Kapitel 1

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Deine Hand berührt die metallene, eiskalte Klinke des Friedhoftores. Um dich herum blüht und sprießt alles, es ist gerade so richtig Frühling geworden und wenn da nicht dieses flaue Gefühl in deinem Magen gewesen wäre, hätte dich die gute Laune über diesen herrlich warmen Tag im Mai sicher übermannt.

Du betrittst unsicher das Friedhofsgelände und schließt das quietschende Tor wieder hinter dir. Ein kühler Wind streift durch deine Haare, sodass deine Finger fester nach der säuberlich gebundenen Rose greifen. Sie ist rot, blüht wunderschön und ist hübsch dekoriert. Wie von selbst gehen deine Füße zum Grab deines Cousins; seit er vor 3 Monaten gestorben ist, bist du ständig hier gewesen und hast ihm ab und an ein Blümchen mitgebracht.

Dein Cousin ist erst 24 Jahre alt gewesen. Er hat sich selbst das Leben genommen, an einem Sonntagmorgen fand seine Mutter ihn leblos in seinem Bett vor. Bisher weiß man noch nicht, was seine Beweggründe waren; es gibt nicht mal einen kleinen Verdacht. Die Kriminalpolizei ermittelt noch und du hoffst inständig jeden Tag darauf, endlich Antworten zu bekommen, denn dein Cousin ist wie ein großer Bruder für dich gewesen in all den Jahren, die ihr miteinander verbracht habt.

Du trittst vor sein Grab und betrachtest es. Unbewusst schüttelst du deinen Kopf, du kannst es einfach nicht verstehen, geschweigedenn wirklich fassen. Behutsam legst du die Rose ab, nachdem du ihr einen Kuss zugehaucht hast. Du streichelst das hölzerne Kreuz und nuschelst ein undeutliches 'Ich liebe dich und du fehlst mir'. Einige Minuten stehst du so da, dann trittst du beiseite und willst gerade wieder in Richtung Tor gehen, als du jemanden einige Meter von dir entfernt sitzen siehst. Der junge Mann sitzt im Gras vor einem Grab, welches ebenfalls ein Holzkreuz trägt und um das herum sogar noch haufenweise Gestecke und Blumenschalen stehen, die Person, die hier liegt, kann also noch nicht lange beerdigt worden sein. Der junge Mann hat seinen Kopf in seinen Handflächen abgelegt und sein Körper bewegt sich sachte auf und ab, du kannst nur erahnen, dass er schluchzt. Sein blauer Haarschopf erhascht deine Aufmerksamkeit und du überlegst kurz, dann entscheidest du dich dafür, langsam auf ihn zu zu gehen.

Als du schon fast neben ihm stehst, scheint er dich immer noch nicht bemerkt zu haben. ,,Shhh", raunst du leise und streichelst ihm sanft über den Rücken. Er schreckt hoch und du blickst genau in seine grau-blauen Augen, welche dich sofort fesseln, obwohl sie völlig tränenunterlaufen glitzern.
,,Ich bin [dein Name]", sagst du freundlich und setzt dich langsam neben ihn, wartest eine Reaktion ab, aber er lässt es geschehen und scheint nichts dagegen zu haben. Du schaust auf das Holzkreuz: Laura 1998 - 2019.
,,Ich bin Rezo", antwortet er dir schließlich und wicht sich eine Träne von der Wange.

Stronger (Rezo x Du)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt