Er trank ihn schlürfend. Man gewöhnte sich an den Geschmack. Räuspernd sah er runter auf seine Schuhe. Er bildete sich ein, das Ticken seiner Armbanduhr zu hören.
Als er auf sein Handgelenk sah, stellte er fest, dass er gar keine trug.
Das Bild von dem Jungen geisterte ihm durch den Kopf. Er hatte nicht ganz real gewirkt, mehr wie ein Gespenst. Ob er sich ihn nur vorgestellt hatte?, dachte Jess und spitze die Lippen. Der Gang wurde mit Stimmengewirr geschwemmt. Jess löste den Blick von der Stelle, wo der Junge verschwunden war und verschwand hinter einer weiteren Glastür.
Es schien ihm, als würde das Krankenhaus nach ihm greifen und ihn immer weiter in seine Tiefen ziehen. Die weißen Gänge wollten nicht enden. Einmal blieb er stehen, weil er dachte, dass er den Jungen wieder gesehen hatte. Dann schüttelte er den Kopf.
Nahe dem Wartezimmer zeigte eine Uhr, dass es viertel vor fünf war.
Jess stoppte und realisierte, wie lange er schon hier war. Er fragte sich, was er seitdem gemacht hatte. Bereute es, hier zu sein. Ihm fiel seine Bewerbung ein, wie sie unfertig auf seinem Schreibtisch lag und auf ihn wartete. Ein Handy klingelte und Jess fuhr zusammen. Dann merkte er, das es sein eigenes war. Er fischte es aus seiner Hosentasche und drückte den Anruf weg.
Der Akku zeigte 5%, als hätte es sich wieder von selbst aufgeladen.
Er fand eine Steckdose in der Nähe und zog sein Aufladekabel aus dem Rucksack. Dann ließ er sich auf den Boden sinken und schloss es an. Es tat gut, dem Handy Akku zu geben. Fast so,als würde er sein Kind füttern.
Er wischte alte Nachrichten weg und öffnete dann Spotify. Dann ließ er irgendeine Playlist spielen und schloss die Augen. Die Qualität war schlecht. Verlor sich schnell zwischen den schalldichten Wänden. Jess setzte sich gemütlicher hin. Sein Fuß wippte zum Takt und hinterließ einen unheimlich schallendes Geräusch. Er fing an, leise mitzusummen. Er mochte dieses Lied. Dann ging eine Tür auf und eine Krankenschwester schaute ihn missbilligend an.
Sie schickte ihn raus.
Als Jess endlich den Ausgang gefunden hatte, wurde es schon dunkel. Frieda würde jetzt zuhause sein und Jess ging zur Bushaltestelle. Als er einstieg, wollte der Fahrer seine Fahrkarte sehen. Er hasste Fahrer, die Fahrkarten kontrollierten und wiederstrebend zog Jess sie heraus. Dann wurde er durchgewinkt.
Zuhause öffnete Frieda. Sie sagte nicht viel und Jess auch nicht, also ging er schnell in sein Zimmer. Er fiel auf sein Bett und bemerkte, dass er Hunger hatte. Er fand noch ein altes Brötchen von vorgestern auf seinem Schreibtisch.
Daneben lag die Bewerbung.
Er nahm sie und das Brötchen und setzte sich aufs Bett. Langsam durchblätterte er die Anforderungsunterlagen. UBK, las er und wusste noch nichtmal, wofür es stand. Er wusste nur, dass er da rauf musste. Diese Uni war sein Ticket in die Zukunft, dachte Jess und lachte. Sie verlangten viel. Nur die Besten der Besten wurden angenommen, und Jess wusste, dass er da rauf musste. Dass da sein Platz auf der Welt war.
"UBK", flüsterte er gegen den leeren Raum. "UBK." Immer und immer wieder.
Er starrte auf die leeren Blätter. Er musste etwas Geniales malen. Besser als alles, was er je gemacht hatte. Etwas, damit die Welt wusste, dass er zu den ganz Großen gehörte. Und er gehörte zu den ganz Großen. Jess legte das Brötchen beiseite und wischte sich die Hände ab. Dann bückte er sich und zog unter seinem Bett die Kunstmappe hervor.
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À demain
Roman d'amourJess ist der, der nachts alleine an ner Brücke sitzt, mit Tauben spricht und sich weit übers Geländer hängt, um den Wind in seinen Haaren zu spüren. Er schleicht sich in die UBK und träumt vom Künstlersein, während er im echten Leben nichts auf die...