Normandie 1157 n. Chr.
Unsere Schiffe formierten sich in der normannischen Flussmündung um in einer geordneten Flotte zurück in unsere Heimat zusegeln.
Wir hatten reichlich Beute geschlagen, sowohl Sklaven als auch Reichtümer.
Die Langboote lagen tief im Wasser und unsere Rudermänner ächzten, weil die Schiffe bis zum bersten gefüllt waren. Wir mussten erst die offene See erreichen um unsere großen Segel setzen zu können.
Es würde den kommenden Winter leichter machen, und die vielen neuen Hände wurden dringend auf unseren Feldern gebraucht.
Wir hatten eine kleine Siedlung nahe der Küste überfallen, während ihre Bewohner wie eine Viehherde in ihrem Gotteshaus zusammen gepfercht waren.
Wie sie einen solchen schwachen Gott anbeten konnten war mir ein Rätsel. Ein Mann der an ein Kreuz genagelt wurden war um zu sterben. Er war nichts im Vergleich zu unseren Göttern den Asen. Ich hatte zu Odin unserem Göttervater gesprochen und ihn um einen ruhmreichen Überfall gebeten. Und zu Thor hatte ich gebetet das mein Schwertarm nie ermüden würde, damit ich mit der Kraft eines Berserkers wüten konnte, um Angst und Schrecken unter den Verteidigern zu sähen.
Aber es war nicht nötig gewesen, sie hatten ihre Waffen nicht mit in das große Steingebäude genommen. Sondern fein säuberlich an der Außenwand aufgereiht. Sie waren wehrlos, die Männer waren nicht in der Lage gewesen ihre Familien und ihren Besitz zu schützen. Das einzige was sie taten, war auf die Knie zu fallen und ihren schwachen Gott um Hilfe anzuflehen.
Und so kamen wir wie Ragnarök über sie und nahmen uns was wir brauchten. Wir mähten uns einen blutigen Weg durch ihre Reihen um ihre Schätze zu rauben und versklavten nur die jungen und kräftigen beiden Geschlechts.
Voller Euphorie streckte ich mein Gesicht der spritzenden Gischt entgegen in Erinnerung an diesen glorreichen Beutezug.
Und ich konnte es kaum erwarten endlich in unsere Nordlande zurück zu kehren, in der Hoffnung das mein Weib einen weiteren Sohn zur Welt gebracht hatte. Ein neuerlicher Beweis meiner Manneskraft und das ich der geborene Anführer war um nach meinem Schwiegervater unsere Sippe anzuführen.
Die See war rau und wild genauso wie ich sie liebte. Wir kamen schnell voran und brachten bereits nach wenigen stürmischen Tagen unsere Beute in den sicheren Hafen. Es war wie immer ein beeindruckender Anblick wie sich der verborgene Fjord nach einer scharfen Biegung der Küste öffnete. Und unsere sechs Langboote sich winzig gegenüber den riesigen Klippen abhoben.
Norwegen war wahrhaftig das Land der Riesen und Trolle in anbetracht der überwältigenden Landschaft und ihrer Dimensionen. Wir brauchten keine Häuser aus Stein oder Holz um unsere Götter anzubeten wenn sie doch soviel prächtigere geheiligte Stätten bauten.
Und so kamen wir unter einem strahlend blauen Himmel und einer kräftigen Brise im Segel in Olafsdorf an und wurden mit lauten Jubelrufen von unseren Familien begrüßt.
Lachend fiel ich meiner Frau in die Arme und bewunderte ihren prallen Leib, der jetzt jeden Tag nieder kommen konnte.
Stolz präsentierte ich meine Sklaven und die vielen nützlichen und unnützen Dinge die ich von der fernen Küste mitgebracht hatte.
Kritisch musterte mein Eheweib die neuen Mägde und Feldarbeiter.
Während dessen lies ich meinen Blick über die anderen Schiffe schweifen. Und schaute mir aus einiger Entfernung an was meine Kameraden erbeutet hatten.
Da sah ich ihn das erste Mal, wie er erschöpft an Land ging mit den anderen Unfreien die Björn und seiner Mannschaft zum Opfer gefallen waren, die Hände fest vor seinen Leib gebunden.
Blut verklebte seine linke Schläfe und Tränen hatten schmutzige Bahnen über sein schönes Gesicht gezogen. Er zählte vielleicht sechzehn oder siebzehn Winter, aber das war schwer einzuschätzen in seinem jetzigen Zustand.
Einer der ungeschlachtenen Männer brüllte ihn an was ihn verstört den Kopf heben ließ, weil er kein einziges Wort verstand. Und ich konnte die Resignation in seinen großen grauen Augen sehen, die mich an einen stürmischen Tag auf See erinnerten.
Sein helles Haar war ungewöhnlich kurz im Gegensatz zu meiner langen dreckig blonden Mähne, welche ich mir nur kurz an den Seiten abrasierte, aber dafür lang über meinen muskulösen Rücken fallen lies.
Ich war Ragnar Lodbrock, der gefürchteste Krieger aus den Nordlanden. Und ich nahm mir was ich begehrte Frauen, Sklaven, Beute und Titel…
Aber mit diesem Beutezug sollte sich meine Zukunft ändern und mein Leben in Ungewissheit stürzen.
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Ice Blue
Historical FictionRagnar Lodbrock fällt mit seinen Wikingern in der Normandie ein und plündert dort ein kleines Fischerdorf und das angrenzende Kloster. Doch er ahnt nicht welch kostbare Beute ihm bei diesem Raubzug in die Hände fallen wird. Und sein ganzes bisherige...