23:00 Uhr

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Ihre feuchten Lippen legten sich um den Rand des polierten Glases. Sie nippte an dem empfohlenen Wein ihrer alten Schulfreundin, die nun als Kritikerin und Inspekteurin ihre Karriere verbrachte. Nun, sie musste zugeben, dass jene süße und doch herzhafte Note nicht ganz gegen ihren Geschmack sprachen. Außerdem mochte sie Alkohol in Maßen sehr gern. Es hob ihre Stimmung und berauschte sie.

Es wurde dunkel draußen und sie schritt aufrecht durch ihre große Dreiraumwohnung mit Aussicht auf Seattles schöne Hochhäuserpracht. Sie genoss die Aussicht und liebte den Sonnenuntergang. Während sie den Blick nicht von den spielenden und tanzenden Lichtern außerhalb ihrer Wohnung nahm, hörte sie das bekannte Geräusch ihres klingelnden Telefons. Sie griff in ihre Hosentasche und griff danach. Ohne auf den Namen des Anrufers zu achten, nahm sie ab und machte sich bemerkbar mit den Worten:,, Delleven." Ihre betörende Stimme ließ den ein oder anderen Mann allein beim Hören dahinschmelzen. Ihre Mutter hatte immer gesagt, dass Männer nicht viel im Kopf haben, aber ihre Sinne sind schärfer als jede Klinge.

Am Telefon hörte sie die bekannte Stimme ihrer Freundin René, die sich sonst nur per Nachricht meldete.

,,Ich bin nicht einer deiner vielen Männer, Gen. Du brauchst nicht so mit mir sprechen, als würdest du mich gleich ausziehen wollen", lachte sie an der anderen Seite des Hörers. Geneve grinste nur vor sich hin und wartete, bis sich René beruhigt hatte und ihr lautes Lachen an Lautstärke verlor. ,,Wie kann ich dir helfen, René? Hast du wieder Stress mit deinem Lover?" René seufzte nur deutlich verständlich. Sie war schon seit einigen Jahren verheiratet und war erst 26 Jahre alt geworden. Für Geneve war die frühe Ehe unverständlich. Sie hatte ihre tollen Jahre noch nicht genossen und ging bereits den Bund der Ehe ein. Wo blieb da der Spaß am Leben? Wie sie es ahnte, hatte René nur Probleme mit ihm. Betrug, Lügen, Intrigen, lautstarker Streit, Gewalt, übergängliche und kurzweilige Trennungen. Sie kannte das Spiel und sie kannte Renés Ehemann. Er war ein vermögender Immobilienmakler, aber sein Gehirn bot nicht viel Platz für Logik und Sinn. Sie hielt ihn schon immer für dumm und inkompetent, aber René dachte viel eher an die große Liebe und sie wollte ihrer Freundin das Glück auch nicht ausreden. Was wäre sie für eine Freundin sonst gewesen? Allerdings kannte René Geneves Meinung zu deren Ehemann, beließ es aber dabei.

René wurde still, also sprach Geneve weiter:,, Was hat der elende Mistkerl wieder getan?"
,,Er ist gegangen..."
,,Und?"
,,Nichts und..."
Geneve wusste ganz genau, wann René log und wann nicht. Sie kannten sich immerhin schon seit Jahren. ,,Ich will die Wahrheit wissen, René oder ich prügel sie aus ihm heraus", warnte ich sie. Jahrelange Verteidigung in der Schule und am Arbeitsplatz verschafften ihr den nötigen Respekt und die notwendige Stärke. Eine Narbe zierte ihr Schlüsselbein und war deutlich zu erkennen.
,,Er hat mich geschlagen..."
,,Warum rufst du nicht die örtliche Polizei? Dieser Köter soll im Tümpel schmorren! Er kann dich nicht schlagen. Das ist häusliche Gewalt"
,,Er ist nicht immer so, weißt du"
,,Nein, nur 24 Stunden die Woche. Ehrlich René, du musst endlich die Hand heben und sein kleines Spiel beenden!"
René schwieg. Sie wusste, dass Geneve recht hatte, wollte es aber noch immer nicht akzeptieren. Stattdessen nannte sie Geneve ihren wirklichen Grund des Anrufes:,, Es geht sowieso nicht um meine Ehe... Ich will feiern gehen." Geneve war entsetzt. Die kleine, zierliche, brünette René Johnson wollte tatsächlich einen Club besuchen? Feiern, tanzen, trinken? Es wurde verwirrend und Geneve hielt es kurzerhand für einen Witz, aber René hielt behaarlich an ihrer Aktion fest.

Nun, da Geneve nie nein sagte, warf sie sich schnell in ein enges, silbernes, trägerloses Cocktailkleid mit passenden Schuhen und ließ ihre langen, glatten, braunen Haare leicht lockig über ihre unbedeckten Schultern fallen. Dazu schminkte sie sich dezent, da sie ein natürliches Gesicht bevorzugte, anstatt einer Maske. In ihre kleine, handwerkliche Handtasche platzierte sie Schlüssel, Pfefferspray, Brieftasche, Handy und Pfefferminzbonbons. Anschließend legte sie sich einen schwarzen Mantel nur über die Schultern, sodass er beinahe abrutschte, richtete ihre Frisur im Spiegel und verließ dementsprechend aufreizend bekleidet ihr Apartment.

Es war kurz vor 23:00 Uhr, als sie vor dem Club auf ihre schwer betroffen verheiratete Freundin wartete. Sie schaute ab und zu auf die Uhr ihres Handys und wartete geduldig, obwohl Geduld noch nie ihre Stärke zu sein schien. Langsam begann sie genervt mit dem Absätzen auf dem Bordstein zu tippen. René war, wie immer, nicht pünktlich am vereinbarten Standort. Also betrat sie schließlich ohne ihre Freundin bereits den Club und warf den muskulösen Türstehern ihr personalisiertes Aufreißerlächeln zu, während sie beiden zu zwinkerte. Sie ließen sie durch und so betrat sie schließlich kurz nach 23:00 Uhr den Club, aus dem die laute Musik schon durch die Trommelfelle, direkt ins Blut dröhnten.

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