Kapitel 4 - Dachterrasse

170 4 2
                                    

««« - »»»

Tief atmete Jonas durch. Die frische Luft tat ihm gut, beruhigte seinen Körper. Es war beinahe eine magische Wirkung, die sie auf ihn hatte. Wie Emma. Der Ausraster gestern hatte ihm gut getan, das spürte er nun umso deutlicher, und er war nur mit Alex nochmal ins Gespräch gekommen. Dieses war, wie gewohnt, eher seltsam ausgefallen, doch der Schnösel hatte tatsächlich Mitleid mit ihm gezeigt, und stärkte ihm nun den Rücken. Leo hatte geschlafen, als Jonas zurückgekehrt war, und heute Morgen hatte er ihm nur einen kurzen Blick zugeworfen, der eine seltsame Mischung aus Gefühlen offenbart hatte. Emma und er waren nun zusammen und nun hatten auch die letzten auf der Station begriffen, warum Jonas so angefressen war.

Alles in allem war es einfach nur scheiße.

„Na sieh mal einer an, der Jonas. Ohne seine tollen Freunde?“

Und so würde es die nächsten Minuten wohl auch bleiben.

Doch als Jonas sich umdrehte, sah er weit und breit keine Anhängsel, die Ruben unterstützen könnten. „Du bist doch auch alleine hier.“
„Das ist was anderes“, widersprach Ruben, schien aber kurzzeitig gekränkt. „Ich brauche niemanden, um mich stark zu fühlen.“
„Ich auch nicht“, sagte Jonas, und fügte in Gedanken ein »Zumal sie mich eher schwach fühlen lassen« hinzu. Er sprach es bewusst nicht aus, doch an dem Blick seines Feindes erkannte er, dass dieser längst bescheid wusste. Überraschend ruhig rollte Ruben neben ihn, und sah hoch in den Himmel.

„Hier ist es nicht leicht, stark zu sein. Und wenn du es bist, machst du einen anderen schwach. Leo war schon in Emma verliebt, bevor sie zusammen gekommen sind, das musst du bedenken. Er hat sicher auch darunter gelitten, sie glücklich mit seinem besten Freund zu sehen.“
Nachdenklich folgte Jonas seinem Blick. So hatte er noch nie darüber nachgedacht. Doch er wollte sich jetzt nicht den Fragen des Lebens stellen, schon gar nicht, wenn jeden Augenblick die sogenannten Freunde von Ruben kommen könnten, laut brüllend „It's a prank!“.

„Klingt so, als würdest du aus Erfahrung sprechen“, stellte er also fest, und lenkte somit von sich ab. Zu seiner Überraschung widersprach Ruben ihm nicht. „Vielleicht tue ich das, ja... Aber das heißt ja nicht, dass ich dir nicht die Augen öffnen kann. Außerdem ist mein Fall wohl ziemlich hoffnungslos“, murmelte er stattdessen, und sah Jonas an. Schweigend sahen sie sich in die Augen, und überrascht stellte Jonas fest, dass der Mann von Station acht gar nicht so hässlich war, wie er bei den eher flüchtigen Begegnungen immer gedacht hatte. Und so abgehoben schien er auch nicht. „Warum?“

„Wir teilen uns nicht die selbe Orientierung“, resigniert seufzte Ruben.
„Du... bist schwul?“
„Das habe ich nie gesagt.“
„Also ist sie-“
„Das habe ich auch nie gesagt.“
Nun grinste Jonas. „Eins von beidem muss es ja sein.“

„Was ist mit dir?“, aufmerksam sah Ruben ihn an. „Hätte ein Mann bei dir Chancen?“
„Ich bin... Ich war mit Emma zusammen“, entgegnete Jonas, das Grinsen war wie weggewischt, „Ich bin also nicht schwul, nein.“

Kurz herrschte Stille, dann drehte Ruben um, und machte sich auf den Weg zur Tür. „Die Welt besteht nicht nur aus homo und hetero. Genausowenig, wie es nur schwarz und weiß, gut und böse gibt. Diese Welt ist bunt wie ein Regenbogen, man muss nur die Augen öffnen.“

««« - »»»

Club der roten Bänder - Hilf mir aus der Hölle (Ruben x Jonas) Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt