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"Jess, Mann wach auf!"

Jess wurde geschüttelt. Die Fliesen unter seiner Wange waren hart und kalt und als Jess sich auf seinen Rücken drehte, taten ihm all seine Glieder weh.

Irgendwas Helles schien ihm genau ins Gesicht. Jess kniff stöhnend die Augen zu. Dann machte er sie auf. Grelle Punkte tanzten auf seiner Netzhaut. Schön, dachte Jess. Er wünschte sie würden bleiben. Taten sie aber nicht.

Er richtete sich vorsichtig auf, der Raum schwankte. Die Taschenlampe wurde ausgeschaltet und jetzt konnte Jess schemenhafte Personen im Raum ausmachen.

"Wo?-" Seine Stimme klang fremd. Als hätte er vergessen, wie sie klang. "Badezimmer, Jess." Das war Limo. Irgendjemand sagte etwas. Schritte hallten in Jess Kopf, sein Kopf tat weh. Er fasste sich an die Stirn.

Badezimmer, dachte er. Badezimmer, Moritz. Er hustete.

"Lasst ihn hier rausbringen", sagte Limo von weit, weit weg. Jess öffnete die Augen, um zu sehen, warum Limo so weit weg war, doch er sah nichts.

Er bin blind geworden, dachte er. Er musste lachen, dann wollte er weinen.

"Ich fahr ihn nach Hause." Irgendjemand zog ihn hoch. Jess lachte immer noch. Dann sah er Limo neben sich, und merkte, dass er vielleicht doch nicht ganz blind sein konnte.

Verrückt, dachte Jess.

"Wie spät ist es?", murmelte er mit seiner fremden Stimme. "Halb sechs." "Abends?" Jess sah jetzt noch andere Typen vor dem Badezimmer. An der Tür lehnte Moritz. Er sah ihn nicht an und Jess sah schnell wieder weg. Verrückt, dachte er wieder.

"Kannst dich auf mich stützen", sagte Limo und hielt ihn fest, während sie die Treppe runtergingen. "Geht schon", murmelte Jess.

Im Haus war es ganz still und dunkel. Nur schwer konnte man die Verwüstung der letzten Nacht ausmachen.

Jess blieb im Wohnzimmer stehen. Alles wirkte so friedlich hier.

"Limo?" "Ja, Mann?" "Weißt du was Frieden ist?" "Hä?" "Das hier."

Sie wateten durch Plastikbecher und Chipstüten. Das einzige Geräusch war das Knistern des Papiers, wenn sie drauf traten und die leisen Stimmen der anderen im Hintergrund.

Nach Minuten absoluter Stille, nur Limos Arm, der ihn festhielt und das regelmäßige Pochen in seinem Kopf, kamen sie beim Auto an. Es nieselte leicht.

Die Luft war frisch, aber angenehm und Jess löste sich von Limo und starrte in den Nachthimmel. Wenn er die Augen zukniff, konnte er die Sterne sehen. Oder vielleicht waren es immer noch die weißen Punkte auf seiner Netzhaut. Ob er es je wissen würde?

Limo ging kurz zu den anderen und Jess sah sich zu ihnen um. Im Licht der gelben Laterne konnte er Moritz ausmachen. Er wollte zu ihm gehen. Moritz sah ihn an und grinste. Irgendwie verbunden durch die Nacht im Badezimmer, dachte Jess.

Er war hin und weg.

Limo ließ den Motor aufheulen und stieß die Beifahrertür auf. Jess löste seinen Blick von Moritz und ließ sich in den Sitz sinken. Er war müde, aber zu viel Energie ballte sich in seinem Magen. Vermischte sich mit Alkohol. War das die Liebe?, dachte Jess während Limo ihn anschnallte.

"Limo?" "Hmm?" "Ich glaube, ich habe meinen Seelenverwandten gefunden."

Moritz Gestalt wurde durch die Regentropfen auf dem Glas verzogen, in die Länge... in die Länge...

"Du bist durch, Jess." Limo lachte.

Jess wachte auf, als es bereits dunkel wurde. In seinem Zimmer staute sich warme, abgestandene Luft und er starrte auf die weiße Decke über sich. Sie wirkte grau in der Dämmerung.

À demain Where stories live. Discover now