Sarah
Hallo! Ich bin wieder da!«
Kaum hat sich die Haustür einen Spaltbreit geöffnet, schallt meine Stimme durch die Eingangshalle. Ich schmeiße den Autoschlüssel auf die Anrichte neben der Garderobe und bündele meine langen Haare im Nacken zu einem Zopf.
»Hallo? Wo seid ihr denn?«, rufe ich noch einmal in die Stille des riesigen Hauses. Die Frage hallt von den Wänden wider – so kommt es mir zumindest vor. Ein vertrautes Schlurfen ertönt und eine kleine rundliche Frau erscheint, deren Anblick mich immer wieder zum Schmunzeln bringt.
»Pssst, Sarah, sie schläfte schon.« Alberta, die italienische Nanny meiner kleinen Tochter und gute Seele unseres Hauses.
Enttäuscht lasse ich die Arme fallen.
»Wir waren auf diese Geburtstage von die kleine Allie«, erklärt Alberta. »Sarah, du kannste nischt glauben, wase fur eine Tamtame. Madonna mia!«
Theatralisch reckt sie ihre Hände in die Luft, den Blick gen Himmel gerichtet. Die überzeichneten Gesten entlocken mir auch dieses Mal ein Lächeln, trotz meiner Enttäuschung. Wieder einer dieser Tage, an dem ich es nicht einmal geschafft habe, meine Kleine selbst ins Bett zu bringen.
Meiner Gefühle nicht gewahr, fährt Alberta fort: »Fru’er, wenn wir ’abe gefeiert Geburtstage, wir ’abe drei Kerze auf eine Torta angemackte. Auspuste, klatsche, jeder eine Stucke Torta verteile, kleine Geschenke – e basta! Aber ’eute, Clown auf die lange Beine ... wie ’eißte das ... Stelze, ja?«
Ich komme kaum zum Nicken. Alberta ist in Rage. »... Zaubere, Upfeburg, viel zu viele Geschenke e Luftebalone, uberalle Luftebalone. Sinde immer geplatzte, Kinder ’abe geweint. So! Und Josie ’eute Abend ware kapute. Ische sage, Sarah, ka-pute!«
Als Alberta ihren leidenschaftlichen Monolog beendet, sieht sie mich endlich an. Sofort bemerkt sie meine Enttäuschung und ihre Miene überzogener Empörung weicht einem sanften, ja, fast mütterlichen Blick. »Sarah, bella, ’ate geschlafene die Kleine. Musste sie trage die Treppe ’ock. Alora, sage mir, mia cara, wie ware die Tag ’eute an die neue Set, eh? Wirde gut werde? Komm, mangiare, isch ’abe Essen fur dich. Pasta, Fleische ... ’abe alles!«
Davon bin ich überzeugt, ja. Ich kenne Albertas Angewohnheit, für eine komplette Kompanie zu kochen, und habe jegliche Bekehrungsversuche schon vor langer Zeit aufgegeben. Noch einmal massiere ich den schmerzenden Ballen meines Fußes und schüttele dabei den Kopf. Ich kann der Versuchung, sie ein wenig zu ärgern, nicht widerstehen.
»Nein, Alberta, danke, aber ich habe bereits gegessen. Sie haben am Set unglaublich viel Obst, Gemüse und ... Ach, die Auswahl ist ...« Weiter komme ich erwartungsgemäß nicht.
»Was ... Obste, Gemuse? Biste du keine Kaninsche, oder? Musste du auck esse Fleische und andere Sacke. Arbeiteste du die ganze Tage, musste du auck essene, Sarah. Iste wischtig. Sehr wischtig! Biste du viel zu dunnes ’Emd. Komme, bella, isste du wenigstens eine bisschen Pasta mit mir. Isch erzähle dir von unsere Tag, und du erzählste mir, wase passiert iste bei dir. Sinde dock nur wir beide da. Konnene wir essene und rede und macke gemutliche Abend, ja?«
