Stronger (Rezo x Du)

Kapitel 7

Montag - dein Treffen mit Rezo ist jetzt zwei Tage her. Gestern hattet ihr keinen Kontakt. Du hättest dich gerne gemeldet, aber ehrlich gesagt warst du dir nicht sicher, was und wie du hättest tun sollen, stattdessen hast du dir aber jedes Video von ihm auf Youtube mindestens einmal angeschaut.
Als du heute allerdings um sieben Uhr morgens die Augen öffnest, weil dich das eindringliche Geräusch eines Nuklearalarms deines Handyweckers hat hochschrecken lassen, siehst du, dass du eine neue Nachricht bekommen hast, sie ist von Rezo: ,,Guten Morgen, Maus. Ich hoffe, dass du gut geschlafen hast und wünsche dir einen schönen Montag. Pass auf dich auf. Küsschen, Rezo :D".
Unbewusst drückst du dein Handy an deine Brust und lächelst bis über beide Ohren. Es ist schon lange her, dass dich jemand so verzaubert hat, wie Rezo es geschafft hat. Du antwortest ihm, dann stehst du auf, machst dich fertig und brichst auf in Richtung Uni.
,,Guten Morgen, schöner Mann. Vielen Dank für die süße Nachricht, so wacht man doch gerne auf :D Pass auf dich auf, dir auch einen schönen Montag. Kussi, [dein Name] :D"
Deine Gedanken kreisen wie wild umher: 'Was war das denn jetzt? Meint Rezo das alles genauso, wie er es schreibt? Oder ist das für ihn eine Art Spiel und die ":D" sollen mir das zeigen?'
Du bist etwas durcheinander, aber weil Rezo dir gefällt und du es gerne auf einen Versuch ankommen lassen würdest, beschließt du, erstmal mitzuspielen und mit der Zeit aus ihm heraus zu kitzeln, ob und was er wirklich fühlt. Aus seinen Videos weißt du ja schon, dass er generell ziemlich flirty ist.

Mittags wartest du wie immer am Bahnsteig auf deinen Zug nach Hause. Es ist erst 12 Uhr und du hast schon Schluss für heute, das ist das einzige, was du an Montagen liebst. Aber heute ist nicht wie jeder andere Montag. Während du Musik hörst und den Autos und Straßenbahnen nach schaust, die du von der metallenen Bahnhofsbank aus sehen kannst, tippt dich plötzlich jemand an der Schulter an. Nichts ahnend drehst du dich um und schaust ihm direkt in die Augen: deinem Exfreund Tom.

Tom lächelt dich breit an. Seine braunen Haare sind kurz geschnitten und die Sonne lässt seine bernsteinfarbenen Augen funkeln. Diese Augen, in denen du dich jahrelang immer wieder aufs Neue verloren hast, obwohl du dich damit nur selbst kaputt gemacht hast. Vor 7 Jahren hast du dich in Tom verloren, das war zur Mittelstufen-Zeit. Er hat dich immer wieder abblitzen lassen, 5 Jahre lang. Dann hat er dir endlich die Chance gegeben, die du dir immer gewünscht hast, denn die ganzen Jahre über hast du dich nicht mehr in einen anderen Jungen verliebt, egal wie sehr Tom dir weh getan hat. Ihr seid über ein halbes Jahr zusammen gewesen, dann hat Tom sich getrennt und du weißt bis heute nicht wieso. Er war es immer, der ohne dich mit seinen Freunden herum gezogen ist und dir immer das Gefühl gegeben hat, alles und jeder andere sei wichtiger als du. Eigentlich hättest du Schluss machen sollen, aber du bist jemand, der, wenn er einmal liebt, mit vollem Herzen liebt. Und anstatt die Trennung als Anlass zu nehmen voraus zu schauen, hat sie dich nur weiter heruntergezogen. Du hast schon länger depressionsähnliche Anzeichen gehabt, aber seit der Trennung ist deine Diagnose offiziell. Du wolltest dir das Leben nehmen und deine Eltern haben abwechselnd 24 Stunden am Tag bei dir gesessen und auf dich aufgepasst. Das ist jetzt noch kein Jahr her, durch Antidepressiva und Michel geht es dir einigermaßen gut, aber die Zeit ist wirklich schwierig gewesen und so ganz aus dem Kopf gegangen ist dir Tom immer noch nicht. Aber heute ist nicht wie sonst.

Zwar lächelst du zurück und begrüßt Tom, zwar findest du ihn immer noch attraktiv, aber seine Gegenwart löst dieses Mal nichts Besonderes in dir aus. Kein Kribbeln, kein Herzrasen. Fast schon Gleichgültigkeit dem Menschen gegenüber, der dich bis aufs Tiefste verletzt hat und bis heute nicht bereit war, mit dir darüber zu sprechen, obwohl du es so oft versucht hast. Du widmest dich ganz automstisch wieder deinem nun vibrierenden Handy - das hättest du noch vor Kurzem niemals gemacht, lieber hättest du dich voll und ganz auf Tom konzentriert.

Das Vibrieren verrät dir, dass ein Anruf eingeht. Du schaust auf den Bildschirm und Rezos Name blitzt dir entgegen. ,,Entschuldige mich", sagst du noch zu Tom, dann stehst du auf, gehst ein Stück den Bahnsteig entlang und nimmst ab: ,,Hallo Rezo, so eine Überraschung". Du hörst ihn am anderen Ende der Leitung lachen: ,,Ich mache gerade etwas Pause, bevor ich mein neues Video schneide und dachte, ich probiere mal, ob ich dich erreichen kann". ,,Gutes Timing, du hast mich vor meinem Ex gerettet", du lachst, so etwas aus deinem Mund zu hören klingt so absurd, ,,Er ist zum ersten Mal seit was weiß ich zu mir gekommen, ich bin gerade am Bahnhof auf dem Weg nach Hause". Rezo scheint nicht mehr zu grinsen, seine Stimme klingt ernst: ,,Was wollte der denn von dir?" ,,Keine Ahnung, du hast mich ja direkt angerufen", sagst du, fügst aber noch schnell hinzu: ,,Aber alles gut, da ist nichts mehr". Wieso du das gesagt hast, weißt du im Nachhinein selbst nicht. Vielleicht interessiert es Rezo ja gar nicht, ob da noch was ist. Und überhaupt, wieso bist du dir so sicher, dass da plötzlich nichts mehr ist?
,,Na dann", sagt Rezo und wirkt wieder etwas besser gelaunt, ,,Kann ich dich heute Abend wieder anrufen? Ich muss jetzt weiter machen, aber würde später gerne nochmal deine Stimme hören". Du wirst rot und grinst in dich hinein. Rezo gibt dir einfach ein schönes Gefühl. Deine Gedanken schweifen ab und unbeabsichtigt lässt du ihn etwas auf deine Antwort warten, was ihn wohl etwas nervös macht. ,,Also nur, wenn du Zeit hast. Und Lust hast", fügt er hastig hinzu und lachend verabredest du dich mit ihm zum Telefonieren am Abend.

Als ihr auflegt, ist dein Zug bereits eingefahren und Tom scheint schon eingestiegen zu sein. Du nimmst direkt die erste Tür, schaust flüchtig nach links, gehst dann in den Gang dort hinein und suchst dir einen Platz. Tom ist nicht zu sehen. 'Zum Glück', denkst du, irgendwie hättest du auf ihn die ganze Fahrt über gar keine Lust gehabt.