Cara
,,Tasche aufmachen!" befiehlt mir der Polizist in einem solch strengen Tonfall, dass ich zusammen zucke und dabei fast schon den gefragten Gegenstand fallen lasse.
Ich befinde mich in einem kurzfristig zur Verfügung gestellten Hausmeisterraum, in dem die Durchsuchungen mehr oder weniger stattfinden. Das alles wirkt auf mich ein wenig unseriös, aber ich will mich jetzt nicht auch noch querstellen, nachher werde ich noch wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eingebuchtet...
Ich muss wieder an heute Morgen denken. Als ich zum ersten Mal mit Jake gesprochen habe, habe ich Angst gehabt, dass er einen Abdruck auf meinem Handgelenk hinterlässt. Aber wenn ich hier fertig bin gehe ich wahrscheinlich zweifellos als Schlumpf durch, vor lauter blauer Flecken.
Okay, mal so eine beiläufige Frage an niemand bestimmten: Sehe ich wirklich so aus wie eine Drogendealerin? Ich rauche nicht mal und scheiße mir gerade fast in die Hose! Ich bin eine normale Schülerin auf dieser Schule, ich habe durchschnittlich ganz gute Noten und noch nicht mal einen Eintrag im Klassenbuch! Ich würde niemals etwas derartiges tun, also wieso werde ich hier behandelt, wie ein Schwerverbrecher? Habe ich vielleicht ein paar geheime Akten bei der Polizei, von denen ich nichts weiß?
,,Könnten sie vielleicht ein wenig freundlicher zu mir sein? Ich hatte eigentlich vorgehabt, den morgigen Tag noch zu erleben!" Die Wörter rutschen mir heraus, bevor ich sie wieder zurück nehmen kann und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als augenblicklich ganz weit weg zu ziehen. Vielleicht nach China oder in die USA, vorzugsweise so weit weg von hier wie möglich.
,,Würde ich zu allen Kriminellen freundlich sein, die ich jeden Tag einsperre, wäre ich längst arbeitslos!" brummt der unfreundliche Polizist, während er den Inhalt meiner Tasche genauestens inspiziert. Er kriecht förmlich in sie hinein und dreht jedes Blatt, welches sich darin befindet, zwei mal um.
Ich kann mir nur mit Mühe und Not verkneifen ihn zu fragen ob er vielleicht eine Lupe oder höheres Dioptrien braucht, aber da ich nicht zwingend darauf aus bin, einer von den Knastis zu werden, die er Tag für Tag hinter Gitter bringt, bleibe ich lieber still.
,,Scheint sauber zu sein," murmelt er zu sich selbst, während er sich mit einer hochgezogenen Augenbraue meinen pinkfarbenen Lippenstift von Essence anschaut, den ich mir mal vor Uhrzeiten gekauft und anscheinend vergessen habe.
,,Welch Überraschung," flüstere ich, kaum hörbar und kralle mir hektisch wieder meine Tasche.
,,Gut, dann werden wir dich jetzt noch nach Drogen abchecken," sagt er mit seiner rauen, lauten Stimme, die mich erneut zusammen zucken lässt und ich bin mir ziemlich sicher, dass das keine freundliche Frage gewesen ist.
Ich weiß nicht genau wieso er jetzt plötzlich versucht in der Jugendsprache zu reden, aber ich muss sagen, dass ihn das nur noch komischer und nicht ernst zunehmbar macht, als er eh schon ist.
Der Kollege, der bis jetzt enthaltsam an einem kleinen Schreibtisch in der hintersten Ecke des Raumes gesessen hat steht auf, setzt sich in Bewegung und kommt zu uns rüber gelaufen.
Er trägt eine verdreckte Uniform mit zahlreichen Marmeladenflecken und sieht auch sonst ziemlich ungepflegt aus, mit seinem Dreitagebart und den meterlangen, ungeschnittenen Fingernägeln, aber er hat trotzdem irgendetwas nettes an sich. Braune, treue Augen und eine ruhige Ausstrahlung.
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Stirb Mit Mir
General Fiction"Ich habe mich immer für das Leben und die Gesundheit anderer interessiert, habe sehr viel dafür getan, meinen Körper fit zu halten, bin für alles und jeden da gewesen, hätte einem Penner mein letztes Hemd gegeben und was habe ich jetzt davon? Hirnt...