Finja schob sich abwesend eine weitere Blaubeere in den Mund und kaute genüsslich. Der frische Wind kitzelte sie in der Nase und zerrte an den losen Strähnen die sich dem Gefängnis ihrer blonden Zöpfen entzogen hatten. Suchend starrte sie auf den Horizont und schirmte mit einer Hand ihre Augen vor der grellen Mittagssonne ab. Das Meer lag ruhig und Lachsschwärme glitzerten im Licht. Eine Gruppe Fischerboote tanzte auf den Wellen.
Es raschelte in den Büschen und ein katzengroßer Drache huschte geduckt zu ihr hinüber. In einigem Abstand ließ er sich kauernd ins Gras sinken. Seine dunklen Schuppen schimmerten zwischen den grünen Halmen hervor. Begierig starrte er auf ihr Säckchen mit Beeren. Finja warf ihm nur einen kurzen Seitenblick zu, bevor sie ihre Augen wieder auf de Horizont richtete. Blind griff sie in den Beutel und schnippte dem Drachen eine Beere zu. Mit einem spektakulären Satz schnappte das Wesen danach, bevor es ungeschickt mit den Flügeln schlug um sich vor einem schmerzhaften Aufprall zu schützen. Ein forderndes Krächzen dang aus der frechen Kehle des kleinen. Amüsiert griff Finja in den Beutel und schnippte erneut, diesmal besser gezielt, eine Beere zu dem Drachen hinüber. Mit einem kleinen Salto landete das Reptil plötzlich direkt neben ihr und kaute genüsslich auf der Blaubeere. Finja schmunzelte und öffnete das Säckchen ein bisschen, damit der Drache sich bedienen konnte. Freudig nahm dieser die Einladung entgegen. Vorsichtig streckte Finja die Finger aus und berührte die ungewöhnlich dunklen Schuppen. Der Drache zuckte und hielt plötzlich inne. Große Kulleraugen starrten sie an, als sie langsam begann den Nacken des kleinen zu kraulen. Ein entspanntes schnurren drang aus seiner Kehle und der kleine schloss genießerisch die Augen. Finja lächelte leicht und wand sich wieder dem Horizont zu, als der kleine Drache sich mit seinem warmen Körper an sie kuschelte.
Die kleine, geflügelte Echse war bereits seit Stunden an ihrer Seite. Das dicke, reich mit Beeren gefüllte Bäuchlein in die Sonne gereckt und alle viere von sich gestreckt. Die Zunge hing aus dem mit Zähnen bestückten Maul und ein tiefes Schnurren drang aus seinem inneren. Finja kraulte die dunklen Schuppen. „Ich wette in der Nacht kann dich keiner sehen, was?", murmelte sie. Ein leises Krächzen, das Finja nicht deuten konnte, war die einzige Antwort. „Vielleicht sollte ich dich Mitternacht nennen. Wegen deiner dunklen Schuppen. Ist auf jeden Fall besser, als Drache, oder Reptil. Was meinst du?", fragte sie, doch Mitternacht rührte sich nicht. Er schnurrte im Tiefschlaf vor sich hin. Finja schmunzelte.
Langsam senkte sich die Sonne zur Welt hinab. Der erste Hauch von Rosa tanzte über den klaren Himmel. Finja starre noch immer mit müden Augen auf den Horizont hinaus. Den Kopf in die eine Hand gestützt die andere zwischen den Schuppen des Drachen, der sich auf ihren Schoß gekuschelt hatte und friedlich schlummerte. Das Säckchen mit Beeren war vollständig leer und mehr als die Hälfte war im Bauch des frechen Drachens verschwunden. Der kleine war den ganzen Nachmittag, den sie an der Klippe gesessen hatte nicht von ihrer Seite gewichen. Naja, dafür hat er auch einen haufen Blaubeeren und mehr als eine ausgiebige Streicheleinheit bekommen, dachte sie. Vielleicht wäre Blaubeerbauch ein passenderer Name gewesen. Erneuert wand sich ihr Blick zum Horizont. An dem Punkt, wo das Meer den Himmel berührte waren zwei kleine schwarze Punkte aufgetaucht. Ihr Herz machte einen Hüpfer und mit einem Schlag war sie Hellwach. Mitternacht schien zu spüren, dass sich etwas geändert hatte und öffnete gähnend die Augen. Finja legte beide Hände über die Augen und starrte Konzentriert auf die kleinen Punkte. Mitternacht stupste sie fordernd am Ellenbogen und brummelte leise. Finja bemerkte davon nichts. Sie lehnte sich ein Stückchen nach vorne und kniff die Augen zusammen. Ganz langsam schienen die Punkte größer zu werden. Rasch sprang sie auf und begann zu laufen.
Der erschreckte Mitternacht stürzte zunächst die Klippen hinab. Mit einem trägen flattern wuchtete er sein schweres Bäuchlein grade so über den Rand, bevor er sich erschöpft ins Gras plumpen ließ. Mit einem bitterbösen Blick in die Richtung in die Finja verschwunden war, rollte er sich zusammen, um sein Verdauungsschläfchen grummelnd fortzusetzen.Diese hatte seit sie die beiden Punkte am Himmel entdeckt hatte keine weitere Sekunde an den Drachen verschwendet. Sie rannte querfeldein durchs Unterholz, sprang über einige umgestürzte Bäume und kletterte so schnell sie konnte eine Felswand hinab. Danach erstreckten sich nur noch weite Felder zwischen ihr und den ersten Häusern. Um den Weg abzukürzen rannte sie querfeldein. Ein Bauer, der sein Feld mit einem Pflug bearbeitete warf ihr eine Wüste Beschimpfung hinterher, als sie ihre Fußabdrücke in der weichen Erde hinterließ. Finja rannte als wäre Nidhogg Persönlich hinter ihr her, ein breites Grinsen auf den Lippen, bis sie die ersten Häuser des kleinen Dorfes erreichte.
„Er ist wieder da!", schrie sie lauthals im Rennen und war bereis um die nächste Ecke als die ersten Anwohner ihre Köpfe aus Türen und Fenstern streckten. Ihre Rufe hallten durch das ganze Dorf. Alte und Junge kamen aus ihren Häusern und versammelten sich auf dem Marktplatz, wo Finja schwer atmend stehen geblieben war und einen älteren Wikinger am Arm fasste um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. „Finja, was machst du denn hier?" „Sie kommen!", presste sie hastig heraus und mehr hatte es auch nicht gebraucht, um ihm ihre Nachricht mitzuteilen. Der Wikinger, ohne Zweifel das Oberhaupt des Stammes, reagierte sofort. „Kalle, lauf und blas das Horn. Ich will jeden Fauststarken auf dem Platz sehen. Mein Sohn kehrt zurück!", donnerte er seine Stimme voller Autorität und besagter Kalle rannte so schnell er konnte. Nicht viel später klang das helle Horn in einem wunderschönen Ton über die ganze Insel.
Mitternacht hatte sich wieder mit dem Bauch in die untergehende Sonne gelegt und schmatzte zufrieden. Neben ihm lagen die Reste einer kleinen Forelle. Feuriger Atem stieg durch seine Nasenlöcher hinauf und sammelte sich in zwei kleinen Rauchfahnen, die in den glühenden Himmel entschwebten. Zwei große Schatten rauschten über ihm hinweg und der Schrei eines Drachen durchdrang die Klippen. Mitternacht schreckte auf und starrte den Schatten hinterher. Es schien fast, als würde er die Stirn runzeln.
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Dragons - Home -
FanfictionFinn, Are und Bjarte haben sich auf Berk, in der Ausbildung zum Drachenreiter kennengelernt. Gemeinsam ziehen sie nach Süden, um sich eine Basis aufzubauen. Der erste Halt auf dem Weg ist Graufels, Finn's Heimat. Der eigentlich nur kurze Besuch entw...