Mein Wecker klingelte, und ich wachte auf. Ich war erstaunt. Normalerweise weckte mich das Klingeln meines Weckers nie auf. Ich zog mich an. Als ich runter ging, um etwas zu frühstücken, hörte ich schon auf der Treppe, dass meine Vater laut herummeckerte. Offenbar hatte die Zeitung von dem Umzug der Firma geschrieben, und mein Vater meckerte herum, was jetzt wohl unsere Nachbarn denken würden.
> "Das ist jetzt eher ein geringes Problem, wenn wir wegziehen", sagte ich. Daraufhin schaute mein Vater mich mürrisch an und verließ schnaufend den Raum.
> Als er weg war, sagte meine Mutter, dass ich meinen Vater einfach in Ruhe lassen sollte und dass es eine schwierige Zeit für ihn sei.
> "HALLO, WAS SOLL DAS DENN! FÜR UNS KINDER IST ES DOCH VIEL SCHLIMMER! WIR MÜSSEN ALLES HINTER UNS LASSEN, UNSERE FREUNDE UND UNSER GANZES LEBEN. MEIN VATER NIMMT ALLES MIT, WAS IHM WICHTIG IST. WENN SEINE FAMILIE IHM ÜBERHAUPT WICHTIG IST. WARUM KÖNNEN WIR NICHT EINFACH HIER BLEIBEN? MEIN VATER WÜRDE EH NICHT MIT UNS REDEN, WENN WIR MIT IHM MITKOMMEN WÜRDEN. AUSSERDEM KANN ICH NOCH NICHT EINMAL FRANZÖSISCH LESEN, GESCHWEIGE DENN SCHREIBEN.",
> Schoss es durch meinen Kopf.
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> Nach dem Frühstück ging ich hoch und machte mich fertig. Zwischendurch traf ich meine Geschwister auf dem Flur, und ich sagte "Hallo", und sie antworteten. Als ich fertig war, ging ich wieder runter und zog meine Schuhe und meine Jacke an, mein Vater stand währenddessen im Schlafanzug in der Küche und trank einen Kaffee.
> "Tschüss", rief ich und verlies das Haus. Ich ging die Treppen vor unserem Haus runter und machte mir Kopfhörer ins Ohr. Es war komisch heute morgen. Mein Vater war da und hatte einfach nichts gemacht. Er war einfach nur da und hatte Kaffee getrunken im Pyjama. Ich hatte ihn, so lange ich mich erinnern kann, noch nie im Pyjama gesehen. Im Urlaub war er immer schon früher wach als ich und schon irgend ein Museum besichtigt, das niemanden aus unserer Familie interessiert hatte.
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> Ich kam an der Station an, und meine Freunde standen schon an der U-Bahn-Station und schauten mich komisch an. Ich ging auf sie zu, und da sagten sie plötzlich:
> "Was mit deinem Vater passiert ist, ist dumm gelaufen, aber zu uns brauchst du nicht mehr zu kommen, deine Witze sind eh total unwichtig, und du bist auch nicht grade schön. Der einzige Grund, warum du noch in unserer Clique bist, ist, dass du uns immer ins Kino eingeladen hast, aber da dein Vater jetzt nichts mehr verdient, nützt du uns auch nichts mehr. Du brauchst gar nicht mehr wieder mit uns zu reden.“
> Ich war sprachlos, ich war mir nicht sicher, ob ich das richtig verstanden hatte. War das wirklich ihr Ernst?
> “Ich fasse es nicht, ich bin diejenige, die diese ganze Clique aufgebaut hat und die, die euch aus eurem Mauseloch geholt hat. Wir waren so ein tolles Team." Ich spürte, wie mir eine Träne über die Wange rollte und redete mit zittriger Stimme weiter: "Ich hätte nie gedacht, dass ihr so oberflächlich seid, das ist ja krank. Ihr seid wirklich krank, mit euch will ich auch gar nicht befreundet sein."
> Ich drehte mich um und ging wieder die Straße entlang, die ich gerade hergekommen war. Ich wollte nicht darüber nachdenken. Ich wischte mir mit meinem Ärmel das Gesicht trocken. Ich ging in den Park vor unserem Haus. Ich wollte nicht in die Schule gehen, nicht, wenn ich meine Ex-Freundinnen die ganze Zeit anschauen müsste und allein in der Ecke sitzen würde. Außerdem würde ich ohnedies Schule wechseln, wenn wir nach Frankreich umziehen würden. Ich setzte mich im Park auf eine Bank und hörte meine Musik an. Ich sah die Enten an, wie sie am See herumschwammen. Ich beschloss einfach sitzen zu bleiben, bis die Schule vorbei war und ich dann einfach nach Hause gehen würde und so tun, als sei nichts. Ich würde meine Eltern unterstützen, meine Geschwister zu überreden, nach Frankreich umzuziehen.
>
> Während ich wartete, dass die Zeit verstrich, ging ich ab und zu durch den Park. Die Leute schauten mich komisch an. Ich lächelte sie einfach an und gab ihnen das Gefühl, dass das schon so stimmte, dass ich hier war und nicht in der Schule. Als ich nach Hause ging, da ich auch um die Zeit zuhause ankommen würde, schloss ich die Tür auf, und da stand schon mein Vater mit einem ernstem Blick im Flur und versperrte mir den Weg. Ich sah ihn mit einem verwirrten Blick an und dachte mir schon, dass die schule wahrscheinlich angerufen hatte und gefragt hatte, wo ich bliebe. Und da fing er schon an zu meckern: "Was fällt dir ein, die Schule zu schwänzen, es gibt Leute, die machen sich Sorgen um dich." Da sprudelte es plötzlich aus mir raus: "Ja, du machst dir ganz sicher sehr viel Sorgen, so oft wie du schon mit mir gesprochen hast, hast du gar kein Recht, dir Sorgen zu machen. Außerdem weißt du doch gar nicht, was passiert ist, und ich bin sicher, es interessiert dich auch nicht." Mein Vater schaute mich jetzt nicht mehr so vorwurfsvoll an, sondern eher verständnisvoll. Irgendwie komisch, so hatte ich ihn noch nie gesehen. Ich spürte, wie mir wieder eine Träne über die Wange rollte. Ich zog meine Schuhe aus und hing meine Jacke an den Kleiderbügel, ging an meinem Vater vorbei und verschwand in mein Zimmer. Auf dem Weg dorthin ging ich die Treppe hoch und sah das Bild an, das an der Wand hing. Es schien, als sei die perfekte Familie darauf zu sehen. Es war zwar meine Familie, aber perfekt war sie gar nicht. Es war meine meinen Eltern immer wichtig, ein Bild der super-tollen Familie zu haben. Ich hasse dieses Wort "perfekt" - wer ist das schon? Kein Mensch kann perfekt sein, er kann nur den Anschein geben, dass er perfekt sei.
> Ich ging in mein Zimmer und schlug die Tür hinter mir zu. Für den Rest des Nachmittags kam ich auch nicht wieder raus. Zwischendurch kam mein Vater an die Tür und klopfte. Ich gab keinen Mucks von mir und wartete bis er wieder weg war. Kurze Zeit später schob er einen Zettel unter der Tür durch, auf dem stand:
"Ich habe der Schule gesagt, dass du krank bist."
Ich hielt kurz inne.
Ich dachte nach, ich würde jetzt so gerne einfach die Tür öffnen und ihm in die Arme fallen, ihn umarmen. Ich brauchte ganz dringend eine fette Umarmung. Ich konnte aber nicht schon wieder nachgeben und so schnell meinem Vater wieder vergeben. Das tat ich immer so schnell. Ich konnte einfach nicht lange sauer sein, das hasste ich an mir.Ich blieb lange in meinem Zimmer und dachte darüber nach, wie dumm ich nur gewesen sein musste, ihnen meine ganzen Geheimnisse anzuvertrauen und wirklich zu denken, dass das meine Freunde waren.
Im Laufe des Nachmittags, den ich die ganze Zeit in meinem Zimmer verbrachte, schaute ich fast alle meine Lieblingsfilme durch. Ich schlich nur kurz aus meinem Zimmer, als ich Hunger bekam und mir Fertignudeln, die ich in meinem Zimmer lagerte, machen wollte. Also ging ich leise runter, um mir kochendes Wasser aus der Küche zu holen. Ich hoffte auf dem Weg die Treppe hinunter, dass mein Vater mich nicht hören würde. Ich hatte grade einfach keine Lust, mit ihm zu reden, mit niemandem würde ich gerade reden, auch wenn es nicht mein Vater wäre. Dennoch war ich irgendwie froh, dass ich nicht alleine war.
Ich ging wieder mit meinen fertigen Nudeln die Treppe hoch und war erleichtert, meinen Vater nicht getroffen zu haben. Ich beschloss, da ich jetzt eh schon aus meinem Zimmer gegangen war, noch kurz aufs Klo zu gehen. Ich stellte noch kurz meine Nudeln auf meinen Schreibtisch und ging dann ins Bad. Auf dem Weg zurück horte ich meinen Vater in seinem Arbeitszimmer. Was war das? Er hörte sich so an, als würde er weinen. Ich wollte rein gehen, ihn irgendwie trösten. Ich hatte schon die Türklinke im Griff. Doch dann fiel mir wieder ein, dass ich ja eigentlich sauer auf ihn war und huschte schnell wieder in mein Zimmer zurück, um nicht mehr meine Meinung zu ändern.
Ich zog mir eine Jogginghose an und setzte mich auf mein Fensterbrett und schaute den Film fertig. Es fing an zu regnen. Ich liebe den Geruch von Regen, er riecht immer so frisch, und wenn man sich dann unter seiner Decke verkriecht, ist das das Beste, das es gibt. Doch meine Schwester hatte immer voll Angst vor Gewitter. Immer wenn es gewitterte, kamen meine ich und mein bruder zu ihr ins Zimmer, und wir schauten zusammen einen Film, und unsere Mutter brachte uns dann immer klein geschnittenes Obst.
Den restlichen Nachmittag blieb in in meinem Zimmer. Zum Abendessen beschloss ich, mit meiner Familie zu essen, meinem Vater wieder zu vergeben. Eigentlich hat er mich nicht an meine schule verraten, dafür sollte ich ihm eigentlich dankbar sein. Ich beschloss, einen Neuanfang zu machen. Im Leben von meinem Vater hatte sich viel verändert, vielleicht hatte er sich auch verändert, und er würde mehr in die Familie hineinwachsen.Während dem Abendessen hatte ich gesagt, dass ich dafür bin, dass wir in die Bretagne ziehen, und alle hatten mich verdutzt angeschaut.
Ich war erstaunt, das mein Vater meiner Mutter nichts davon erzählt hatte, dass ich Schule geschwänzt hatte.
Nach dem Abendessen und nachdem ich mich fertig gemacht hatte, um schlafen zu gehen, kam mein Vater zu mir ins Zimmer, als ich schon im Bett lag. Er fragte mich, warum ich eigentlich geschwänzt hatte, aber ganz ohne elterlich-schimpferischen Ton in der Stimme, das verwirrte mich.
Ich erzählte ihm, was passiert war, und er hörte mir aufmerksam zu.
Er schlug mir vor, dass ich morgen zuhause bleiben könne und dass er gerne etwas mit mir unternehmen würde. Ich war erstaunt, welche worte da aus dem Mund meines Vaters kamen, doch ich willigte ein.
Mein Vater erklärte mir noch, dass ihm nie aufgefallen war, wie sehr er uns aus seinem Leben ausgeschlossen hatte und wie sehr er sich aus unserem Leben rausgehalten hatte, doch er versprach, dass sich dies jetzt ändern würde.
Als ich weiter über den Abend nachdachte, wunderte es mich, dass mein Bruder keine einziges Wort gesagt hatte, und meine Schwester war auch noch nicht zu mir ins Zimmer gekommen, was sie sonst eigentlich jeden Abend tat.
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»Bis zum Atlantik und zurück«
Teen FictionAmelie ist halb Deutsch und Französin. Sie hat einen großen bruder und eine große schwester mit denen sie sich grundsätzlich ganz gut versteht. ~ Die beliebte amelie hat ein Sorgen- loses und glückliches leben bis die firma von ihrem vater wegzieh...