Teil IV/V

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Kurze Zeit später dürfen wir endlich etwas essen.
Wir nehmen an einem der Bistrotische des Cafés Platz und halten brav still, als Maggie uns riesige Tücher umbindet, die unsere Kleidung vor möglichen Kleckereien bewahren sollen.

Rosalie, eine rundliche Frau der Catering-Crew, kommt an unseren Tisch und setzt mir strahlend einen großen Teller mit Rollbraten, Gemüse und Pommes vor, während Sarah höflich abwinkt und sich mit einem Apfel und einer Banane begnügt.

Auf meinen verständnislosen Blick hin erklärt sie: »Oh, du hast keine Ahnung, was mich am Abend noch erwartet. Unsere italienische Nanny kocht in rauen Mengen, die jeglicher Logik entbehren, glaub mir.« Krachend beißt sie in ihren Apfel.

Da Randy noch immer mit den Fotos beschäftigt ist und danach sofort in die Planung des Nachmittagsprogramms übergeht, bietet uns dieses gemeinsame Essen die erste Gelegenheit, ein wenig mehr voneinander zu erfahren.

»Erzähl mir von dir!«, befiehlt Sarah auch prompt.
»Was willst du denn wissen?«
Sie zuckt mit den Schultern. »Alles, was dich so ausmachteben.«

Na, das nenne ich klein anfangen.

Als ich – schlagfertig, wie ich bin – nichts erwidere, hilft sie mir auf die Sprünge.

»Hast du Geschwister? Was machen deine Eltern? Wo bist du aufgewachsen?«

»So viele Fragen auf einmal?«

»Ich habe noch gar nicht richtig angefangen«, antwortet sie lachend.

Also schön. Ich hole tief Luft, lege mein Besteck zur Seite und beschließe, mich auf die kleine Fragerunde einzulassen – solange Sarah dabei nicht zu sehr in die Tiefe geht.

»Ich habe eine Schwester. Caro ist fünf Jahre älter als ich und hat zwei Kinder. Sie hat einen Kanadier geheiratet, den sie nur mit Mühe und Not auf amerikanischen Boden geschleift hat. Sie leben im nördlichsten Zipfel Idahos, direkt an der kanadischen Grenze. Meine Eltern leben derzeit in Sydney.«

»Montana?«, fragt Sarah.
»Nein, Australien«, gebe ich grinsend zurück.
Sarahs Augen weiten sich.
»Mein Dad ist Diplomat, meine Mom Pianistin. Sydney bot

sich an. Sie sind schon ungewöhnlich lange dort. Seit sieben Jahren, um genau zu sein.«

Erst als ich es Sarah erzähle, fällt mir auf, dass es stimmt. Meine Eltern haben vielleicht noch nie zuvor so lange an einem Ort gelebt.

»Sieben Jahre sind lang?«, fragt Sarah mit geneigtem Kopf.

»Für meine Eltern auf jeden Fall. Ich hätte auch in einen Wanderzirkus geboren werden können, das hätte vermutlich keinen großen Unterschied gemacht. Wir haben nie länger als vier Jahre irgendwo gelebt. Was die Beantwortung deiner letzten Frage übrigens nicht gerade leicht macht.«

»Wo du aufgewachsen bist?«, hakt sie nach. Ich nicke. »Fang doch einfach von vorne an«, schlägt sie vor.

»Okay!« Ich atme tief durch. »Also, geboren bin ich in Südafrika, in Johannesburg. Als ich zwei Jahre alt war, sind wir nach Süditalien gezogen, an die amalfitanische Küste. Mein Vater hat damals in Neapel gearbeitet. An die Zeit kann ich mich sogar noch ein wenig erinnern. Als ich fünf Jahre alt war, zogen wir nach London.«

»London?«, wiederholt sie. Es ist ihre Heimatstadt, das weiß ich, doch so fröhlich mir Sarah bisher immer erschien, hätte ich nicht mit der Wehmut gerechnet, die sich nun schlagartig in ihren Augen widerspiegelt. Sie vermisst ihre Heimat, das ist mit nur einem Blick erkennbar.

»Ja, nach Barnes«, sage ich.

»Schöne Gegend. Mein Elternhaus liegt etwa eine Dreiviertelstunde südwestlich von London entfernt. Ausflüge in die Stadt waren für uns Kinder immer etwas Besonderes«, schwärmt sie. Ihr Blick driftet leicht ab und wir schweigen. Nur wenige Sekunden, dann schüttelt sie kaum merklich den Kopf, verbannt Sehnsucht und Erinnerungen und beißt erneut in ihren Apfel. »Entschuldige. Wo waren wir? Ach ja! ... Wie lange habt ihr in England gelebt?«

Das Leben in meinem SinnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt