schwäche war ich.
Nicht ich als Frau. Er hatte keine Augen für Frauen, nicht einmal für die hübschesten hier am Hof. Zumindest hatte ich das nie beobachtet. Ich erinnerte mich noch genau an den Tag, als er sich verändert hatte.Es war sonnig, auch für ihn. Sein motiviertes Lächeln erhellte sich sogar noch mehr, als ein anderer Elf ihn besuchte. Ich wusste nicht, wer er war, doch er sprach eine Weile mit Rafael und ließ seine Mundwinkel praktisch bis zum Boden sinken.
Wir hatten ihn nie wieder im Schloss gesehen und Rafael war nicht mehr derselbe gewesen.
Er war träge seinen Pflichten gegenüber, seine Prioritäten hatten ihn verlassen. Da er den Großteil seiner Zeit bei mir verbrachte, war es quasi meine Pflicht, mich um ihn zu kümmern.
Rafael und ich waren dadurch nicht mehr Wesen verschiedener Ränge, wir waren immer mehr zu Freunden geworden. Und auch, wenn ich mich mit allen Hausmädchen und Wachen gut verstand, so war er doch der einzige, der mir das Versprechen geben konnte, mich nicht als Prinzessin, sondern als einfaches Mädchen zu sehen. Ein Mädchen, das nicht herrschen wollte, nicht andere herumschuppsen oder auf Veranstaltungen ihren Rang heraushängen lassen wollte. Kein Mädchen, das sich auf dem Erbe der Familie ausruhen wollte, keines, das sich dort zuhause fühlte. Keines, das ein Leben hinter Gittern einem Leben auf Reise vorzog. Ein Mädchen, das frei sein wollte.
Ein Mädchen, das träumte. Von einer Welt, die so viel größer war, als ihre Zimmer.
Von einer Welt, die so viel grüner war, bunter. So viel höher und weiter, so viel lauter und auch mal leiser. Eine Welt, die nicht von Mauern begrenzt war.
Diese Welt wollte Rafael mir zeigen. Deshalb ließ er mich hinaus um Mitternacht für ein paar Stunden.
Die Stunden reichten um frische Luft zu schnappen und das Schloss zu sehen. Doch niemals war ich über die Mauer gekommen, die es umringte.
Das Hausmädchen - Margreth - verabschiedete sich schließlich und ließ mich wieder in meiner gewohnten Einsamkeit zurück.
Zumindest für ein paar Sekunden, denn kaum hatte ich mich mit einem leichten Schlafhemd bekleidet, stürmte mein chaotischer, stark nach Ethanol riechender Stiefbruder hinein.
"Vater schickt nach dir. Erst morgen früh um 7. Aber du sollst bis dahin alles" - er sah an meinen unbekleideten, unrasierten Beinen hinab, "wirklich alles an dir aufgehübscht haben. Sofern das noch geht."
Er zwinkerte und zögerte leicht, doch dann trat er näher an mich und umschlang mich mit seinen breiten Armen.
"Ich hab dich auch vermisst.", quiekte ich und versuchte mich in eine weniger zerquetschte Lage zu bringen.
"Du glaubst nicht, wie hart das da war."
Damon war auf einer Reise in die Feenlande geesen, wo er über seine Allianz mit ihrer Prinzessin informiert worden war - er hatte da wohl nicht viel mitzureden, Vater entschied es.Darüber schwieg ich allerdings, da ich dies nicht erfahren sollte - eine Prinzessin findet stets ihren eigenen Weg.
"Wo?", tat ich ahnungslos.
"Ach... Schwesterherz... Ich war auf Reisen, da trifft man so einige merkwürdige... Wesen, die man eigentlich nicht unbedingt kennen lernen will. Kennst du ja." Für ein paar Sekunden entstand eine unangenehme Stille zwischen uns die er mit einem schnellen, aber ehrlichen "Tut mir leid, ich hab kurz vergessen, dass du hier eingesperrt bist." füllte.
Ich hatte keinen Schimmer, warum alle diese nicht sehr geheimnisvolle Allianz vor mir verbergen wollten, doch erfolgreich beim Lügen war sicherlich keiner von ihnen.
"Es sei dir verziehen.", neckte ich ihn.
"Wie großzügig von ihnen, holde Maid."
Er täuschte eine kleine Verbeugung an, sodass seine langen, dunklen Haare wie ein Wasserfall hinabflossen.
Ich war echt neidisch. Leider hatten wir nicht die gleichen Eltern. Meine dunkelroten Wellen waren doch lang nicht so lang und weich.
"Nenn mich nicht so, du weißt, wie sehr ich das hasse.", schnaubte ich und fuchtelte wild mit dem Zeigefinger in seinem Gesicht herum.
"Majestät?"
"Einfach nur Kaya."
"Kaya, das ist ein Teil von dir, trag ihn mit Stolz."
"Wir beide wissen, dass du den Titel verdienst, nicht ich."
Damon legte den Kopf schief und unterbrach den Blickkontakt.
Er wusste es, ja klar. Denn es stimmte. Er war Vater immer treu gewesen, hatte sich stets aufgeopfert für das Wohl des Volkes. Er war immer der Brave, Tapfere. Und ich? Ich schlich mich nachts raus.
"Ach, ich bin ein Trunkenbold. Duuu. Du sitzt hier deine Zeit ab. Für irgendwas muss das ja gut sein. Ich bin immer nur nützlich, wenn Vater hinschaut."Er griff nach etwas, in seiner Tasche, das sich als kleines Fläschchen Alkohol herausstellte, und nahm einen großzügigen Schluck.
"Das stimmt nicht.", bemerkte ich und griff nach seiner Hand. "Als Bruder bist du schließlich auch mehr als nützlich."
Ich sollte wohl lieber nicht die zahlreichen guten Taten erwähnen, bei welchen ich ihn in der Nacht beobachtet hatte. Ich folgte ihm, weil ich mich bei ihm zumindest ein Stück sicher fühlte, auch wenn er es nie mitbekam.
Mit einem kleinen Lächeln drückte er meine Hand. "Du hast es echt nicht verdient, hier eingesperrt zu sein."
"Das fällt dir früh auf."
Damon stand auf und legte mit schweren, aber dennoch eleganten Schritten den Weg zur Tür zurück.
"Du wirst es hier herausschaffen. Egal ob mit oder ohne Krone. Dafür sorge ich."*********************
Hey, hey!
Ich hoffe euch hat der etwas holprige Start in die Geschichte gefallen.;)
Dieses Kapitel war sehr kurz, da ich es erst nutzen wollte, um ein wenig Geschehnisse anzuteasern und die Einstellung einer Protagonistin zu beleuchten. Ja - richtig gehört, es ist nicht nur eine Protagonistin! Da dieser Roman ja eher eine Serie werden soll, gibt es natürlich mehrere. Kaya ist jedoch vorerst die einzige :D
Kleiner Spoiler: Damon wird auch einer sein!
Was haltet ihr von den beiden bis jetzt?
Schreibt ruhig Kritik in die Comments (wofür sind sie denn da? :)) und lasst gerne einen Vote da (der schadet niemandem).
Bis zum nächsten Kapitel und bis dahin viel Spaß beim Warten. ;D
Eure @ichbrauchdich
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Wings - Befreit
FantasiKaya ist Thronfolgerin von Elya, der Hauptstadt des Elbenreichs, in dem alle Elben in Harmonie leben und zu der unbekannten Prinzessin aufschauen. Doch leider klebt sie nicht so sehr an diesem Schloss, wie man es von ihr erwartet. Um sie von Macht...