Wie es schließlich kommen musste, klingelte mein Wecker morgens leider.Ich hätte am liebsten einfach so getan, als hätte ich ihn nichtgehört. Ich wollte nicht zur Schule, doch mir war klar, dass ichgehen musste. Ich machte mich im Schneckentempo fertig, in derHoffnung, ich wäre so langsam, dass ich mindestens die ersten 10Minuten des Unterrichts verpassen würde, um nicht mit meinenKlassenkameraden reden zu müssen.
MeinemBruder ging es genauso, wir wollten beide lieber zuhause bleiben undnicht zur Schule gehen. Doch das stand leider nicht zur Debatte. Ichtraf ihn in der Küche um zu frühstücken, danach gingen wir beidezusammen los bis zur Schule.
Wasfür ein Scheißwetter! Es regnete. Eigentlich liebe ich Regen, abernicht, wenn ich draußen rumlaufen muss und schlecht drauf bin. Ichliebe Regen im Sommer, wenn es anfängt, auf einen Schlag zuschütten, und der Teer anfängt, nach Regen zu riechen, oder wennich zuhause bin unter einer kuscheligen Decke und aus dem Fensterrausschauen kann. Zuhause, was wird dass jetzt werden? Es wird einanderes Zuhause sein, ein Zuhause in Frankreich.
DerSchultag war schlimm, einer der schlimmsten, den ich je erlebt hatte.Sogar schlimmer als der, an dem ich mich übergeben musste und danachumgekippt bin, weil ich krank war. Ich dachte immer, schlimmer kannes doch gar nicht werden, aber doch das konnte es leider. Ich saßdie ganze Zeit allein und musste mich anstrengen nicht zu weinen. Ichwollte nicht, dass jemand sah, wie verletzt ich war, wie geschocktich von mir war, ich hatte wirklich gedacht, diese Menschen, mitdenen ich gerade im selben Klassenraum saß, die sich wirklich nurbescheuert benahmen, mal meine Freunde waren. Ich schäme mich, damal dazu gehört zu haben, sie waren so respektlos gegen alleanderen, sogar gegen die Lehrer. Mir tat es echt Leid, dass ich damal dabei war und mit ihnen alle Anderen fertig gemacht habe.
Ichhatte mich mit mir angefreundet, früher war es mir immer schwergefallen, alleine etwas zu machen, mir Zeit für mich zu nehmen, ummit mir etwas zu machen, um mich kennen zu,lernen, wer ich war, wasich wollte. Ich glaube, ich bin dem schon näher gekommen und habemich besser kennengelernt.
Dieletzten zwei Wochen, die ich noch in diese Scheißschule gehenmusste, verliefen eigentlich ziemlich ähnlich. Nur in einerMittagspause hatte uns mein Vater einmal abgeholt, und wir warenzusammen essen gegangen, es war seltsam, es war aber auch toll zusehen, wie meine Geschwister auch langsam anfingen, sich mit ihmanzufreunden, ihm zu vergeben, dass er in unserer Kindheit nichtgerade viel dabei gewesen war. Doch es war toll.
Nachmittagswar immer etwas zuhause los, entweder es wurde etwas unternommen, wirschauten Film, oder wir räumten auf und misteten aus. Ich freutemich schon auf mein neues Zimmer, ich hatte die Form von meinemZimmer immer so gehasst, einfach ein Quadrat, alle Seiten gleichlang, und es war immer so klein gewesen. Was wir schon von unseremneuen Haus wussten, war, das es genug Zimmer gab, sodass jeder seineigenes haben konnte und dass diese auch geräumig waren. Außerdemhatte das Haus einen großen Garten. Es war ein altes dreistöckigesEinfamilienhaus.
Soziemlich schnell hatten wir unserer Familie in Deutschland undunserem Haus Wiedersehen gesagt. Schon erstaunlich, wenn man darübernachdachte, dass unser ganzes Leben in Kartons passte.
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»Bis zum Atlantik und zurück«
Genç KurguAmelie ist halb Deutsch und Französin. Sie hat einen großen bruder und eine große schwester mit denen sie sich grundsätzlich ganz gut versteht. ~ Die beliebte amelie hat ein Sorgen- loses und glückliches leben bis die firma von ihrem vater wegzieh...