44. Tote Seelen

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Crash - EDEN
you were good to me - Jeremy Zucker

Die Nacht wurde durchzogen von lauten schrillen schreien.
Wer schrie war mir nicht ganz klar, doch ich glaubte Sofies stimme herauszuhören.

Unn schrie nicht, nur ein abgehacktes Keuchen war von ihr zu hören, doch auch das kam nur unterschwellig an mich heran.

Ich sah nur Blut.
Es klebte überall.
Ein ohrenbetäubendes Piepen zog sich durch meine Gehörgänge, blendete alles andere aus.

Ein Schmerz.
Er pochte in meinem ganze Körper.

[...]

No one

Blaulicht erhellte die Straße, Polizeiautos und Krankenwägen standen vor dem V-Club, die Gäste des Konzerts hatten sich draußen versammelten, sprachen wild durcheinander was denn geschehen sei.

„Was macht den der Krankenwagen hier?"

„Gab es ne Razzia?"

„Ich glaub die haben da gerade jemanden runtergetragen!"

„War das nicht gerade Claire bei den Bullen?"

„Welche Claire? Claire Sins?"

Einer der Krankenwägen hatte die Hintertüren geöffnet in dem zwei Mädchen saßen, mit decken umwickelt.

Die eine schluchzte ununterbrochen, die andere starrte nur stumpf und emotionslos ins leere.

Menschen redete auf sie ein, Polizisten, Zivilisten, Freunde, Ärzte.

Mittlerweile war auch ein Kamerateam eingetroffen, ein Blitzlichtgewitter brach über das Szenario ein, Mikrophone wurden diversen Menschen ins Gesicht gehalten.

Doch Unn und Sofie schienen all das nicht wahrzunehmen.

„Wie konnte es soweit kommen?" flüsterte Unn heiser. Es war das erste was sie seit der Unterhaltung auf dem Dach von sich gegeben hatte.

Alles war so unfassbar Laut und durch die vielen Menschen drängte sich eine mitgenommene Person, torkelte auf die zwei Mädchen zu, schien dabei selbst in einem ganz anderen Universum zu sein, wie in Trance, wie betäubt.

„Tot."

Brachte Noah mit kratziger stimme hervor.
„Mila ist tot."

[...]

Noah

Wie ich es bis vor meine Haustür geschafft hatte, wusste ich nicht.
Ich wusste auch nicht wer mich in die Wohnung gebracht und mich ins Bett gedrückt hatte, doch da lag ich nun.

Die Erinnerungen aus der Vergangenheit vermischten sich mit denen die noch ganz frisch die der letzten Stunden Wiedergaben.

Wie Mila aus einem dummen von übermütigen Freundschaftgefühlen geleiteten Impuls vor mich gesprungen war.

Wie Ich dabei zu sah wie ihr das Messer immer wieder in den Magen gerammt wurde, unfähig mich zu bewegen.

Wie Claire nach hinten gerissen wurde.

Wie ich Milas zuckenden Körper in den Armen gehalten hatte, blutverschmiert.
Ein mir bis heute noch unbekannter Schmerz hatte Besitz von mir ergriffen gehabt, ohne das ich mich hätte rühren können.

Ich hatte nur gesehen wie Milas klare helle blaue Augen mich angesehen hatten.

Und wie sie ihre Lippen bewegt hatte.

„Versprich mir..." hatte sie gesagt, mit der letzten Kraft die ihr geblieben war.
Doch bevor sie hatte weiter sprechen können hatte ein röchelnder Husten sie gepackt und als er endlich aufhörte, hatte sich bereits ein matter Schleier über ihre Augen gelegt.

Und ich hatte nie erfahren was ich ihr Versprechen sollte.

Dem Mädchen welches mich ohne eine Gegenleistung zu erwarten, zu einem Ort brachte an dem ich verarztet werden konnte.
Welches mir meine Zigarette wegnahm und anfing mich mit Stiften und Knöpfen zu bewerfen, sollte ich doch mal wieder eine zu viel rauchen.

Mila, die sich Stunden lang meine Sorgen über Sofie, über meine Eltern, meine Träume anhörte, die aber selbst nie erwartete das ich mich mit ihren Problemen beschäftigte.

Jede Lästerei und jeden Neidisch verfassten Hasskommentar den sie über sich mitbekommen hatte, hatte sie mit einem einfach Grinsen und leichten Schulterzucken abgetan.

Dieses warmherzige, immer freche Grinsen.

Und heute...
Sie war endlich glücklich gewesen.
„I'm free!" klang Milas Stimme, ihr unbeschwertes Gelächter in meinem Kopf wieder.
Wie verdammt glücklich sie gewesen war.

Der Schmerz und die Erinnerungen zerfraßen mich, zerrten so sehr an mir das ich anfing zu weinen.
Wann hatte ich das letzte mal geweint?

„ich bin froh das wir Freunde sind"
Wie eine kaputte Schallplatte wiederholten sich Ihre Wort immer und immer wieder.

Ich wollte es nicht hören.
Wollte nicht wissen das ich ihre Stimme nie wieder hören würde.

Und weil ich nicht wusste wie ich die Klänge der Erinnerung sonst übertönen konnte,
Schrie ich.

Ich schrie, weil ich einen Menschen verloren hatte, bei dem ich erst jetzt, erst als es zu spät war merkte, wie wichtig er mir gewesen war.

Scum Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt